Berg:Dalmatiner und Diplomaten

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Christian Kalinke gibt auf der Bühne des Gasthofs "Die Post" in Aufkirchen seinen Einstand als Fastenprediger - ohne Publikum. (Foto: SZ (Screenshot))

Christian Kalinke, Chef der "Berg-Spektiven", hält eine Fastenpredigt, weil ihm danach ist

Von Sabine Bader, Berg

Die meisten kennen das: Man nimmt sich etwas immer und immer wieder vor und verschiebt es dann doch, bis am Ende klar ist: Gemacht wird es nie.

Genau das will Christian Kalinke für sich ändern. Der ehemalige Manager und Initiator der "Berg-Spektiven", die wegen Corona in der Zwangspause sind, ist mit einer langen To-do-Liste in den Ruhestand gestartet. Darauf stand auch "Fastenprediger". Am vergangen Samstag hielt er sie dann, seine erste Fastenpredigt - ohne Publikum im Saal des Gasthofs "Die Post" in Aufkirchen nur flankiert von zwei Freunden. Kalinke ist schwer gestylt. Es ist das Werk seines Freundes, des Starnberger Friseurs Benno Hagenbucher. Die Mönchskutte hat er von einem Kostümverleih in Wessobrunn.

"Ich bin ein Jäger und Sammler", sagt der 63-Jährige über sich zur SZ. "Ich beobachte die Leute und schreibe alles, was mir auffällt, in mein gefürchtetes Notizbuch." Ja, Kalinke schnappt einiges auf, wenn er so durch die Gemeinde pilgert, sich über hohe Hecken reckt und in die Vorgärten der Häuslebauer schaut. Wie sie mit lärmenden und chemischen Kampfmitteln dem Unkraut zu Leibe rücken und letztlich zur Erkenntnis gelangen, dass der pflanzlose Schottergarten durchaus seine Vorzüge hat. "Ich gehe gern in Biergärten", sagt er. "Natürlich nur, wenn man darf". Mit diesem Satz wäre dann auch das Thema Corona für ihn erledigt. Seine 15-minütige Fastenpredigt auf Youtube im Internet ist nämlich völlig "coronafrei". In den Biergärten, Cafés und auf den Spazierwegen der Gemeinde findet er genug Stoff für sein Notizbuch.

Da wären zum Beispiel die Hundebesitzer. Sie knöpft Kalinke sich nur allzu gerne vor. Diese Herrchen und Frauchen mit ihrer wachsenden Anzahl an Dackeln, Doggen und Dalmatinern, die auf verängstigte Passanten treffen. Der folgende Dialog gehört zu den Stärken seiner Predigt. Man stelle sich die Szene vor: Da kommt dem Spaziergänger ein Hund entgegengerast. Dessen Besitzer ruft von weitem: "Der tut nix." Sekunden später warnt das Herrchen aber doch: "Vorsicht, der Hund ist schmutzig." Wenn das Tier dann zum Sprung ansetzt, schreit der Besitzer noch: "Keine Sorge, der will nur spielen." Bekannte Sätze. Als Drittes sind dann noch die Öko-Salon-Damen an der Reihe, die mit ihrem SUV-Hybrid vors Café brausen und nicht wissen, wie man den E-Antrieb anmacht.

Natürlich gehört zu einer ordentlichen Fastenpredigt auch das Politikerderblecken. Da ist der neue gewählte "Rupert II." (Rupert Steigenberger), der "nicht alle Fehler selbst machen will" und lieber auf Bürgerbeteiligung setzt, damit die auch eine Chance zum Fehlermachen haben. Da ist sein Vorgänger "Rupert I." (Rupert Monn), der eher die "Hinterzimmerdiplomatie" schätzte. Da gibt es Robert Schmid von der CSU, der bei der Wahl gemerkt hat, dass er "kein Markus Söder ist". Dann wäre da noch die QUH, "da wissen die Berger immer noch nicht, was das eigentlich ist", die "gerupfte Einigkeit" und eine ebenso dezimierte SPD, die erstarkten Grünen und die "Adabeis " von der Bürgergemeinschaft und der FDP.

Kalinke arbeitete alle Fraktionen ab. "Ich hab' mich mit ihnen etwas schwerer getan", gesteht er, denn im Gemeinderat sei es immer "so harmonisch, wie in der Schwarzwaldklinik". Ja, er hat halt weit mehr Freude an den Hundebesitzern und Vorgartenkosmetikern. Das macht nichts: Kalinke ist eben Kalinke und nicht der Fastenprediger vom Nockherberg. Ob es 2022 wieder eine Predigt von ihm gibt? "Alles kann, nix muss", sagt er. Klar, seine To-do-Liste ist noch lang.

© SZ vom 31.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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