Bundestagskandidaten:Die Anpackerin

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Die Starnberger Grüne Kerstin Täubner-Benicke will nach Berlin und bewirbt sich für den Bundestag

Von Ute Pröttel, Starnberg

Am Abend des Amoklaufs von München war Kerstin Täubner-Benicke auf einem politischen Seminar in der Innenstadt. Die Lage beschreibt sie später als äußerst gespenstisch. Auch sie hing wie viele andere nur noch am Smartphone und verfolgte die Nachrichten. "Unsere bayerische Polizei funktioniert", gesteht sie trocken ein. Besonders eindrucksvoll fand sie den Sprecher der Münchner Polizei, Marcus da Gloria Martins. Seine professionelle Art, nicht zu spekulieren und die Sachlage ruhig zu analysieren, hat der studierten Linguistin gut gefallen. "Das fehlt mir manchmal im politischen Diskurs," sagt sie

Die 49-jährige Starnbergerin will als Direktkandidatin von Bündnis 90/Grüne bei der Bundestagswahl antreten. Ihre Wahl zur Kandidatin im neu zugeschnittenen Wahlkreises 224 steht im September an, doch bereits in diesen Tagen ist sie unterwegs. Jetzt nahm sie an einer Veranstaltung mit der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis90/Grüne) in Germering teil. Walter-Rosenheimer, die in Germering lebt, hat sich entschieden, in ihrem angestammten Wahlkreis zu kandidieren und unterstützt die Kandidatur von Täubner-Benicke. Der neue Wahlkreis umfasst die Landkreise Starnberg, Landsberg sowie die Stadt Germering. Er weist erstaunlich viele Berührungspunkte mit dem Lebenslauf von Täubner-Benicke auf: Abi in Landsberg, zwei Jahre in Germering gelebt und seit 25 Jahren in Starnberg. "Das habe ich in Berlin so bestellt," scherzt sie. Dorthin führt sie regelmäßig ihr Engagement als Sprecherin der Landes- und Bundesarbeitsgemeinschaft (BGA) "Christinnen bei den Grünen".

Die gläubige Grüne ist eine politische Quereinsteigerin

Die gläubige Grüne ist eine politische Quereinsteigerin. Einen Monat nachdem sie 2005 bei den Grünen eingetreten ist, wird sie bei einer Ortsversammlung in Starnberg prompt zur Ortsvorsitzenden gewählt. Sie übernimmt die Aufgabe für acht Jahre, mittlerweile ist sie seit drei Jahren Kreisvorsitzende. "Im Herbst stand dann gleich die vorgezogene Bundestagswahl 2005 an", erinnert sie sich noch genau. Aber anpacken und machen, das liegt ihr.

Mit 20 Jahren wird die gebürtige Nordrhein-Westfälin das erste Mal Mutter. Deswegen das Studium zu unterbrechen, kommt nicht in Frage. Allerdings schwenkt sie vom Lehramtsstudium auf einen Magister-Studiengang um. Auch als ihre erste Ehe scheitert lässt sie sich davon nicht unterkriegen, bekommt vier Jahre später das zweite Kind mit ihrem jetzigen Mann und beendet mit zwei kleinen Kindern ihr Studium der germanistischen Linguistik und Psychologie. Ein weiteres Jahr bleibt sie noch als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni. Den beiden Töchtern folgen noch zwei Söhne, der jüngste ist heute 15. Und als sich ihre Großmutter nicht mehr alleine versorgen kann, nimmt sie sie kurzerhand zwei Jahre vor deren Tod zu sich. Heute ist Kerstin Täubner-Benicke selber bereits zweifache Großmutter, was man ihr nicht ansieht.

Auch politisch packt sie an, wenn sie Handlungsbedarf sieht. Sie ist die treibende Kraft hinter dem Aktionsbündnis "Stopp CETA/TTIP/TISA Starnberg". Mitte Juli trommelt sie in ihrer Funktion als Kreisvorsitzende der Grünen Parteien und Verbände aus dem Landkreis zusammen, um sich gegen die Freihandelsabkommen zu formieren. Konkreter Anlass ist das von Bund Naturschutz und anderen Nichtregierungsorganisationen angekündigte Volksbegehren gegen CETA in Bayern. Am ersten Wochenende sammelt das Aktionsbündnis mehr als 300 Unterschriften an Informationsständen. Mittlerweile hat sich die Zahl nochmals verdoppelt. "Und immer noch erreichen mich täglich Anfragen von Menschen, die unterschreiben wollen", erzählt sie begeistert. Dass sie in keinem Kommunalgremium vertreten ist, sieht Täubner-Benicke nicht als Hindernis: "Ich engagiere mich beim Bund Naturschutz, dem Energiewendeverein und der Energiegenossenschaft. Durch meine politische Arbeit auf Bundesebene habe ich Kontakt in den Bundesvorstand der Grünen und zu vielen Bundestagsabgeordneten," erzählt sie. Das politische Berlin ist ihr nicht unbekannt. Insofern hat ihr Entschluss, sich für die Bundestagskandidatur zu bewerben schon eine gewisse Folgerichtigkeit. Zumal die Aufstiegschancen für Linguisten in ihrem aktuellen Beruf nicht rosig sind: Seit 2007 arbeitet sie als Assistentin beim Rundfunkrat der evangelischen Landeskirche und betreut dort Formate wie "Auf ein Wort" oder "Die Evangelische Morgenfeier".

Privat lässt sie sich von ihrem Mann bekochen. Das Gemüse dazu stammt aus der Biokiste vom Hofgut Letten, in deren Genossenschaft sie Mitglied ist. Auch dort muss sie gelegentlich mit anpacken: beim Unkrautzupfen. Bevor sie nun im Bundestag anpacken kann, muss Kerstin Täubner-Benicke am 27. September in ihrem Wahlkreis aufgestellt werden.

© SZ vom 01.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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