Kirchenmusik:Kunstpause auf dem Heiligen Berg

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Damals noch in Amt und Würden: Anton Ludwig Pfell beim Orgelsommer 2014 in der Wallfahrtskirche Andechs. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Seit zwei Monaten steht das Kloster Andechs ohne Kirchenmusiker da. Denn für Anton Ludwig Pfell, der nach 35 Jahren in den Ruhestand ging, gibt es bislang keinen Nachfolger. Und die Suche gestaltet sich offenbar schwierig

Von Gerhard Summer, Andechs

Auf dem Heiligen Berg übertönt das Rauschen des Bieres langsam die Musik. Um den Florianstadl ist es still geworden, seitdem das Kloster Anfang Mai 2015 das Ende seiner renommierten Carl-Orff-Festspiele nach 18 Jahren verkünden musste und Ende Juli zum letzten Mal der "Mond" am Andechser Himmel aufging. Nun stehen die Benediktiner seit zwei Monaten auch noch ohne Kirchenmusiker da. Denn bislang ist es ihnen nicht gelungen, einen Nachfolger für Anton Ludwig Pfell zu finden, der heuer an Heilig-Drei-König endgültig in den Ruhestand gegangen war.

Das Kloster ist laut Pressesprecher Martin Glaab lediglich mit Orgelmusik versorgt: Mehrere Aushilfsorganisten übernehmen ihm zufolge die Begleitung zu den Gottesdiensten in der Wallfahrtskirche. Doch die von Pfell gegründeten Ensembles, die Andechser Chorgemeinschaft und der Mozart Chor, sind derzeit ohne musikalischen Leiter zum Pausieren gezwungen. Die Gefahr: Über kurz oder lang könnten Sänger und Instrumentalisten zu anderen Gruppen abwandern, sodass den Andechsern nur noch Rumpfbesetzungen blieben, wenn überhaupt. Genau deshalb betreibe das Kloster die Suche nach einem neuen Kirchenmusiker auch mit Nachdruck, sagt Glaab: "weil wir den Beitrag für die kirchenmusikalische Gestaltung durch die Andechser Chorgemeinschaft und die anderen Ensembles schätzen". Das Kloster arbeite im Übrigen "seit Monaten an der Nachfolge", das Ganze sei sehr unerquicklich, denn "zwei Kandidaten, die wir gern gehabt hätten, haben aus unterschiedlichen Gründen abgesagt", so Glaab.

Pfell hatte das Musikleben auf dem Heiligen Berg in seinen 35 Jahren Amtszeit angekurbelt. Andechs verdankt ihm den Bau der neuen Orgel und den Orgelsommer mit international renommierten Solisten wie Clemens Schnorr und Jon Laukvik. Unter seiner Leitung erklangen Oratorien wie Mendelssohn-Bartholdys "Paulus" und an den Karfreitagen Passionsmusiken von Bach, Telemann, Reinhard Keiser und Carl Heinrich Graun. Der heute 65-Jährige dirigierte natürlich auch Bachs Weihnachtsoratorium, den "Messias" und "Judas Maccabaeus" von Händel. Eine Auswahl aus den zwei Chören war anfangs eingebunden in die zuletzt von Marcus Everding geleiteten Orff-Festspiele, die Jahr für Jahr etwa 10 000 Besucher anzogen, aber 2015 wegen "schwerwiegender und nicht mehr zu überbrückender Differenzen zwischen dem Kloster und der Carl-Orff-Stiftung" endeten, so die offizielle Begründung. Die jetzige Situation hat Parallelen zum Jahr 1981, als Pfell den Posten in Andechs angetreten hatte. Damals gab es mehr oder minder "nur Bier auf dem Heiligen Berg", wie er sich erinnert.

Ganz leicht hatte es offenbar auch der Pionier Pfell in Andechs nicht. Das Benediktiner-Kloster reklamiert zwar für sich, seit seiner Gründung im Jahr 1455 "als ein Ort bayerischer Musikkultur" zu gelten. Aber spätestens unter der Ägide von Abt Johannes Eckert scheute Andechs vor Defiziten zurück, die größere Produktionen mit professionellen Solisten, Orchester und Chor mit sich bringen. Die Folge: Auf dem heiligen Berg erklang in den vergangenen fünf Jahren keine Passionsmusik mehr, Pfell wich damit nach Herrsching und Wörthsee aus. Gleiches galt beispielsweise für Mozarts Requiem und die zweite Sinfonie von Mendelssohn-Bartholdy; der Kirchenmusiker führte die Werke in Solln und in Dießen auf, wo er für eineinhalb Jahre sogar parallel als Chorleiter fungierte. Im Februar hat der Rentner nun eine neue Stelle in Herrsching angetreten. Pfell gibt dort mit einem Projektchor, der Camerata Langmann und Solisten wie Kevin Conners und Rita Kapfhammer am Karfreitag Bachs Johannespassion.

Von Mai an werden wenigstens im Florianstadl wieder die Musiker einziehen, wobei das Kloster aber nicht als Veranstalter, sondern lediglich als Vermieter auftritt. Auf dem Programm der Andechser Konzerte stehen bis Oktober vier Auftritte des von Michael Hartmann geleiteten Odeon-Ensembles München. Und am 25. Juni gibt es eine Überraschung: eine Wiederbegegnung mit Mark Mast bei den 7. Orff-Tagen der Bayerischen Philharmonie "Carmina Burana meets Haindling". Der frühere Dirigent der Orff-Festspiele hatte dem Heiligen Berg 2009 im Streit mit Marcus Everding den Rücken gekehrt.

© SZ vom 23.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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