Dießen:Serenade mit Störfaktor

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Vorgezogener Auftakt des Ammersee-Festivals in Dießen

Von Reinhard Palmer, Dießen

Was die Politik verbockt, muss immer die Kultur richten. Dieses Konzert der Russisch-Deutschen Musikakademie hatte seine Brisanz, steht doch der Chefdirigent der Münchner Philharmoniker Valery Gergiev - hier in der Rolle des abwesenden Spiritus rector - immer noch in der Kritik, eine allzu enge Freundschaft zu Russlands Präsident Wladimir Putin zu hegen. Dass Gazprom Germania das Projekt fördert, glättet auch nicht gerade die Wogen. Entschärft hat den Kontext in Dießen zunächst der gute Zweck der Veranstaltung. Die von der Artemed Stiftung angebotene Picknick-Tafel erbrachte einen Erlös für die River Doctors in Myanmar. Etwas Besonderes war das Konzert auch vom Ort her: Das aufgelöste Kloster St. Vinzenz in Dießen soll künftig eine Klinik beherbergen. So konnte das Konzert im stimmungsvoll beleuchteten Innenhof des Gevierts stattfinden. Doch als so still und friedlich, wie vielleicht erwartet, sollte sich der Ort nicht erweisen, bimmelte die Glocken vom angrenzenden Marienmünster doch jede Viertelstunden die Musik und das Wort vom Musikwissenschaftler und Kulturmanager Dieter Rexroth gnadenlos zusammen. Man nahm es mit Humor.

Der vorgezogene Auftakt der Ammersee-Serenade 2015 (Eröffnung erst am 30. August) unter dem Motto "Picknick mit Tschaikowsky" hatte eine Preziose aus der Feder des russischen Komponisten im Fokus, mit russischen Gedichten in jeweiligen Stimmungen in den Kontext soziokultureller Entwicklungen jener Zeit gesetzt. "Jahreszeiten" entspricht nicht ganz dem bekannten Typus. Den Zyklus op. 37 gliederte Tschaikowsky in einzelne Monate auf, er folgte damit dem Aftrag zur monatlichen Veröffentlichung in der Petersburger Musikzeitschrift "Nouvelisste". Russische Poesie war auch dort den Originalstücken für Klavier jeweils als Motto vorangestellt. Die Monate arbeiten teils mit bewährten, zeitlich konnotierten Elementen, so die Verinnerlichung im winterlichen Januar, das Aufblühen im frühlingshaften Mai, ein Freudenfest mit Serenade im August, sehnsuchtsvoller Gesang im laubgefärbten Oktober, Jagdszenerie im September. Teils aber auch mit Charakteren, die wir wohl anders zuordnen würden. Die kulturellen Unterschiede wurden hier deutlich erkennbar, wenn etwa im launischen April beschwingte Heiterkeit im Tanzrhythmus erklang oder der Dezember-Walzer mit galanten Bläsern vergnüglich den Jahreskreis im Winter beschloss.

Die Übertragung des Werkes auf ein Ensemble - Klavierquintett und Bläser (Flöte, Klarinette, Oboe und Horn) von Valentin Barykin und Kuzma Bodrov - lieferte für die Monatsbilder eine breite Palette an feinsinnigen Klangbildern und Stimmungsfärbungen, mit denen das junge Ensemble 2012 der Orchesterakademie - benannt nach dem Gründungsjahr - aus Moskau und Berlin ihre Fähigkeiten am Instrument demonstrierten. In den schlüssigen dramaturgischen Verläufen ging es von zartesten Klanglasuren bis hin zu satter orchestraler Festlichkeit. Der Einschub mit Schumanns Adagio und Allegro op. 70 für Horn und Klavier offenbarte dann deutlich die herausragenden Qualitäten der jungen Musiker. Ein Kammermusikabend der Extraklasse, der leider unter den örtlichen Umständen litt

© SZ vom 05.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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