Berg:"Wir schaffen das, aber nicht alleine"

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Veranstalter Christian Kalinke (Mitte) ermuntert Hans-Christian Maaß (li.) und Brian Rampp, von außen einen Blick auf Deutschland zu werfen. (Foto: Treybal)

Brian Rampp von Audi und Hans-Christian Maaß diskutieren bei den "Bergspektiven" über die Flüchtlingspolitik

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Berg

Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg, nach der Öffnung der innerdeutschen Grenzen, Flüchtlinge heute: Deutschland hat schon in der Vergangenheit Menschen aufgenommen; wird es das Land auch heute schaffen? Diese Frage war Thema der 90. "Bergspektiven" in Berg. Das Fazit der lebhaften Diskussion war: "Wir schaffen das, aber nicht alleine."

Als Local Hero war der Kindheitsfreund und Fußballkumpel des Initiators Christian Kalinke, Brian Rampp, eingeladen. Der Leiter für Politik und Verbände bei der Audi AG ist in Berg aufgewachsen und hat familiäre Wurzeln in den USA, der BRD und der ehemaligen DDR. "Den Deutschen fällt es leicht zu integrieren, das fällt anderen Ländern schon schwerer. Deutschland ist für mich das Amerika Europas", sagte der Manager, der nach dem Abitur am Starnberger Gymnasium Ökonomie an der University of Maryland studiert hat. Eine Besucherin, die sich ehrenamtlich in einem Helferkreis engagiert, bemängelte indes, die Deutschen hätten bei aller Willkommenskultur vergessen, dass sie "auch selbst etwas sind". Dem stimmte Rampp zu. Ebenso wie in Amerika sollte es seiner Meinung nach auch in Deutschland Ziel sein, dass Zuwanderer nach den Regeln des Landes leben, in das sie gekommen sind. Unbedingte Voraussetzung müsse auch sein, Deutsch zu lernen, sonst seien Parallelgesellschaften die Folge, betonte Rampp. Wie er auf eine Frage aus dem Publikum sagte, sehen Unternehmen wie die Audi AG die Flüchtlingssituation als Potenzial, um qualifizierte Arbeitskräfte zu bekommen. "Wir leben von offenen Grenzen und leben davon, dass wir uns weltoffen zeigen."

Der ehemalige Pressesprecher des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und heutige Interessensvertreter deutscher DAX-Unternehmen in Berlin, Hans-Christian Maaß, verteidigte die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel. Auch sein Vater war - wie der von Merkel - evangelischer Pastor in der DDR. 1972 versuchte Maaß zu fliehen, wurde aber erwischt und kam ins Gefängnis, nachdem er an die "Horch und Kuck", wie die Stasi in der DDR genannt wurde, übergeben worden war. Seine Stasi-Akte umfasse 430 Seiten. 1974 wurde er aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen und machte im Westen als Politiker Karriere. Wie er betonte, würden Ossis wegen ihrer Erfahrung mit Unfreiheit nie Grenzen schließen. Freiheit heiße nicht nur westlicher Standard und EU-Subventionen. Freiheit heiße auch Verantwortung. Maaß lobte Merkel für ihre Disziplin, Detailkenntnis und Bescheidenheit. "Von Merkel können Sie jeden Gebrauchtwagen ungesehen kaufen." Laut Maaß hatte Merkel keine Alternative. Sie werde aber alleine gelassen. Und ihre Politik des Friedens brauche Geduld. Um die Flüchtlingskrise zu lösen, dürfe man "nicht auf Sicht fahren". Man sollte Perspektiven entwickeln, wie Deutschland im Jahr 2030 aussehen soll. Maaß plädierte für eine aktive Bürgergesellschaft, die sich ehrenamtlich engagiert. Er erntete damit Widerspruch. "Wenn sich die Kanzlerin hinstellt und sagt wir schaffen das, die Leute aber am Ende ihrer Kräfte sind, da kann die Antwort nicht das Ehrenamt sein", so ein Besucher.

© SZ vom 16.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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