Dießen:Der Mann fürs Cover

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Der 68-jährige Jürgen Rogner gehört zu den international erfolgreichen Illustratoren und hat für Wissenschaftsmagazine, "Playboy" und "Spiegel" gearbeitet. Seit 13 jahren lebt er wieder in Dießen

Von Armin Greune, Dießen

"Früher war ich unter den Kommilitonen als 'Der Blümchenmaler' verschrieen", sagt Jürgen Rogner. Früher - das waren die späten 1960er, als für Studenten auch an der Münchner Kunstakademie politische Inhalte oder Abstraktion geradezu Pflicht waren. Der heute 68-jährige Maler und Illustrator erinnert sich noch an die Aufnahmeprüfung: Außer dem dreitägigen Arbeiten unter Aufsicht der Professoren - "da musste ich das erste Mal Akt zeichnen" - hatten sich die Kandidaten auch einem Prüfungsgremium von Studenten zu stellen und vor der Klasse zu erklären, warum man Künstler werden wolle.

Rogner bestand auch diesen Test, wurde aufgenommen und hatte schon während des Studiums erste Aufträge. 35 Jahre lang war er international als Illustrator sehr erfolgreich: Er gestaltete mehr als 200 Buch-und Magazintitel, illustrierte Artikel und entwarf Poster. Zunächst mit Pinsel und Sprühtechniken, dann digital schuf er vor allem fotorealistische und dreidimensional wirkende Bilder, die nicht selten Geschichten erzählen oder beim Betrachter ein Kopfkino auslösen. Vor sechs Jahren brach die Nachfrage ein: In der Wirtschaftskrise mussten die Art Directors sparen und konnten kaum mehr unabhängige Illustratoren beschäftigen. "Mit der Ausweitung des Materialangebots von Agenturen im Internet will ich nicht konkurrieren. Da kann man fast nur noch Centbeträge umsetzen", sagt Rogner, "deshalb konzentriere ich mich nun auf Freie Kunst".

Auch seine Werke an der Akademie hatten politische Botschaften, nur wurden sie als romantisierend verkannt. Schon 1968 war Rogner in einem "Look"-Artikel zum ersten Mal mit dem Begriff Ökologie konfrontiert worden. Die fast naive Botschaft vom Aufbruch der Menschheit ins All im Bild "Blauer Planet", an dem er zwei Jahre lang an der Akademie gearbeitet hatte, ist inzwischen vielschichtiger geworden. Rogners postapokalyptisches Bild "Potsdamer Platz Berlin 2084" etwa kann als Mahnung vor dem drohenden Ende der Zivilisation verstanden werden - oder als Triumph der Natur über den Menschen. Auf jeden Fall regt das Werk des "Blümchenmalers" zu Denkprozessen an, die zu politischem Handeln führen können.

1969 aber wollte er lieber künstlerische Techniken erlernen und verfeinern, statt über den Vietnamkrieg zu debattieren und gegen Autoritäten zu rebellieren. Heute erklärt er sich das damit, dass er anders als die meisten Altersgenossen aufwuchs: "Ich habe meine Eltern nicht angezweifelt - im Gegenteil: Sie haben mir ja die Welt eröffnet." Er bereiste mit ihnen Ägypten und den Sudan, wo sein Vater fünf Jahre als Agrarwissenschaftler arbeitete. Ein Jahr lang ging er dort auf die Schule, doch der sprachbedingt reduzierte Unterricht konnte nicht die nötige akademische Reife verschaffen. Also ginge es für den Zehnjähriger ab ins Internat Hohenschwangau.

An der Akademie zählten zu den ersten veröffentlichten Arbeiten Plakate für die legendäre Krautrockband "Amon Düül II", bei der sein Bruder Falk und mit John Weinzierl ein vormaliger Mitschüler spielten. "Meine psychedelische Phase" nennt Rogner diese Zeit heute. Vor allem aber war der 20-Jährige vom Aufbruch in den Weltraum beeindruckt: Im Fernseher lief live die erste Mondlandung, im Kino Stanley Kubricks Meisterwerk "Odyssee im Weltraum" - kein Wunder, dass Rogner von Science Fiction (SF) fasziniert war und ihm der Expressionismus vom Anfang des 20. Jahrhunderts als ungeeignet zum Erfassen dieser neuen Ära zu sein schien. 1973 brachte ihm das Faible für Fantastik den ersten kapitalen Auftrag ein: Wilhelm Goldmann ließ ihn die Covers für die SF-Reihe in seinem Verlag gestalten. "Ziemlich simples Zeug" aus Rogners heutiger Sicht: "Das waren monatlich drei Titel, und ich konnte davon ein Post-Graduate-Jahr in England finanzieren". Als sein Sohn Tobias 1975 zur Welt kam, kehrten Rogner und seine Frau Gilda Belin nach Bayern zurück. Bereits damals wohnten sie zwei Jahre in Dießen, gegenüber von Carl Orffs Haus.

Die erste Hälfte der 1980er lebte die Familie wieder in England, wo die Airbrushtechnik schon weiter fortgeschritten war als in Deutschland. Rogner gestaltete Covers für das englischsprachige Wissenschafts- und SF-Magazin "Omni" - unter anderem mit dem Bild "Blauer Planet". Selbst "Playboy" und "Penthouse" veröffentlichten Rogners Illustrationen. "Und im Ausland entstand damals mit 'Decorative Art' ein Riesen-Markt", erzählt Rogner. Das Paar entwarf Poster, die sich weltweit verkauften: Detailgetreue Fantasielandschaften, farbenprächtige, modernistische Stillleben, Akte oder Porträts von Marylin Monroe. "Vor allem meine Frau hatte ein gutes Händchen bei der Auswahl der Motive", sagt Rogner. "Die 1980er waren das Jahrzehnt der Illustration", die zweite Hälfte davon lebte die Familie an der Côte d'Azur. Es folgten sechs Jahre in London, in denen der Poster-Boom abschwang. Von 1996 bis 2002 lebte und arbeitete Rogner in Berlin; er sattelte von der Sprühpistole auf Computer um und experimentierte mit 3-D-Programmen - so entstand etwa 1998 ein Titel für das "Spiegel Special"-Heft "Die Zukunft der Erde".

Jürgen Rogner in seinem Haus in Dießen. Sein Akita Yori ist bei fast allen Vernissagen dabei und in der Kunstszene bekannt wie "ein bunter Hund". (Foto: Nila Thiel)

Vor 13 Jahren kam Rogner dann wieder nach Dießen, wo er seitdem am Augustinerberg ein Holzhaus im Grünen bewohnt. Die "einmalige Landschaft" und familiäre Bindungen zogen ihn zurück an den Ammersee - auf halbem Weg zwischen dem Sohn, der nun in München lebt, und den Eltern im Allgäu. Anfang der 2000er Jahre brach für Rogner die dritte futuristische Phase an. 2001 wurde er als bester Grafiker mit dem Kurd-Laßwitz-Preis geehrt, der bedeutendsten Auszeichnung in der deutschsprachigen SF. Für die populärwissenschaftliche Zeitschrift P.M. steuerte Rogner noch Illustrationen bei, bis auch da die Aufträge versiegten: "Irgendwann hatte ich dann nicht mehr den Nerv zur Akquise." In Dießen hat er sich mit dem Maler und Kunsthistoriker Hajo Düchting angefreundet und fühlt sich inzwischen gut aufgehoben: "Es ist ja ein Ort, der von Kunst lebt und profitiert." Während er sich als Illustrator eher als Einzelkämpfer sah, wünscht Rogner sich nun mehr Kontakt mit Künstlerkollegen: "Ich vermisse hier ein wenig die Kultur, sich gegenseitig zu kritisieren und zu inspirieren". "Das mit der 'Blümchenmalerei' ist auch relativ", meint er und erinnert an die fantastischen Arbeiten von Georgia O'Keeffe. Wer seine Inhalte nicht in der Abstraktion versteckt, begebe sich eben auf schwieriges Terrain: Mit konkreten Botschaften werde man leichter angreifbar.

Ein Querschnitt von Rogners Arbeiten ist im Internet unter www.juergenrogner.com, www.facebook.com/juergen.rogner sowie www.saatchiart.com/account/profile/801427 zu sehen.Als einer von 30 Künstlern nimmt Rogner vom 12. bis 24. November an der Ausstellung "Blau" im Dießener Blauen Haus teil.

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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