Ausstellung in Weßling:Geisterbeschwörung

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Neun russische Künstler zeigen in der Ausstellung "Patchwork" im Pfarrstadel Arbeiten, die mal an Pop Art erinnern, mal an Figuren aus Märchenbüchern oder an Motive alter Meister

Von Patrizia Steipe, Weßling

"Kunst ist Kunst", findet Nikolai Taidakov. Der Gründer des Vereins Eurokunstwerkstatt, einer Vereinigung internationaler Künstlern in München, will sich nicht in eine Schublade stecken lassen. "Typisch Russland" - das möchte er bei der Ausstellung "Art Patchwork" im Weßlinger Pfarrstadl nicht hören. Von Novosibirsk über Sankt Petersburg und Riga nach Weßling steht auf der Einladungskarte. Neun russische Künstler stellen aus. Eines vorweg: Kunst ist zwar Kunst, aber ihre Wurzeln haben die Maler geprägt und spiegeln sich durchaus in den Bildern wieder.

Die unterschiedlichsten Stilrichtungen sind bei dieser Gemeinschaftsausstellung auszumachen. Taidakovs Ausbildung als Architekt und Designer schlägt sich in seinen kubistisch anmutenden Ölgemälden nieder. Im Zentrum der Leinwand hat er zackige, fast schon geometrische Gebilde konstruiert, denen die warmen Farben ihre Härte nehmen. Juris Dimiters surrealistische Werke verbinden die Motive alter Meister mit modernen Formen. Aus einer feuerroten Schublade lugt das Gemälde hervor. In einem anderen Bild hat er zwei überdimensionale verbogene Zündhölzer in die klassische Szenerie drapiert.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Soja Kamenskajas "Geister der Erinnerung",...

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

...Alexander Shimanovskys "Minotaur"...

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

...und Sofia Timofeevas "Im Café".

Alex Demy lässt ein weißes Pferd auf einer Mohnwiese stehen - die Figuren sind überzeichnet, die Farben grell - Pop-Art lässt grüßen. Und da sind beispielsweise die üppigen, farbenfrohen Garten- und Blumenszenen von Stanislav Fomenok. Palmkätzchen als Frühlingsgruß, Kornblumen oder Sommergärten voller Blumen. Daneben stehen die archaisch wirkenden Skulpturen aus Holz und Bronze von Alexander Shimanovsky, der Figuren aus der griechischen Mythologie und dem Alten Testament nachgebildet hat. Ein stolzer Minotaur thront auf einer Stele und scheint den Raum zu überblicken. Den massiven Skulpturen setzt Formenok zarte Tuschezeichnungen entgegen. "Strumpf" heißt eines seiner Bilder, auf der sich eine mit wenigen Strichen skizzierte Frauengestalt räkelt. Der Fokus liegt auf dem Bein mit dem Ringelstrumpf.

Der einzige Künstler aus Weßling ist Valerijs Sluscenkovs. Etwas Madonnenhaftes strahlt das Mädchen aus, das auf seinem Foto bei einer Wallfahrt eine kostbare Ikone vor sich herträgt. Bei Dachau hat er dieses Motiv im Rahmen einer russisch-orthodoxen Zeremonie eingefangen. Auf anderen Fotos hat er den Zauber des Weißen Meers festgehalten. Das diffuse Dämmerlicht, Wasser, Schiffe und Seevögel bilden eine zauberhafte Symbiose. "Ein Kurort für die Seele", sei diese Landschaft. Nicht weniger intensiv sind die Aufnahmen vom Weßlinger See.

Juris Dimiters Schubladen-Gemälde. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Und dann sind da die romantisch versponnen Szenerien, die an alte Märchenbücher erinnern. Soja Kamenskaja und Sofia Timofeeva, die in Russland große Ausstellungen gemacht hat, entführen die Betrachter in Traumwelten. Zarte Frauengestalten mit schmalen ernsten Gesichtern findet man bei beiden Künstlerinnen. Geister der Erinnerung hat Kamenskaja eines ihrer Bilder genannt, darauf sieht man eine weltentrückt blickende Frau, die von fliegenden Engelsgeistern umgeben ist.

Irina Orkina stammt aus einer fernöstlichen Gegend, die fast schon an Japan grenzt. Die dortigen Urvölker haben einen Einfluss auf ihre ethnografische Arbeit, aber auch die russische Volkskunst. Ihre Keramiken und Gemälde wechseln zwischen abstrakt und figurativ. Vor allem die flächigen, rechteckigen Keramiken wirken fast wie Ikonen, noch dazu, weil teilweise die Farben Rot, Schwarz und Gold dominieren. Im ersten Stock gibt es eine dicht behängte Bilderwand, mit Werken von jedem der Ausstellenden. An "Patchwork" soll die Wand erinnern. Dem Betrachter, der nicht ins Schubladendenken abdriften wollte, fällt bei diesem Anblick allerdings die typisch russische Petersburger Hängung ein. Damit werden besonders dicht mit Gemälden behängte Wände bezeichnet, so wie es in der Sankt Petersburger Eremitage üblich war. Damals wollten Kunstfreunde damit den Wert ihrer Sammlungen präsentieren, das einzelne Kunstwerk trat in den Hintergrund. Die Werke für die Weßlinger Bilderwand wurden geschickt ausgewählt. Verschiedene Größen, verschiedene Stilmittel und Techniken hängen scheinbar willkürlich nebeneinander - verbinden sich aber trotzdem zu einem stimmigen Ganzen.

Das Gruppenfoto zeigt (v. li.): Stanislav Fomenok, Soja Kamenskaja, Nikolai Taidakov, Sofia Timofeeva, Alexander Shimanovsky, Alex Demy, Michael Waldenmaier und Irina Orkina. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Ausstellung "Art Patchwork" im Weßlinger Pfarrstadl ist noch am Karfreitag, 30., Samstag, 31. März sowie am Ostersonntag, 1. April, und Ostermontag 2. April zu sehen. Die Öffnungszeiten: 12 bis 20 Uhr. Es gibt ein Rahmenprogramm.

© SZ vom 29.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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