Andechs:Priester, Pädagoge und Komponist

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Eine neue Biografie beleuchtet das Leben von Placidus Scharl, der vor 230 Jahren Prior in Andechs war. Er arbeitete aber auch als Sprach- und Naturforscher und erlebte die Aufklärung und Säkularisation mit

Von Armin Greune, Andechs

Er war ein weltoffener Geistlicher, der die großen Umwälzungen seiner Zeit aus nächster Nähe miterlebte. 22 Jahre lang wirkte Placidus Scharl insgesamt in Andechs, wo er auch bereits zur Schule ging, zum Priester geweiht wurden und als Prior und Ökonom im Kloster arbeitete. Aber er war auch Mathematiker, Naturforscher, Pädagoge und Historiker, Scharl komponierte und verfasste Theaterstücke. In Salzburg begegnete er dem seinerzeit bereits als Wunderkind verehrten Wolfgang Amadeus Mozart. Scharls durchaus auch abenteuerlichen Reisen führten ihn bis Venedig, Pressburg und wiederholt als Cellarar auf die klösterlichen Weingüter in Südtirol. Von 1761 bis zu seinem Tod 1814 schrieb Scharl seine Erlebnisse und Erkenntnisse in Tagebücher. Auf deren Basis hat Brigitte Kasch-Schäfer eine Biografie erstellt, die nun als siebter Band der Edition Andechs im Verlag Kirchheim erschienen ist.

Die Leistung der Autorin, die mit dieser Monografie in Bayerischer Geschichte promoviert hat, sei schon allein wegen des schwierigen Originalquellenstudiums bemerkenswert, findet Birgitta Klemenz, Andechser Stiftsarchivarin. Denn die Tagebücher Scharls, die fast vollständig auf dem Heiligen Berg verwahrt werden, sind gebundene Manuskripte, deren Handschrift nicht leicht zu entziffern ist. Und große Teile sind lateinisch, französisch oder italienisch verfasst, selbst hebräische und griechische Passagen finden sich in Scharls Memoiren.

Kloster Andechs. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Es ist eine erstaunliche, aber doch auch exemplarische Karriere, die der Geistliche und Gelehrte im weiteren Umfeld von Kloster Andechs absolvierte: Als eines von 14 Kindern eines Gastwirts 1731 in Seefeld am Pilsenseee geboren, vermittelte der Onkel Scharls als Andechser Braumeister die Aufnahme des kleinen Franz in das Klosterseminar. Auf dem Freisinger Domberg setzte Scharl die Schule fort, er sang im Knabenchor, begeisterte sich fürs Theaterspiel und übernahm dabei oft Frauenrollen. 1747 wurde er Novize bei den Benediktinern in Andechs, in Rott am Inn studierte Scharl unter anderem Physik, Theologie und Philosophie, 1755 wurde er zum Priester geweiht. Weitere Stationen in seinem Leben waren eine zehnjährige Professur an der Benediktineruniversität in Salzburg: Zur Magisterprüfung vertrat er die Auffassung, der Planet Saturn sei bewohnt. Unterbrochen von Rektoraten in Neuburg an der Donau und am Münchner Wilhelmsgymnasium diente Scharl von 1769 bis 1781 und von 1784 bis 1794 dem Orden in Andechs. Nebenbei forschte und publizierte er über Waldwachstum, Holz-Versteinerungen und griechische Grammatik, schrieb Kantaten und Theaterstücke mit bis zu 1281 lateinischen Versen.

Scharl war "eine sehr schillernde, sehr faszinierende Persönlichkeit", sagte Klemenz bei der Vorstellung von Kasch-Schäfers Biografie "P. Placidus Scharl OSB von Andechs - Mönch, Pädagoge, Gelehrter" auf dem Heiligen Berg. Als Chronist registrierte Scharl neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die politischen Veränderungen seiner durch die Aufklärung geprägten Zeit. Als er 1798 die goldene Profess ablegte, ahnte er bereits den bevorstehenden, grundlegenden Wandel. Die Säkularisation traf den überzeugten Mönch dennoch hart: Sein letztes Lebensjahrzehnt verbrachte Scharl als wehmütiger Seelsorger mit vielen gesundheitlichen Problemen in München.

Freuen sich über den 7. Band (v.l.): Nikolaus Neumaier, Toni Aigner, Wolfgang Vogt, Pater Anno, Ulrich Stumbaum, Amelie Erhard und Peter Kirchheim. (Foto: Georgine Treybal)

Trotz des hohen wissenschaftlichen Anspruchs als Dissertation sei Kasch-Schäfers Buch "gut lesbar", sagte Peter Kirchheim, der es in einer Startauflage von 1000 Exemplaren verlegt hat. Herausgeber der Edition ist der Freundeskreis von Kloster Andechs. Toni Aigner hob als zweiter Vorsitzender die Vielseitigkeit der Themen in der Serie hervor, die unter anderem "Orgel und Musik auf dem Heiligen Berg" und das heikle Sujet "Christen und Nationalsozialismus" umfassen. Mit dem bislang vorletzten Band - Aigners 384-seitiger Dissertation "Das Andechser Heiltum. Religion und Politik im Haus Wittelsbach" - hatte die Edition erstmals deutlich an Umfang zugelegt. Kasch-Schäfers Werk umfasst nun sogar fast 450 Seiten.

© SZ vom 07.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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