Biotop am Bau:Froschkönigs Kinder müssen umziehen

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Der Europäische Laubfrosch hat eine mit Wasser vollgelaufene Baugrube in Herrsching als Laichplatz in Beschlag genommen. Weil die Arbeiten weitergehen sollen, will ein Fachmann die Kaulquappen nun mit den Kescher einfangen und im Dellinger Buchet aussetzen

Von Peter Haacke, Herrsching

Anstelle eines Tümpels hat sich der streng geschützte Europäische Laubfrosch eine Baugrube zur Laichablage ausgesucht. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Frühlingszeit ist Paarungszeit, so ist das in der Tierwelt. Der Nachwuchs sollte möglichst geschützt sein, doch nicht immer ist der Ort der tierischen Kinderstube aus Sicht der Menschheit gerade ideal gewählt. So nahm der Europäische Laubfrosch, 2008 zum "Lurch des Jahres" gewählt, in den vergangenen Wochen in Herrsching ein Revier zur Paarung und Laichablage in Beschlag, das aus einer Sicht zwar optimal war, einem Bauherrn in der Hechendorfer Straße nun aber eine Bauverzögerung beschert: Der unter strengem Artenschutz stehende kleine Bursche hat eine mit Wasser vollgelaufene Baugrube, in der eine Hubparkanlage für Autos entstehen soll, als Ort der Vermehrung entdeckt. Lange wird der Froschnachwuchs dort aber nicht mehr bleiben können.

Die Nachbarschaft war schon Ende April auf die Amphibien aufmerksam geworden: Regelmäßig gab es an lauen Abenden Froschkonzerte, die der paarungswütige Winzling mit seinen Kumpanen veranstaltete. "Richtig schön ist das", berichtete eine Frau, die sich am vielkehligen Echo erfreute - bis eines Tages die Frage aufkam, woher die Geräusche eigentlich stammen. Schnell entdeckte man die knapp fünf Meter tiefe Baugrube als Ort des Geschehens: Der Laubfrosch fühlt sich zwar an Land, in Büschen und auf Bäumen am wohlsten, im Entwicklungsstadium vom Laich zur Kaulquappe braucht er jedoch Wasser.

Umgehend wurde das Landratsamt informiert; die Untere Naturschutzbehörde beauftragte daraufhin den Naturschutzwächter Reinhard Maier aus Inning, der sich seit fünf Jahrzehnten autodidaktisch zum Froschexperten weitergebildet hat. Schnell stand fest, dass der Europäische Laubfrosch die Grube in Beschlag genommen hatte. Dank seiner Saugnäpfe an den Gliedmaßen ist er die einzige Froschart in Deutschland, die auch klettern kann. Dabei ist der kleine Kraxelkönig bei der Laichablage durchaus wählerisch: Paarungsreviere sind nur fischfreie Tümpel, Weiher und Kleingewässer, die er auch nicht mit anderen Tieren teilt. In der Baugrube aber drohte den geschätzt etwa 100 Kaulquappen nun besondere Gefahr: Das Wasser muss für weitere Bauarbeiten rund um das neue Gebäude mit insgesamt elf Wohneinheiten abgepumpt werden.

Naturschutzwächter Reinhard Maier will die Kaulquappen nun einfangen und umsiedeln. (Foto: Arlet Ulfers)

Bevor es an der Baustelle weitergehen kann, müssen nun die Froschkinder umgesiedelt werden. Voraussichtlich nächste Woche wird Experte Maier in die Grube hinabsteigen und die Kaulquappen mit dem Segen der Regierung von Oberbayern mittels Kescher einfangen und umsiedeln.

Bauherr Christian Baier sieht die Zwangsunterbrechung an seinem Projekt mit einer gewissen Gelassenheit. Zwar hofft er, dass die Aktion zur Rettung der geschützten Fröschlein so schnell wie möglich über die Bühne geht; die Wohnanlage soll im Lauf des nächsten Jahres fertiggestellt sein. Andererseits aber freut er sich auch darüber, dass die Tiere anderswo eine bessere Zukunft finden - selbst wenn er diesen Einsatz bezahlen muss.

Der lackgrüne Laubfrosch ist vor allem als "Froschkönig" aus den Grimm'schen Märchen oder als Wetterfrosch bekannt. In freier Natur dürften ihn nur wenige Menschen entdecken, was vor allem an seiner verborgenen Lebensweise liegt: Als guter Kletterer hält er sich gerne in Gebüschen und Bäumen auf, wo er bestens getarnt ist. Seine lautstarken Konzerte im Schutz der Dunkelheit von April bis Juni sind unüberhörbar. Allerdings ist die einst weit verbreitete Art in vielen Regionen Deutschlands selten geworden, weil die Lebensräume für den Laubfrosch zunehmend verschwinden. Sollte die Regierung von Oberbayern zustimmen, wird Froschexperte Maier die Herrschinger Kaulquappen im Dellinger Buchet aussetzen.

© SZ vom 06.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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