Wer frühmorgens kurz nach fünf Uhr am Landratsamt vorbeikommt, wundert sich über die Betriebsamkeit. Dort stehen bei Dunkelheit und Eiseskälte die Ersten an, die zur Ausländerbehörde müssen. Asylbewerber, teils allein, teils mit ihren ehrenamtlichen Betreuern. Wer kann, wartet in Decken gehüllt im Auto. Betreuer notieren Namen in einer Warteliste. Nach der stellen sich brav alle an, wenn sich um sieben Uhr die Türen öffnen und die Mitarbeiter dann um halb acht Uhr ihre Arbeit aufnehmen. Aber selbst dann sind Betroffene nicht sicher, ob sie ihr Anliegen an diesem Tag vorbringen können.
Keine Seltenheit, dass sie nach Stunden wieder weggeschickt werden, vier, fünf Mal vergeblich kommen. Ein unhaltbarerer Zustand, klagen frustrierte und genervte Helfer in den Unterstützerkreisen im Landkreis. Zumal schon vor Monaten Abhilfe versprochen wurde. Die soll jetzt auch bald greifen, verspricht man im Landratsamt.
Sofia Braun, die lieber nicht mit ihrem richtigen Namen in der Zeitung stehen will, kümmert sich intensiv um eine junge Afghanin. Die 19-Jährige habe vergangenen Freitag ihren Gestattungsausweis verlängern lassen wollen, schildert die Helferin. Sie sei etwa um 7.30 Uhr da gewesen, habe gewartet bis kurz nach 12 Uhr, bis zugesperrt wurde. "Niemand hat ihr gesagt, dass sie eigentlich gleich wieder gehen kann, weil sie eh nicht drankommt", ärgert sich Braun. Am Montag begleitet sie ihren Schützling. Beide werden - "Keine Chance, heute dranzukommen" - um zehn Uhr wieder abgewiesen, "von einem sehr freundlichen Sachbearbeiter", wie die Helferin betont. Dienstag steht sie um vier Uhr auf, trifft sich mit der Afghanin um fünf Uhr vor der Behörde. Die schafft es zwar an diesem Tag zu einem Mitarbeiter vorzudringen. Ihre Ausweisverlängerung bekommt sie dennoch nicht. Name und ein Aktenzeichen stimmen nicht überein. "Drei Tage hat sie die Berufsschule verpasst, wo sie für ihren Quali lernt", bedauert die Helferin die verlorene Zeit. Ähnliche Fälle schildert Renate Will vom Tutzinger Unterstützerkreis. Eine syrische Familie sei vier Mal zur Ausländerbehörde gefahren wegen eines bestimmten Papiers. Ausdrücklich positiv äußert sie sich, wie gut inzwischen Sozialamt und Jobcenter die Organisation im Griff haben. In der Sozialbehörde habe jeder seinen festen Ansprechpartner, man könne telefonisch Dinge klären oder zumindest am Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlassen und werde zurückgerufen. Im Jobcenter erhalte man per E-Mail einen festen Termin. Sie fände es ja durchaus zumutbar für alle, zu der Behörde zu gehen. "Aber nicht drei Mal fünf Stunden."
Lange Wartezeiten, kein Durchkommen am Telefon - den für Bürger und Mitarbeiter gleichermaßen "unbefriedigendem Ausnahmezustand" in der Ausländerbehörde, die für rund 21 000 Ausländer im Landkreis zuständig ist, hatte der stellvertretende Landrat Georg Scheitz schon Anfang September 2016 bedauert. Inzwischen habe sich viel getan, bekräftigt der Sprecher des Landratsamts, Stefan Diebl. "Damals hatten wir elf Mitarbeiter, jetzt sind es 21, in Kürze 23, wenn's gut läuft." Allerdings sei es schwer, geeignetes Personal zu finden. "Der Markt ist definitiv leergefegt." Man habe durch Auslagerungen in den Tutzinger Hof die nötigen Arbeitsplätze geschaffen. Und innerhalb von drei Monaten Neulinge in das Aufgabengebiet eingearbeitet, "das nicht gerade das Leichteste ist". Auch an der Organisation sei geschraubt worden. Einige Aufgaben übernehme jetzt der Bürgerservice. Security-Mitarbeiter strukturierten den Ablauf. Im Bereich Aufenthaltsrecht habe man daher seit einer Woche keine Wartezeiten mehr, so Diebl. Per E-Mail oder Telefon ließen sich Termine machen. "Das läuft, wie wir wollen." Defizite räumt er nach wie vor im Bereich Asylrecht ein. Den stemmen derzeit nur vier Mitarbeiter, sieben sollten es eigentlich sein. Krankheitsfälle und ein Weggang beeinträchtigten die Situation. Man hoffe aber, bald zwei Stellen besetzen zu können.