Auszeichnung:Marathonläuferin der Politik

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Die einstige Ratgeberin umarmt: Pöckings Bürgermeister Rainer Schnitzler bedankt sich bei der Ehrenbürgerin Ameli Erhard. (Foto: Georgine Treybal)

Pöcking ernennt die Sozialdemokratin Ameli Erhard, die mehr als vier Jahrzehnte lang dem Gemeinde- und Kreisrat angehörte, zur Ehrenbürgerin. 70 Gäste im Beccult bereiten ihr stehende Ovationen

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

42 Jahre war Ameli Erhard Gemeinderätin von Pöcking und fast ebenso lange Kreisrätin. In dieser Zeit war sie 36 Jahre stellvertretende Bürgermeisterin, hatte abwechselnd fast alle Referentenposten inne und die Gemeinde als Mitglied in Verbänden vertreten. Für ihr außergewöhnliches Engagement ist sie am Mittwoch zur Ehrenbürgerin von Pöcking ernannt worden. "Du hast die Ehrenbürgerschaft wirklich verdient", sagte Bürgermeister Rainer Schnitzler, als er ihr die Urkunde im Kulturhaus Beccult überreichte - unter den stehenden Ovationen der etwa 70 Gäste, darunter Landrat Stefan Frey und zahlreiche Kommunalpolitiker sowie Verwandte, Freunde, ausgezeichnete Pöckinger Bürger und Vertreter von Vereinen, in denen sich Erhard engagiert hatte. Die musikalischen Einlagen bei der Feier übernahmen die Geigerin Esther Schöpf und Norbert Groh am Klavier.

Bereits vor einem Jahr hatte der Gemeinderat den Beschluss gefasst, die SPD-Politikerin, deren Familie seit Generationen in Pöcking verwurzelt ist, zur Ehrenbürgerin zu ernennen. Wegen Corona fand die Feier aber erst jetzt statt. Dass sich unter den Gästen auch politische Gegner befanden, ist bezeichnend für Ameli Erhard. Denn nie hat die Pöckingerin Parteipolitik betrieben, ihr ging es stets um Sachfragen. Auch wenn sie nicht verstanden, nicht ernst genommen und zuweilen "massiv angefeindet" worden sei, wie sie sagte. Als Beispiel nannte sie ihr Engagement für ein gemeinsames Geothermie- und Windkraftprojekt mit den Nachbargemeinden sowie für den Bau eines Bürgersaals in Pöcking. Während ihrer politischen Laufbahn habe sie gelernt, sich mit gegensätzlichen Meinungen auseinanderzusetzen und für ihre Überzeugungen zu kämpfen. "Ich habe gelernt, abzuwägen und Mut zu zeigen zum eigenen Handeln."

Eines ihrer größten Projekte war der Ausbau der Wanderwege im Gemeindegebiet und die Umbenennung der östlichen Beccostraße in Sternweg. Der Straßenname soll an die jüdische Familie Stern erinnern, die dort ihre Sommerresidenz hatte und in der NS-Zeit verschwunden ist. Die Aufarbeitung der NS-Zeit war stets ein großes Anliegen der neuen Ehrenbürgerin, die auch das Buchprojekt "Pöcking in der NS-Zeit" mit angestoßen hatte.

Die studierte Diplom-Kauffrau, die zunächst mit ihrer Schwester das elterliche Bauunternehmen leitete und sich später mit einer Hausverwaltung selbständig machte, zog sich nach schweren Krankheiten von vielen Ehrenämtern im sozialen Bereich, in Kunst und Kultur zurück. Erhard, die seit 1978 politisch aktiv war, trat zu den Kommunalwahlen 2020 nicht mehr an. Das bedauerten sogar politische Gegner.

Erhard habe nie gewartet, bis etwas passiert, sagte Schnitzler. Sie habe stets das Positive gesehen und gehandelt, meinte der Rathauschef und zitierte den verstorbenen Pöckinger Ehrenbürger und Europapolitiker Otto von Habsburg: "Wer in der Politik Dankbarkeit erwartet, ist ein unverbesserlicher Optimist." Erhards größtes Plus sei ihr Optimismus. Zudem habe sie ihre Erfahrung und ihr Wissen stets weitergegeben, auch an ihn, als er vor 18 Jahren politisch unerfahren zum Bürgermeister gewählt wurde, so Schnitzler.

"Wie kann man das eigentlich schaffen?", fragte ihr Laudator und ehemaliger SPD-Weggefährte im Gemeinderat, Clemens Heucke, mit Blick auf ihr vielseitiges Engagement und ihre Ehrenämter. "Ameli ist stolz auf Pöcking, und Pöcking kann stolz auf seine Ameli sein."

© SZ vom 08.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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