Chorgesang:Englische Perfektion

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Aus einem Guss: Die Blenheim Singers bei ihrem Auftritt in Tutzing. (Foto: Georgine Treybal)

Die Blenheim Singers mit Musik der Elisabethanischen Zeit und des 20. Jahrhunderts in Tutzing

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Was Chorgesang betrifft, macht kein anderes europäisches Land den Engländern was vor. Und auch die Blenheim Singers ließen in der St.-Joseph-Kirche in Tutzing keine Zweifel an ihrer Klasse aufkommen. Die englische Chortradition hat ihre Wiege im 15. Jahrhundert der großen Universitätsstädte Cambridge und Oxford. Letztere ist denn auch die Wirkungsstätte des Chorleiters, Countertenors und Gründers der Blenheim Singers, Tom Hammond-Davies. Gegründet wurde das professionelle Vokalensemble aus Anlass eines Konzerts im berühmten Blenheim Palace nahe Oxford - zu sehen in zahlreichen Filmen von Harry Potter bis 007 - vor genau zehn Jahren.

Mit diesem Gründungsort entstand kurioserweise eine Verbindung zu Deutschland. Der Name leitet sich von Blindheim ab, einem Weiler bei Höchstädt an der Donau, wo einst der erste Duke of Marlborough im Spanischen Erbfolgekrieg einen Sieg in der Schlacht errungen hat. Als Belohnung für seine militärischen Erfolge ließ Königin Anne Stuart für ihn das Schloss erbauen. Die Blenheim Singers pflegen diese historische Verbindung und trugen auch Erläuterungen zu den Werken auf Deutsch vor.

Das Ensemble reiste mit elf Sängern an, wobei traditionell der Alt mit Männern besetzt ist. Das einzigartige Timbre des Altus verleiht dem Chorklang eine besondere Färbung und eine breitere Skala der Tönungen. Das ist im Programm "Gloriana" von besonderer Bedeutung. Einerseits im historischen Kontext der "Majestätischen Musik aus der Elisabethanischen Zeit", andererseits im zweiten Teil des Konzerts in Bezug auf die reiche Differenzierung in Harmonie und Ausdruck der Kompositionen des 20. Jahrhunderts. Letztere großenteils mit Texten von William Shakespeare aus Anlass seines 400. Todestages.

Die Regierungszeit Glorianas, wie die Engländer Königin Elisabeth I. (Elizabeth Tudor) nennen, markiert die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts als Englands große Ära der Künste, Forscher und Eroberer. Die endgültige Ausprägung der anglikanischen Kirche hatte auch eine Fülle an sakraler Musik zufolge, die sowohl textlich als auch musikalisch von großer Poesie geprägt ist. William Byrd ist wohl der bekannteste Komponist dieser Zeit, den die Blenheim Singers mit einem fahrig virtuosen "Haec Dies" ins Spiel brachten. Selbst in einer so bewegten und stark rhythmisierten Komposition blieb der Vortrag bis ins Detail perfekt aus einem Guss und trotz reicher Gestaltung stets in optimaler klanglicher Balance. Das überraschend reich polyphone "Libera nos, salva nos" von John Sheppard (einst Musikdirektor in Oxford) mit seiner komplexen Struktur bestach schon zuvor mit Klarheit und Transparenz, blühender Vitalität und feierlichen Farbspielen. Das sind die herausragenden Qualitäten des Ensembles, das bei aller Perfektion keine Sterilität zulässt. Auch wenn die Musik mal in typisch englisch-melancholischer Weise ruhig dahinfloss, wie es Thomas Tallis' Chorsätze "If ye love me" und das komplex verflochtene "O nata lux de lumine" forderten, fand das Ensemble immer noch genug Raum, die weiten Linienverläufe feinstens zu modellieren. Weit mehr Gestaltungsspielraum bot die majestätische Feierlichkeit in "Ave verum corpus" aus der Feder von Byrd. Auch diese Charakteristik, die typisch ist fürs königliche England, gestalteten die Blenheim Singers edel und einfühlsam.

Das 20. Jahrhundert, über Shakespeares Texte mit der elisabethanischen Zeit in Verbindung, brachte extremere Ausdrucksausprägungen mit sich. Bei Benjamin Brittens Choral Dances aus "Gloriana" dominierten strahlende Helligkeit und schärferer Zuschnitt. In den lyrischen Sätzen indes gab es weite Rücknahmen und enger an der Sprache ausgelegte Rhetorik. Packende Effekte wie das Farbschillern in "Over hill, over dale" von Ralph Vaughan Williams oder im klangmalerischen "Spring" von George Shearing unterstrichen die Meisterklasse der Blenheim Singers, die es sich mit John Rutters "It was a lover and hin lass" nicht nehmen ließen, auch die leichtere Muse zu Gehör zu bringen.

Ovationen und Brahms' Wiegenlied in der Zugabe.

© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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