Andechs:Stoff für Legenden

Lesezeit: 2 min

Zauberei auf sechs Saiten: Biréle Lagrène bei seinem Auftritt mit dem Janoska-Ensemble. (Foto: Nila Thiel)

Das Janoska-Ensemble, das zu den Publikumslieblingen der Ammerseerenade gehört, und Gitarrist Biréli Lagrène reißen ihr Publikum in Andechs zu Ovationen hin

Von Reinhard Palmer, Andechs

Beim dritten Mal in Folge kann man vielleicht schon von Tradition sprechen. Und einem Festival tun so etwas in der Regel gut. Zudem füllt sich der Florianstadl in Andechs von Mal zu Mal besser, wenn das Janoska-Ensemble auf dem Programm der Ammerseerenade steht. Als Grenzgänger zwischen E- und U-Musik ist das virtuose Familienunternehmen zweifelsohne bereits Publikumsliebling, was auch die Ovationen der zur Euphorie bereiten Zuhörer deutlich machten.

Begründet ist dies einerseits durch das überaus sympathische, humorvolle Auftreten der vier Musiker, andererseits durch ihre grandiosen Fähigkeiten an den Instrumenten, vor allem aber durch den fulminanten Zugriff und die effektvollen dramaturgischen Entwicklungen der einzelnen Stücke. Das alles hat zur Folge, dass man sich den Stücken - meist Eigenkompositionen, oft mit klassischen Anleihen - schlicht nicht entziehen kann.

Die slowakisch-ungarischen Janoska-Brüder aus Bratislava, Ondrej und Roman an den Violinen sowie Frantisek am Flügel: Das sind eben Vollblutvirtuosen aus einer alten Musikerdynastie, aber wie auch der Schwipp-Cousin Julius Darvas am Kontrabass ebenso beherzte Jazzer und vor allem leidenschaftliche Musikanten, die es verstehen, mit ihrem Spiel starke Emotionen zu wecken. Besonders reizvoll ist der nahtlose Übergang zwischen Klassik, Volksmusik und Jazz, als gäbe es zwischen den Gattungen keinerlei substantiellen Unterschiede.

So begann Beethovens Mondscheinsonate unversehens zu swingen, um nach wilden Improvisationen schließlich ekstatisch in Beethoven-Virtuosität einen wirkungsvollen Schlusspunkt zu finden. Mozarts Klavierkonzert verwandelte sich indes nach schmissiger Verdichtung und Intensivierung in eine packende Rumba, alsbald in der Latinjazz-Variante.

Trotz des nach wie vor funktionierenden Erfolgsrezepts war es gewiss kein Fehler, Gäste einzuladen, um frischen Wind ins "Classic Blue Note"-Programm zu bringen. Das tat der vierte Janoska-Bruder Arpad alias Luis Bellano mit einer sehr warm temperierten, einfühlsam geführten Stimme. Etwa in "Contigo en la Distancia" des Mexikaners Armando Manzanero - tief beseelt und mit emotionaler Inbrunst.

Sensationell war jedoch die Mitwirkung von Biréli Lagrène. Schon 1978 hatte er als zwölfjähriger für Aufsehen gesorgt, als die Gitarre noch fast größer war als er selbst. Der im Elsass geborene französische Sinto spielte schon mit Weltstars wie Al Di Meola, John McLaughlin und Herbie Hancock. Für viele ist er der legitime Nachfolger Django Reinhardts, dessen Repertoire er auch mit Vorliebe interpretiert. Mit seiner metallisch besaiteten akustischen Gitarre brachte Lagrène in Andechs neben dem an Reinhardt orientierten Sinti-Stil auch eine besondere Farbe ins Spiel, die das klassische Klangbild mit schärferer, in der Begleitung nicht selten perkussiver Charakteristik ausstattete. Vor allem aber mit spieltechnischer Zauberei wie im Präludium zu Reinhardts "Troublant Boléro": blumig, poetisch und mit reizvollen Klangeffekten angereichert.

Das sollte sich in "Paganinoska" mit der 24. Caprice von Niccolò Paganini noch einmal gewaltig steigern - bis hin zur schwindelerregend virtuosen Fingerakrobatik. Lagrènes Vorspiel machte den Eindruck, als hätte Paganini eine Übertragung auf die Gitarre von vorne herein für eine Option gehalten, zumal der Komponist auch dieses Instrument glänzend und gerne spielte. Unter den klassischen Werken - in dem Fall mit einer Entwicklung zum Csárdás hin - fanden das Janoska-Ensemble und Lagrène am stimmigsten zusammen, was für ein furioses Finale sorgte und nach Standing Ovations noch zwei Zugaben nach sich zog.

Dennoch liegen die herausragenden Qualitäten des Gitarristen im (Sinti-)Jazz, in dem er sich faszinierend frei bewegt. Dies gilt nicht nur für seine virtuosen Soli in berauschendem Tempot, sondern auch für seinen harmonischen Variantenreichtum. Ein bleibendes Erlebnis.

© SZ vom 05.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: