Aufkirchen:Mehr blau als braun

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46-Jähriger pöbelt nach Friedhofsbesuch vor Schule herum und wird wegen Vollrausches zu 1500 Euro Geldstrafe verurteilt

Von armin grweune, Aufkirchen

Das Unheil an diesem Novembermorgen nahm frühmorgens auf dem Friedhof in Aufkirchen seinen Lauf. Schon um 6.30 Uhr war der 46-Jährige seiner eigenen Einschätzung nach auf den Beinen, um Gräber zu pflegen. Der Lohn der guten Tat: "I hob was g'schenkt kriagt. Und aa 'trunga." Was genau, kann der gute Mann nicht mehr sagen - nur Likör, wie vielleicht auf der Flasche stand, sei es wohl eher nicht gewesen. Was dann geschah, will Richterin Brigitte Braun wissen. Er sei an den Gräber entlang defiliert, antwortet der Angeklagte: "Auf jeden, den i kennt hob, hob i an Schluck 'trunga."

Der Berger muss einen umfangreichen Bekanntenkreis gehabt haben, von dem ein beträchtlicher Teil unter der heimatlichen Erde liegt. Jedenfalls verlieren sich für ihn die übrigen Geschehnisse dieses Tages im Novembernebel, der sich erst viele Stunden später im Krankenhaus lichtete. Von dort machte er sich schnurstracks auf den Heimweg, im Pflegehemd mit tiefem Rückendekolleté: "D' Schwesta hod scho wos g'sagt, aba Polizei hod ja no mei Gwand ghobt".

Was sich alles in der Gedächtnislücke zwischen Friedhof und Krankenhaus ereignete, ist einigen Zeugen freilich plastisch in Erinnerung geblieben. Der Hausmeister der Schule sah den 46-Jährigen erst morgens auf einer Bank mit einer Flasche Glühwein sitzen. Später berichteten Eltern, wie der Mann Flaschen zerteppert habe. Am Mittag urinierte er an einen Baum, während 50 Schüler auf dem Weg zum Bus vorbeigingen. Hausmeister und Busfahrer beschimpfte er als "Kanaken-Gratler". "Ich mach Euch fertig", habe der Torkelnde gedroht, "er hatte richtig Schaum vorm Mund", sagt der Hausmeister aus. Andere Zeugen mussten mit ansehen, wie der Angeklagte den rechten Arm hob und "Heil Hitler" brüllte. So steht es zumindest in der Anklageschrift, die auf Beleidigung und Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen lautet.

Doch die Vorwürfe erweisen sich im Verlauf der Verhandlung bald als unhaltbar. Denn nicht nur der medizinische Sachverständige hat große Zweifel an der Schuldfähigkeit des Angeklagten. Am Tatort sei dem 46-Jährigen nicht zu vermitteln gewesen, warum die Polizei eingreifen musste: "Aber er hat alle zwei Minuten 'Was ist los? War ich böse?' gefragt", berichtete der Beamte. Und der Klinikarzt ließ den Berger gleich auf die Station legen - noch bevor das Ergebnis der Blutuntersuchung vorlag. Die wies stolze 3,23 Promille Alkohol auf, was den Gutachter auf 3,6 bis 3,8 zur Tatzeit schließen lässt.

Straffrei kommt der Angeklagte dennoch nicht davon: Für solche Fälle hat der Gesetzgeber den Ersatztatbestand "Vollrausch" vorgesehen. Braun verhängt deshalb 100 Tagessätze à 15 Euro, denn der 46-Jährige ist dreimal vorbestraft, darunter auch schon wegen Beleidigung. Nach einem zaghaften Versuch, um das Strafmaß zu feilschen -"Neinzge warn ma liaba" - nimmt der von Hartz IV lebende Berger das Urteil an.

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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