Dießen:Heiteres Panoptikum

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Im Fritz-Winter-Atelier in Dießen zeigt Janos Schaab seine Werke unter dem Motto "Trauen Sie Ihren Augen nicht". Das Bild heißt "Coco Chanel". (Foto: Georgine Treybal)

Die Op-Art lebt: Im Fritz-Winter-Atelier Dießen sind derzeit sehr unterschiedliche Vexierbilder zu sehen

Von Katja Sebald, Dießen

"Trauen Sie Ihren Augen nicht!" So hat Galerist Michael Gausling eine verwegene Ausstellung mit Arbeiten verschiedener Künstler betitelt, die noch bis Ende Juli in Dießen zu sehen ist - und an der wohl nicht nur ausgewiesene Kunstfreunde ihren Spaß haben dürften. Die Exponate verwandeln sich vor den Augen des Betrachters, führen ihn mit optischen Tricks in die Irre oder sind gar nicht das, was sie auf den ersten Blick zu sein scheinen. Stilecht ist diese Effekthascherei aber doch: Die sogenannte "Op-Art", die kinetische und optische Effekte nutzt, ist wie das Fritz-Winter-Atelier selbst ein Kind der 1960er Jahre. Wie die Kunstrichtung leitet sich die geradlinige Architektur des Hauses aus den Traditionen des Bauhauses ab.

Der Begriff "Op-Art" entstand als Abkürzung für "Optical Art". Unter der historischen Op-Art versteht man Bilder, die mit Hilfe präziser abstrakter Formmuster und geometrischer Farbfiguren beim Betrachter überraschende oder irritierende Effekte erzeugen. Berühmtester Vertreter, wenn nicht gar Erfinder der Op-Art ist Victor Vasarely - in der Dießener Ausstellung ist er zumindest mit einem Druck vertreten. Eine geradezu spektakuläre drehbare Arbeit mit dem Titel "Dinamica circolare" von Marina Apollonio, ein höchst effektvolles Objekt aus geschnittener und gedrehter Lackfolie in Gelb und Rot von Alberto Biasi sowie ein Schwarz-Weiß-Bild aus geflochtenen Papierstreifen von Edoardo Landi vermitteln noch mehr historische Authentizität der Sechziger Jahre.

Es gibt aber jüngere Künstler, die sich auf Op-Art berufen. Arbeiten von Antonio Marra waren bereits mehrmals in Dießen zu sehen, auch in der aktuellen Ausstellung ist er mit Bildern vertreten, die alle nach dem gleichen Prinzip entstehen: Auf die Leinwand wird zunächst eine Paste aufgetragen, in die wie mit einem Kamm eine reliefartige Längsstruktur gezogen wird. Auf diese Rillenoberfläche werden dann zwei verschiedene Bilder gemalt: das eine auf die linke Seite der Rillen, das andere auf die rechte. Steht man frontal vor der Leinwand, ergibt sich also noch ein weiteres Bild, alle drei bestehen aus geometrischen Formen. Einem ähnlichen Prinzip folgt Roland Helmer, der sich jedoch die Reliefplatten von einem Tischler fertigen lässt. Robert Schaberl malt mit Interferenzpigmenten metallisch glänzende Bildscheiben, die ihre Farbwirkung je nach Standpunkt des Betrachters verändern. Gabriele Pöhlmann tropft und spritzt in einer Art All-Over kleinteilige Farbstrukturen auf die Leinwand und montiert vor die Leinwand eine Portraitbüste mit der gleichen Farbstruktur, die deshalb ab einer gewissen Entfernung im Bild verschwindet. Genau umgekehrt funktionieren die Bilder von Janos Schaab, der in so groben "Pixeln" malt, dass sich erst bei einem weit entfernten Standpunkt ein konkretes Bild ergibt. Eine Sonderstellung nehmen plastische Arbeiten von Otto Scherer ein, der mit äußerst reizvollen Spiegeleffekten arbeitet. Gausling bedauert, dass er in der Galerie nicht alles zeigen kann, was er zum Thema fand. Aber auch so ist ein prall gefülltes und heiteres Panoptikum mit Kunstwerken von unterschiedlichster Herangehensweise und von unterschiedlichster Qualität entstanden.

© SZ vom 02.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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