Auststellung:In den Lüften

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Christina von Bitter zeigt in Schloss Fußberg eine Ausstellung, deren Titel irreal anmutet: Denn sie heißt "Himmelserscheinungen" und wird in geschlossen Räumen gezeigt. Und ihre Objekte sind krumm und schief

Von Katja Sebald, Gauting

Himmelserscheinungen in geschlossenen Räumen? Die Remise von Schloss Fußberg hat ihr schönes Dach zum Glück noch - dennoch gestattet sie derzeit einen Blick mitten in den Himmel: "Himmelserscheinungen" heißt die Ausstellung von Christina von Bitter, die dort noch bis zum 23. Oktober zu sehen ist.

Die Bildhauerin Christina von Bitter fertigt ihre Plastiken ähnlich wie Flugzeugmodelle: Drahtgerüste werden mit Papier bespannt. Kein Wunder also, dass sie sich gerne in die Lüfte erheben wollen. Aber sie haben ganz und gar nichts Windschnittiges oder überhaupt nur Technisches. Im Gegenteil, sie wirken unbeholfen, krumm und schief, fast so, als hätte ein Kind sie mit krakeligem Strich in den Raum gemalt. Nüchterne Zeitgenossen mögen sie vielleicht als sinnlos oder gar fluguntauglich bezeichnen. Und doch sind sie verwirrend heiter, anrührend filigran, tröstlich und erzählerisch, und das ganz ohne Worte.

Jede dieser weiß bestrichenen Plastiken, die sich nicht auf eine Funktion festlegen wollen, ist ein Objekt gewordener Traum vom Fliegen: Manche von ihnen erscheinen wie der "Flieger mit Rädern" eher als Himmelsgefährte, andere gleichen eher einem Flugmantel. Sie sind ein bisschen Behausung und ein bisschen Bekleidung, meistens aber auch Fortbewegungsmittel. Bei aller Unschlüssigkeit hinsichtlich ihrer Funktion und ihrer Zugehörigkeit zur Welt der Dinge treffen sie aber in formaler Hinsicht stimmige Aussagen über den sie umgebenden Raum.

Christina von Bitter neben ihren poetischen Objektkästen zum Thema "Himmelserscheinungen". (Foto: Nila Thiel)

In der Remise mit ihrem maroden Charme haben sie jetzt einen geradezu idealen Platz gefunden, sie sind freischwebend aufgehängt oder an der unverputzten Wand geparkt. Das hellblaue Tor, so möchte man meinen, könnte sich jeden Moment öffnen - und weitere dieser merkwürdig-schönen Fluggeräte in die Freiheit entlassen. Ergänzt werden die Plastiken durch eine Reihe von Objektkästen, in denen jeweils ein Schwarzweißfoto zusammen mit einer Miniaturskulptur aus Draht und weiß bestrichenem Papier das poetische Spiel auf die Spitze treiben, indem sie einander widersprechende oder auch sich ergänzende Geschichten erzählen: von "Sommerfreuden" oder vom einer "Blauen Stunde", von einem Blick nach "da droben" oder von einem "Paradies aus dem Nichts". Mehr als einen kurzen Blick haben auch die Kreidezeichnungen verdient, die zu einer Bildgeschichte nebeneinander angeordnet präsentiert werden. Hier scheint die Künstlerin alles Gelernte und alles Gekonnte über Bord zu werfen, um mit großer innerer Freiheit im winzigen Format schlüssige Bildwelten zu schaffen. Kaum mehr als einige Strichen und farbige Flecken werden, je nach dem verwendeten Rotton, zum "Kirschanzug", zum "Tomatenhemd" oder zum "Auberginenkleid".

Christina von Bitter wurde 1965 in Erlangen geboren und wuchs in Madrid auf. Nach einer Hospitanz im Tarot-Garten von Niki de Saint Phalle studierte sie Bildhauerei, zunächst in München, dann in Barcelona und schließlich in Berlin bei Lothar Fischer, dessen Meisterschülerin sie auch war. Sie lebt in München und im Chiemgau. Ihre Arbeiten befinden sich bayernweit in öffentlichen Sammlungen und waren in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen.

Christina von Bitters Bild "Erdbeerwunder" ist in der Gautinger Remise ausgestellt. (Foto: Nila Thiel)

Die Ausstellung "Himmelserscheinungen" ist noch bis zum 23. Oktober 2016 in der Remise von Schloss Fußberg in Gauting zu sehen. Die Öffnungszeiten sind samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr und mittwochs bis freitags von 14 bis 18 Uhr.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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