Blutkrebs:Lebensretter dringend gesucht

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Die Aktion Knochenmarkspende Bayern ist die drittgrößte Stammzellspender-Datei Deutschlands und hat ihren Sitz in Gauting. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Wegen Corona musste die Aktion Knochenmarkspende aus Gauting viele Typisierungs­veranstaltungen ausfallen lassen - für die leukämie­kranke Anne findet nun wieder eine statt.

Von Veronika Ellecosta, Gauting

Anne aus Kolbermoor war immer ein abenteuerlustiger Mensch. Ihre Freunde beschreiben sie als aktive, lebensfrohe Frau. Doch im März des vergangenes Jahres kommt die Schockdiagnose: Leukämie. Die 34-Jährige kämpft zwar, macht mehrere Chemotherapien - und zwischenzeitlich scheint der Blutkrebs sogar besiegt. Doch es dauert nicht lange, dann kehrt die lebensbedrohende Krankheit zurück - schlimmer als zuvor.

Die Aktion Knochenmarkspende Bayern (AKB) mit Sitz in Gauting sucht deshalb nun einen Lebensretter für Anne. Sie braucht dringend einen passenden Stammzellenspender. Ist kein geeigneter in der Datenbank hinterlegt, werden auf lokaler Ebene in der Regel sogenannte Typisierungsaktionen veranstaltet, wo sich potenzielle Stammzellspender registrieren lassen können. Doch die Anzahl der Neuregistrierungen auf diesen Typisierungsveranstaltungen ist seit Beginn der Pandemie drastisch eingebrochen. Corona zwingt viele Menschen ins Homeoffice. In den Firmen, wo früher regelmäßig typisiert wurde, passiert derzeit wenig. Auch an Schulen, Berufsschulen und Universitäten finden gerade coronabedingt kaum solche Aktionen statt.

Die große Typisierungsveranstaltung, welche die AKB für den 22. Januar in Kolbermoor organisiert hat (siehe Kasten), ist derzeit eines der wenigen Ereignisse dieser Art. Auf dem Land laufe die Suche nach passenden Spendern normalerweise etwas besser, sagt Laura Kellermann von der AKB. Wer Betroffene persönlich kennt, ist meist weniger zögerlich zu helfen, so Kellermann. In Dorfgemeinschaften gelinge es deshalb besser als in größeren Städten, Menschen für die Typisierung zu mobilisieren.

Meistens sind es Menschen aus dem engen Umfeld von Betroffenen, die sich an die AKB wenden, um mit der Stiftung gemeinsam die gezielte Suche nach einem passenden Spender zu forcieren. Und oft sind es auch Nachbarn, Freunde und Bekannte, die an den Typisierungsaktionen teilnehmen.

Die Aktion sucht einen Lebensretter für die 34-jährige Anne, die an Leukämie leidet. (Foto: Privat/oh)

Die Stiftung AKB ist die drittgrößte Stammzellspenderdatei in Deutschland, jeden Tag werden von hier aus etwa vier bis fünf Stammzellpräparate vermittelt. Los geht es aber immer erst einmal mit einem kleinen Piks in die Ellenbeuge von potenziellen Spendern. Anschließend hat die Blutprobe einen weiten Weg vor sich: Sie kommt zuerst nach Gauting, wo sie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der AKB an ein Speziallabor weitergeben, das die Gewebemerkmale analysiert. Diese werden dann in das deutsche zentrale Spenderregister eingespeist, die wiederum mit einer weltweiten Datenbank verknüpft ist. Anhand von 24 Gewebemerkmalen, die mithilfe der Blutprobe bestimmt werden, wird festgestellt, ob ein Spender auf einen bestimmten Patienten passt.

Als Spender angefragt zu werden, kann direkt nach der Registrierung passieren - oder auch erst nach 30 Jahren. Es kann von Planegg aus geschehen, ebenso wie aus Südamerika, sagt Kellermann von der AKB. Wenn eine passende Spenderin oder ein passender Spender gefunden wird, heißt das für die betreffende Person: Vorgespräche, Untersuchungen und schließlich die Stammzellspende. Die frisch entnommenen Stammzellen werden von der AKB per Kurier innerhalb von 48 Stunden dann zum Patienten in die Welt hinaus transportiert.

Um auch während der Corona-Pandemie weiter an Stammzellenspender zu kommen, hat die AKB digital aufgerüstet und vermehrt dazu aufgerufen, sich online registrieren zu lassen. Seit 2017 gibt es dazu die sogenannten Lebensrettersets, mit deren Hilfe man eine Speichel- oder Blutprobe auf dem Postweg zur Registrierung losschicken kann. Sie können online bestellt werden, oder liegen in Supermärkten, Praxen und Firmen zur freien Entnahme auf. In dem kleinen Paket findet sich ein Mundschleimhauttupfer, mit dem bequem von zu Hause aus Speichelmaterial aus den inneren Backentaschen gesammelt werden kann.

Eine andere Option ist es, beim Hausarzt oder der Hausärztin Blut entnehmen zu lassen. Mit beiliegendem Rücksendeetikett wird die entnommene Probe dann per Post nach Gauting geschickt, wo sie ausgewertet und das Ergebnis in die Datenbank eingespeist wird. Die Möglichkeit der Online-Registrierung stößt vor allem in Pandemiezeiten auf positive Resonanz, sagt Kellermann. Auch mithilfe der Lebensrettersets konnten im vergangenen Jahr insgesamt etwa 14 000 neue Spender registriert werden.

Auch wenn die Lebensrettersets eine gute und vor allem unkomplizierte Möglichkeit bieten, die Hürden der Pandemie zu meistern, werden sie laut Kellermann die Typisierungsaktionen auch langfristig nicht vollkommen ersetzen. Viele Menschen schieben die Entscheidung, sich typisieren zu lassen, sehr lange vor sich her. Eine Aktion im Umkreis gibt da oft den entscheidenden Schubs, um das eigene Vorhaben umzusetzen. Deshalb plant die AKB, in diesem Jahr verstärkt an Schulen und Universitäten nach jungen Menschen zu suchen, die noch nicht typisiert sind und außerdem wieder mehr Typisierungsaktionen zu organisieren - solche eben, wie am kommenden Wochenende in Kolbermoor auch eine für die 34-Jährige Anne stattfindet.

© SZ vom 20.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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