Besuch aus Ungarn:Freundschaft in schwierigen Zeiten

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Mal trifft man sich - wie hier - am Starnberger See, mal am Plattensee: Günter und Annegret Schorn kommen seit Jahren regelmäßig mit Piroska Matrei und ihrer Tochter Kinga aus Ungarns Partnergemeinde zusammen. (Foto: Jochen Günther/oh)

Tutzing und Balatonkenese feiern das 25-jährige Bestehen ihrer Partnerschaft. Die guten Beziehungen beruhen wie bei Familie Schorn auf intensiven persönlichen Kontakten.

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Der Pálinka-Schnaps spielt in der Beziehung zwischen Tutzingern und ihren Freunden aus dem ungarischen Balatonkenese eine durchaus beachtliche Rolle. "Unsere 14-jährige Tochter Irene wurde beim ersten Besuch von der Oma mit einem Schnaps begrüßt", erinnert sich Annegret Schorn lachend, wie 1992 der erste Kontakt mit Familie Matrei ablief. Die Tochter war so begeistert vom Plattensee mit seinen springenden Fischen und der überaus herzlichen Gastfreundschaft, dass auch die Eltern Annegret und Günter Schorn bald persönliche Bande mit Lehrerin Piroska Matrei und den Töchtern Katalin und Kinga knüpften. Man besuchte sich gegenseitig häufig über die offiziellen Treffen der Partnergemeinden hinaus, Annegret Schorn lernte ein bisschen Ungarisch, engagierte sich im Freundeskreis. Katalin erweiterte in Tutzing ihr Deutsch, das ihr in der Tourismusregion am Plattensee bei ihrem Job im Hotel half.

Diesen Donnerstag werden Schorns ihre ungarischen Freunde wieder in die Arme schließen. Denn am Wochenende wird das 25-jährige Bestehen der Partnerschaft nachgefeiert. Wegen der Fischerhochzeit 2017 war der Festakt verschoben worden.

Tutzings langjähriger Zweiter Bürgermeister Hubert Hupfauf (CSU) strebte nach der Wende - neben der Partnerschaft mit dem französischen Bagnéres - eine Partnergemeinde im Osten an. An einem See sollte sie liegen. Wie Tutzing. Dass Balatonkenese am Nordostufer des Plattensees einen deutschen Soldatenfriedhof sorgsam pflegt, hatte dann den Ausschlag gegeben. Seitdem haben regelmäßig Delegationen mit Gemeinderäten, Feuerwehrleuten, Musikern oder Tutzinger Gildemitgliedern die über 500 Kilometer weite Reise gemacht. Zum Jubiläum am Wochenende werden 50 ungarische Gäste erwartet, darunter Bürgermeister Istvan Tömör. Auf dem Programm steht neben Ausflügen nach München und zum Gestüt Schwaiganger auch die Teilnahme an der Tutzinger Kulturnacht (siehe rechts). Höhepunkte sind der Festakt am Samstag im Buttlerhof und am Sonntag die feierliche Einweihung vom "Balatonkeneseweg" im Kustermannpark - Jubiläumsgeschenk für die Ungarn.

Die werden wieder Schnaps im Gepäck haben, zumeist selbst gebrannt in der eigenen Garage, ganz legal. Im Vordergrund der Gespräche steht das Interesse am ganz normalen Alltag des anderen. Wie es der Oma geht, wie die Ernte im Garten war - "die Gemeinsamkeiten, auch die kulturellen Unterschiede", so Schorn.

Bei aller Herzlichkeit - wie gehen Schorns mit politischen Themen um? Sprechen sie über Orbán, den zunehmenden Nationalismus, die rigide Abschottung? Ja, schon, sagt Günter Schorn. "Vor zehn Jahren fanden unsere Leute dort die Thesen von Fidesz gar nicht so schlecht", erinnert er sich. Das habe sich aber geändert. Mehr will er gar nicht veröffentlicht wissen. Auch in Balatonkenese müssten Menschen Repressionen befürchten, wenn sie sich kritisch über die Regierung äußerten. Bürgermeisterin Marlene Greinwald sieht derzeit "das Kontakthalten" im Vordergrund, "und nicht moralisch mit dem Zeigefinger rumzuwedeln". Auf dem Greinwald-Hof wird sie selbst vier Gäste beherbergen. Stefanie von Winning, Vorsitzende des französisch-ungarischen Freundeskreises Bagnéres-Balatonkenese in Tutzing, freut sich, dass fast alle Gäste privat untergebracht seien. Der persönliche Kontakt, die langjährigen Freundschaften - "ganz gleich wie sich die große Politik entwickelt" - seien der Grundstein für Frieden in Europa.

© SZ vom 16.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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