Berg:Hübsch provokant

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Die Künstlergruppe "Superfluid Violett Ultra" will einen Feldzug gegen die Abstraktion führen und macht mit einem teilweise entgleisten Manifest auf sich aufmerksam. Dabei hätten ihre im Berger Marstall gezeigten Werke den ganzen Wirbel gar nicht nötig

Von Patrizia Steipe, Berg

Sie laden ein zum "Feldzug der Kunst" und wollen damit ein Statement gegen den von der abstrakten Kunst geprägten Mainstream setzen. Sie, das ist die 2016 gegründete Künstlergruppe "Superfluid Violett Ultra" bestehend aus den vier Künstlern Martin Franke, Martin Hennig, Klaus Stein und Tilmann Krumrey. Etwa 20 großformatige Bilder sowie zehn Skulpturen stellen sie derzeit im Berger Marstall aus. Skulpturen von Leonhard Schlögel runden die Werkschau ab.

Aufs Fachsimpeln mit den Künstlern vor ihren Werken mussten die Besucher bei der Vernissage verzichten. Maler und Bildhauer blieben wegen der Corona-Regeln vor der Tür, hatten dort aber wärmende Feuerschalen aufgestellt. Zum Auftakt gab es eine von Margit Hefft-Michel initiierte Performance des Kunstvereins "Roseninsel": Zu Musik und Trommelschlägen tanzten schwarz gekleidete Menschen mit überdimensionalen archaischen Masken durch den verschneiten Garten.

Tilmann Kumreys Skulptur "Man-Wo-Man" vor einem sternförmigen Bild von Karl Albert. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Seine Superfluid-Mitstreiter hatte Initiator Hennig über die sozialen Medien gefunden. "Die Chemie hat von Anfang an gepasst", erinnert er sich. Die Künstlergruppe hat sogar ein eigenes Manifest erstellt, mit dem hochgesteckten Ziel, eine Kunstwende einzuleiten. Monatelang hätten sie daran gefeilt, die Emails seien zur Abstimmung hin und her gegangen. Herausgekommen ist eine Polemik gegen die dominierende abstrakte Mainstreamkunst. Darin heißt es beispielsweise: "Die Künstlergruppe Superfluid Violett Ultra hat sich dem Schutz der Kunst vor Trivialität und der Rebellion gegen die immer wieder versuchte Unterdrückung der Kunst durch das 'Kulturzuchtprogramm' verschrieben". Ein wenig gehässig sei der Begriff "Kulturzucht" schon, gab Hennig zu. Doch seine Erfahrung sei eben, dass Künstler, die nicht der gängigen Mode entsprechen, unterdrückt würden.

Im irritierend martialischen Stil wird die "totale Befehlsverweigerung im Bezug auf die propagandistischen Moden der Zeit" postuliert. Weit übers Ziel hinausgeschossen sind die Künstler allerdings in ihrem Postulat, dass "die heutige Vereinnahmung der Kunst vergleichbar mit der Deklaration der 'entarteten Kunst'" sei. Eine solche verharmlosende Geschichtsrelativierung, um seine eigene Rolle auf Kosten der von den NS-Schergen verfolgten und ermordeten Künstler zu erhöhen, verhöhnt die Opfer. Was die ausgestellten Kunstwerke betrifft, so bräuchten sie gar keine Schocker-Provokationen, um auf sich aufmerksam zu machen. Es sind starke Bilder und harmonische Skulpturen: spirituell, sehr bunt, ziemlich psychodelisch, poppig und detailreich.

Das Foto zeigt Martin Hennig, Leonhard Schlögel, Martin Franke und Tilmann Krumrey (v.li.) von der Künstlergruppe "Superfluid Violett Ultra". (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Hennigs Bilder wirken dank eines speziellen Malmittels dreidimensional. Wenn man die fantastischen und tiefgründigen Werke mit der 3D-Brille betrachtet, dann scheinen einzelne Elemente direkt aus der Leinwand in den Raum zu fließen. Martin Franke bleibt im Zweidimensionalen. Im Mittelpunkt der opulenten Bildsprache steht meist ein figuratives Element, die Szenerie wirkt surrealistisch verzerrt, scheint aus einer anderen Welt zu stammen, dabei ist die Grundstimmung fröhlich-optimistisch.

"Ich bin ein moderner Grieche", beschreibt sich Bildhauer Tilmann Krumrey. Seine Bronzeskulpturen erinnern an Figuren aus der Antikensammlung. Allerdings interpretiert sie Krumrey modern und ersetzt die unbeweglichen Mienen der alten Griechen mit ausgeprägt emotionalen Gesichtszügen. "Brüder" heißt die 3,20 Meter hohe Skulptur im Garten des Marstalls. Wie siamesische Zwillinge sind zwei Brüder in der Körpermitte zusammengewachsen. Das soll die Einheit und Untrennbarkeit der Menschheit symbolisieren.

Martin Hennigs Gemälde "Serafim". (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die beeindruckende Höhe der Figur wurde mit Absicht gewählt, nur so kann der Betrachter, wenn er dicht daneben steht und nach oben blickt, sich dem "Täter" nahe fühlen. Dieser hat ein wutverzerrtes Gesicht, zielt mit einem Steinbrocken auf das "Opfer", dessen angstvolle Miene erblickt man, wenn man nach unten schaut. "Was ich anderen antue, das tu ich mir selbst an", erklärt Krumrey die Botschaft.

Im farblichen Kontrast zu den dunklen Bronzen stehen die langgezogenen weißen Skulpturen aus Laaser Marmor von Leonhard Schlögel. Der Bildhauer schätzt das Material aus den Alpen. Ihm hafte eine gewisse Strenge an, "fast wie Eis", so Schlögel. Außerdem klinge der Stein beim Bearbeiten. "Skulpturen wie Töne" nennt es Schlögel. Das sei eine zusätzliche spirituelle Komponente in der Schaffensphase.

In Memoriam an Gründungsmitglied Karl Albert, der 2021 gestorben ist, hängt im Zentrum des Ausstellungsraum ein neunteiliges riesiges gold-blaues Bild von ihm, das über und über mit Swarovski-Kristallen besetzt ist. Die sternförmigen geschwungenen Linien bilden mit den runenhaften spiralförmig angeordneten Schriftzeichen eine funkelnde Symbiose.

Bis Sonntag, 30. Januar, im Berger Marstall, Mühlgasse 7. Die Öffnungszeiten: freitags bis sonntags von 14 bis 20 Uhr und nach Vereinbarung.

© SZ vom 27.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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