Berg:Renke und Datschi

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Der Fischer Andreas Gastl-Pischetsrieder hat auf dem Familienanwesen in Leoni ein Café mit Biergarten angebaut und sich und seiner Familie so ein zweites Standbein geschaffen

Von Benjamin Engel, Berg

Der alte Stall und die Tenne sind verschwunden. Beide sind einem Neubau gewichen. Lediglich die früheren Bodenbretter der Tenne sind geblieben. Die Balken geben der Decke in den neuen Café-Räumen im Erdgeschoss Halt und Struktur. Darunter sitzt Fischwirtschaftsmeister Andreas Gastl-Pischetsrieder an einem Dienstagabend im August auf einem dazu passenden Stuhl aus Eichenholz. Seine kleine, zehn Monate alte Tochter Hannah sitzt auf seinem Schoß. Die Tische, Einbaubänke, Stühle oder auch die Theke sind ebenfalls aus Eichenholz, mal geölt, gebürstet oder weiß lasiert. Abschied und Neubeginn sind stets gegenwärtig. Hier die alte Milchwirtschaft und dort das neue Café, in dem der 34-Jährige und seine Familie Kaffee und Kuchen verkaufen und die frischen Fänge aus dem Starnberger See zu kleinen Brotzeiten verarbeiten.

Bis vor fünf Jahren hatte die Fischerfamilie aus Leoni noch etwa 16 bis 18 Kühe, erinnert sich Gastl-Pischetsrieder. Sie waren die letzten Milchbauern in der kleinen Ortschaft am Ostufer des Starnberger Sees. Nur so wenige Kühe zu haben, sei zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel, sagt Gastl-Pischetsrieder. Hinzu kam die Plackerei und Schufterei im veralteten Stall, den die Familie nur von Hand ausmisten konnte. Vor fünf Jahren verkaufte Vater Peter Gastl-Pischetsrieder schließlich die letzten Kühe. Wenig später starb er jedoch. Es sei gut gewesen, dass sein Vater die Kühe noch ganz bewusst weggegeben habe, sagt Andreas Gastl-Pischetsrieder. Der Schritt sei ihm sicherlich schwer gefallen.

Schon damals waren die Planungen für einen Gastronomiebetrieb konkret geworden. Die Idee sei aufgekommen, weil die Kunden beim Fischverkauf ständig gesagt hätten, dass doch ein paar Sitzgelegenheiten schön wären, sagt der junge Mann. Und nur von den Fängen aus dem See könne eben keiner der 34 Berufsfischerkollegen in der Fischereigenossenschaft Würmsee, der er vorsteht, leben. Jeder brauche ein zweites Standbein. Und bei ihnen sei das eben der Tourismus.

Viermal pro Woche fährt Gastl-Pischetsrieder zum Fischen auf den See hinaus. Er fängt hauptsächlich Renken, Karpfen, Brachsen und andere Weißfischarten. Hinzu kommen Hechte, Barsche oder Aale. Sie bilden die Grundlage für die Brotzeiten im neuen Café, das die Familie einschließlich Hofladen an das rund 170 Jahre alte Bauernhaus angebaut hat. Dazu zählt etwa der Fischwrap mit geräucherten Karpfen, Brachsen sowie viel frischem Salat und Tomaten. Manchmal verarbeitet der junge Fischer auch einen Nervling oder eine Schleie für den Wrap, je nachdem wie der Fang ausfällt. Oder Gastl-Pischetsrieder serviert Semmeln mit geräuchertem oder sauer eingelegtem Fisch sowie Fischpflanzerl. Der hausgemachte Preiselbeersahnemeerretich verleiht vielen Gerichten eine ganz individuelle Geschmacksnote. Zusätzlich gibt es noch etwa eine Quiche mit wechselnden Zutaten etwa mit Gemüse und Speck.

Zum Nachtisch oder zur Kaffeepause serviert die Familie im Café Süßes. Die angestellte Hauswirtschaftsmeisterin Evi Fiechtner backt hausgemachte Kuchen. Je nach Saison wechselt das Angebot. Derzeit gibt es unter anderem Zwetschgendatschi frisch vom Blech.

Im Hofladen gleich nebenan verkauft die Familie ebenfalls ihren Fisch. Hier ist hauptsächlich Mutter Elisabeth tätig. Früher hätten sie die Fische einfach im Ganzen verkaufen können, doch heute verlangten die Kunden mehr, sagt Gastl-Pischetsrieder. Er müsse den Fisch erst verarbeiten, beispielsweise filetieren oder entgräten.

Geöffnet hat der Fischer das Café von Mittwoch bis Sonntag jeweils zwischen 11 und 18 Uhr sowie den Hofladen von Mittwoch bis Samstag von 8.30 bis 18 Uhr und am Sonntag zwischen 11 und 18 Uhr. Länger will Gastl-Pischetsrieder die Geschäfte nicht öffnen. Denn die Arbeit solle noch halbwegs familienfreundlich ausfallen. Schließlich stehe er meist zum Fischen bereits um 6 Uhr früh auf, im Sommer meist noch früher, etwa gegen 5 Uhr. Auch seine Frau Barbara, die neben der zehn Monate alten Hannah noch eine zweite, dreijährige Tocher hat, hilft ebenfalls mit. Sie hat sich fortbilden lassen und besitzt nun den Bayerischen Wirte- und Unternehmerbrief.

Wie es mit dem neuen Geschäft weitergehen soll, muss Gastl-Pischetsrieder erst noch herausfinden. Sie müssten einfach ausprobieren, was funktioniere und was nicht, sagt er. So soll es im Hofladen später auch einmal mehr als hauptsächlich Fischprodukte zu kaufen geben. Schon jetzt hat die Familie Produkte der Naturkäserei Tegernsee oder Kartoffeln vom Sieberhof im Angebot.

70 Sitzplätze bieten den Gästen in den Innenräumen Platz. 30 davon im sogenannten Fischerstüberl, das sich auch für kleine Familien- und Betriebsfeiern eignet. 70 weitere Sitzplätze hat die Terrasse im Freien. Touristisch betätigt hat sich die Familie bereits früher. Seit 1840 ist sie in Leoni ansässig. Zur Landwirtschaft kamen ein Bootsverleih und Fremdenzimmer hinzu. Gastl-Pischetsrieder hat erst unlängst einen Prospekt von 1935 gefunden. Darin pries seine Familie Fremdenzimmer mit fließend Wasser an. "Das war damals eine große Errungenschaft", sagt er.

© SZ vom 21.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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