Berg:Zwei Geigen, ein Triumph

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Gespräch zwischen Sanguiniker und Melancholiker: das Duo Viennese mit dem Cembalisten Ralf Waldner (Mitte) im Marstall. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Pawel Zalejski und seine Ehefrau führen in Berg vor, wie mitreißend Musik in rarer Besetzung sein kann

Von Reinhard Palmer, Berg

Etwas verwunderlich war es schon, was da als Rahmenprogramm zur Ausstellung von Lea Jade im Marstall Berg geboten war. Großartige Musiker spielten vor einem überraschend kleinen Publikum, in dem sich viele künstlerische Leiter diverser Veranstaltungen fanden. Der mutmaßliche Zweck der Sache: ein Ensemble vorzustellen, das noch ein Schattendasein fristet. Obgleich es sich dabei um den polnischen Geiger Paweł Zalejski und seine Ehefrau Monika Hager-Zalejski handelt.

Zalejski gewann mit dem 2006 gegründeten Apollon Musagète Quartett 2008 den Internationalen ARD-Musikwettbewerb und ist seither weltweit unterwegs. Seine Duopartnerin, die ebenfalls Geige spielt, gehört nach einem fulminanten Start mit Preisen und Stipendien seit 2010 der Staatsphilharmonie Nürnberg an. Und auch im Duo, zu dem sich 2005 die damaligen Wiener Studenten zusammentaten, errangen sie bereits mehrere Preise. Dass die Veranstalter dem Duo Viennese trotzdem noch recht zurückhaltend gegenüber stehen, kann wohl nur an der speziellen Besetzung liegen: Zwei Violinen erlauben nur in wenigen Fällen Standardliteratur, die Konzerte schon brauchen, um die Reihen zu füllen - so zumindest die gängige Ansicht.

In den Marstall kam das Duo Viennese mit Begleitung. Da es hier um "Die Bach-Familie", so der Titel des Programms, handelte, kam das Cembalo hinzu, wofür eine Koryphäe in Sachen historische Aufführungspraxis gewonnen werden konnte: Ralf Waldner, Professor für historische Tasteninstrumente an der Musikhochschule Würzburg. Und was das Cembalo betrifft, waren gewiss auch Vorbehalte auszuräumen. Der Solist Waldner indes stellte kraftvolle Musik voller Spannung vor. "L'Ernestine" aus "Pièces de caractéres" von Carl Philipp Emanuel Bach gefiel durch beschwingte Heiterkeit und Pointen. Und Witz hatte die Trio Sonata in c-Moll des Komponisten, der mit dem Untertitel und einem Begleittext darauf hinwies, welche Szene sich hinter den drei Sätzen verbirgt: "Gespräch zwischen einem Sanguineus und Melancholicus". Zalejski übernahm den virtuosen Sanguiniker, während Hager-Zalejski in zäher Melancholie versank. Ein pantomimisch unterstützter Kontrast, mit dem die zwei Geiger musikalisch viel anzufangen wussten und in Waldner dafür einen aufmerksamen Begleiter an ihrer Seite wussten. Die Möglichkeiten des Cembalos sind eingeschränkt, doch ist mit der melismenreichen Ausgestaltung viel an Ausdruck zu gewinnen. Mit dem "Lamento" aus der G-Dur-Sonate von Wilhelm Friedemann Bach, der traurigen Gestalt in der Bachfamilie, wie Waldner erläuterte, machte er die Möglichkeiten deutlich.

Auch ohne Cembalo demonstrierten die Geiger, dass in dieser Besetzung genauso packende Musik möglich ist. Das dreisätzige Duett No. 2 aus den Sechs Duetten für zwei Violinen von Johann Christian Bach, dem italienischsten der Familie, fesselte mit spannenden Dialogen der Instrumente. Der beherzte Andante-Kopfsatz verriet italienische Heiterkeit, genauso der brillante Schlusssatz mit Zäsuren, während das Allegro in der Mitte für Festlichkeit sorgte. Aber klar: der Übervater Johann Sebastian Bach setzte dem Programm letztlich die Krone auf. Zalejski, der auch die fundierte Moderation übernahm, eröffnete das Programm mit dem Adagio der Sonate g-Moll BWV 1001 mit enormer Ausdruckskraft. Die Oberstimme erreichte so imaginative Weite, geradezu monumental angereichert mit der harmonischen Unterlage.

Bei der Besetzung bestand im Barock einige Freiheit in der Wahl der Instrumente. In der Triosonate G-Dur BWV 1038 des großen Bach war die Flöte als Oberstimme vorgesehen, entsprach der Lage also durchaus einer Violine. Die Finesse des Komponisten äußerte sich vor allem in der Dramaturgie der vier Sätze, die das Trio intensiv ausarbeitete. Bachvater vermochte jedem noch so kleinen Motiv eine kompakte, vollkommene Form zu geben. Im Grunde klang es bei Johann Gottlieb Goldberg, dem man inzwischen die C-Dur-Sonate BWV 1037 zuschreibt, ähnlich, doch ohne die innere Kraft seines Lehrers. In der Zugabe musste es dann Bachs Air sein.

© SZ vom 03.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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