Ausstellung in Tutzing:Buhlen um Aufmerksamkeit

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Akademie für Politische Bildung zeigt Reiner Heidorns grüne Tauchbilder

Von Katja Sebald, Tutzing

Jetzt also doch wieder nur Tutzing: Er sei auf den deutschen Kunstmarkt tatsächlich nicht mehr angewiesen, hatte der Weilheimer Maler Reiner Heidorn noch vor zwei Jahren vollmundig in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung getönt. Da hatte ihm gerade ein Galerist in Atlanta eine große Ausstellung ausgerichtet und ihm sogar noch das Geld für den Vernissagenanzug geschickt. Am Mittwochnachmittag sprach Heidorn im Rahmen des Seminars "Kunst und Politik" in der Akademie für Politische Bildung, wo derzeit neun seiner großformatigen Gemälde zu sehen sind, wieder einmal über sein Lieblingsthema: die Kunstszene in Deutschland, die ihm die Aufmerksamkeit verweigert.

"Ich mache den ganzen Tag nichts anderes als Kunst und Politik", bekannte Heidorn eingangs. Wer jedoch meint, dass er mit seinen aktuellen Bildern, die in vielen verschiedenen Grüntönen an Landschaften ohne feste Strukturen, an Unterwasserwelten, an wuchernde Pflanzen und den Lichteinfall in dunkle Waldteiche erinnern wollen, die Welt retten will, der liegt weit daneben - auch wenn der Pressetext zur Ausstellung das suggeriert. "Schwebende grüne Tauchbilder" seien sein Ziel, erläutert er im Gespräch. Ja, er habe sich auch Mikroskopaufnahmen von gentechnisch veränderten Pflanzen angesehen, ebenso Google-Earth-Bilder von der Flutkatastrophe in Mosambik. Am Anfang seiner Beschäftigung mit Wasser und Licht stand jedoch der Wunsch, sich selbst aufzulösen, zu verschwinden, "einfach nicht mehr mitzumachen".

Monochrome Farbflächen: Der Malprozess dauert nur wenige Stunden, zum Trocknen brauchen Heidorns Bilder bis zu einem halben Jahr. (Foto: Nila Thiel)

Die in Tutzing gezeigten Leinwände sind unter dem Titel "I was put on this earth - botanic & expressionism" zusammen gefasst. Schon mit Blick auf den internationalen Kunstmarkt wähle er englische Titel, erläutert der Künstler. Es handelt sich bei den aktuellen Arbeiten um nahezu monochrome Farbflächen, die sich in dunklen Tönen auflösende Landschaftseindrücke suggerieren. Die Bilder sind sozusagen ein unermüdlich wiederholter und monumental umgesetzter Malfehler: Aus dem durchaus reizvollen - und auch von bekannten Malern zuweilen eingesetzten - Effekt, der beim Ausflocken des Terpentin-Leinöl-Pigment-Gemischs entstehen kann, hat Heidorn eine eigene Maltechnik entwickelt: Er besprenkelt oder besprüht die grün grundierten, auf dem Boden ausgelegten Leinwände großflächig mit weiteren Grüntönen, die mit sehr viel Terpentin angerührt wurden. Auf dem Malgrund bilden sich dann zu Klumpen geronnene Pigmentkraterlandschaften und helle Terpentinseen mit dunklen Rändern, wird die nasse Leinwand aufgestellt, verläuft die dünnflüssige Farblösung zu vertikalen Rinnsalen.

Während der Malprozess selbst nur wenige Stunden dauert, brauchen die Bilder zum Trocknen bis zu einem halben Jahr. Als gelungen empfindet der Maler selbst ein solches Bild, wenn sich aus den tiefer und höher gelegenen Farbtropfen und den zuletzt aufgebrachten gestischen Spuren eine Art räumliche Tiefe ergibt. Seine künstlerische Arbeit bezeichnet er als "Jagd nach dem guten Bild" - wobei ein Bild für ihn schon "gut" ist, wenn es "gut gemacht" ist.

Sieht allein schon im Ausstellen von Bildern einen "bildungspolitischen Akt": Der künstlerische Autodidakt Reiner Heidorn fühlt sich von der deutschen Kunstszene weitgehend missachtet. (Foto: Privat)

Und so ist in seiner Sicht der Dinge das Ausstellen von Bildern ein bildungspolitischer Akt. Seiner Meinung nach ist die "unaufhörliche Zunahme von Amateurkünstlern und Vereinigungen" schuld daran, dass es für ihn immer weniger Ausstellungsmöglichkeiten gibt. In einem Interview sagte er vor einiger Zeit, das gängige Auswahlverfahren von Galeristen sei für ihn höchst unerquicklich. Auch Heidorn selbst ist künstlerischer Autodidakt, er habe sich jedoch, zunächst mit Bildbänden und dann im Internet, intensiv mit Kunstgeschichte und zeitgenössischen Kunstströmungen auseinander gesetzt. Die ganze "Franz-Marc-Scheiße" könne er mittlerweile nicht mehr sehen, sagte er in Tutzing.

Die Ausstellung "I was put on this earth - botanic & expressionism" ist bis zum 29. Juli montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr sowie an den Wochenenden auf Anfrage (08158-2560) in der Akademie für Politische Bildung in Tutzing (Buchensee 1) zu sehen.

© SZ vom 08.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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