Andechser Carl-Orff-Festspiele:Verführer am Werk

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Die Neuinszenierung der "Astutuli" hat am Freitag bei den letzten Andechser Orff-Festspielen Premiere

Von gerhard Summer, Andechs

Ein Schlaraffenland, wäre das nicht schön, wenn es das gäbe? Keine Arbeit, nur Vergnügen. Bei Carl Orff heißt diese wunderbare Gegend kokanisches Land, und es ist angeblich ungeheuer einfach, dorthin zu gelangen. Der brave Bürger muss nur seine Kleider ablegen und das unsichtbare kokanische Gewand anziehen, schon kann die Reise beginnen.

Genauer gesagt, beginnt sie natürlich nicht, weil es kein Kokanien gibt, aber dafür einen reisenden Gauner, der sich in diesem Fall Gaukler oder Gagler nennt: Es kommt ihm und seiner Komplizin nur darauf an, das abgelegte Hab und Gut einzusammeln und zu Geld zu machen. Und er kann den Einwohnern dieser kleinen Stadt offenbar alles weiß machen. Am Ende kommt er noch einmal verkleidet zurück und behauptet, es sei ihm ein Leichtes, Hosenknöpfe in Gold zu verwandeln. Kann es sein, dass die Leute, die sich doch für so schlau halten, ihm das abnehmen? Oh ja, sie tanzen sogar vor Freude.

Orff hat sein in bayerischer Fantasiesprache gehaltenes Satyrspiel "Astutuli" (lateinisch: ziemlich schlau) für Sprecher und Schlagwerk zwischen 1945 und 1946 nach der Bernauerin geschrieben. Wer dabei an Hans Christian Andersens "Des Kaisers neue Kleider" denkt, an die Akteure der Lehmann-Pleite und an unhaltbare Versprechungen und Verführer generell, der liegt ganz richtig. Größer als der Verstand ist stets die Gier, heißt Orffs Botschaft. Marcus Everding kommt es bei seiner Neuinszenierung der Komödie darauf an, den Kern der Parabel herauszuarbeiten. Dabei wird er wohl auch eine Bemerkung beherzigen, die sein Vater August Everding, damals noch Assistent an den Kammerspielen, am Rand seines "Astutuli"-Regiebuches notiert hatte: Orff befürchte, dass alles "zu gemütlich bayerisch wird".

"Astutuli" und das kleine Welttheater "Der Mond" sind die einzigen Stücke, die zusammen mit Kammerkonzerten auf dem reduzierten Spielplan der Carl-Orff-Festspiele stehen. Sie sind zugleich der Abgesang auf ein Festival, das heuer nach 18 Jahren sein unrühmliches Ende findet - "wegen schwerwiegender Differenzen" zwischen dem Kloster Andechs und der Carl-Orff-Stiftung, so die Begründung der Abtei. Nach der siebten "Mond"-Vorstellung Ende Juli werden die Festspiele Geschichte sein.

Premiere des Spiels "Astutuli" im Florianstadel ist am Freitag, 19. Juni, um 19 Uhr. Weitere Aufführungen sind am 20. , 21. 26., 27. und 28. Juni zu sehen. "Der Mond", erzählt auf einer Illusionsbühne, hat am 17. Juli Premiere. Danach ist die Inszenierung noch am 18., 19., 24., 25. und 26. Juli zu sehen. Karten sind unter 08152/376400 (Kloster), 089/54818181 (München Ticket) und 08151/29341 (Buchhandlung Greiner) zu haben.

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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