Andechs:Groteske am Ammersee

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Die Carl-Orff-Festspiele darf Christian von Gehren nicht mehr dirigieren, einen Preis bekommt er trotzdem

Von Gerhard Summer, Andechs

Wenn Carl Orff noch leben würde, er hätte vielleicht schon eine feine bayerische Komödie oder eine groteske Kantate über seine eigenen Festspiele in der Schublade. Womöglich die "Carmina Monasterii", die Gesänge des Klosters, oder das Sommerspiel "Beneficium", die Auszeichnung. Die Versuchung jedenfalls wäre groß, denn so viel Wirbel und Streit um ein Festival und seinen ehemaligen Intendanten Marcus Everding gab es selten.

Doch 2017 soll ja alles wieder gut sein in Andechs. Das Kloster tritt nur noch als Vermieter des Floriansstadels auf. Die Füssener Firma Cultus Produktion mit ihrem Geschäftsführer Florian Zwipf-Zaharia, Veranstalter des Garmisch-Partenkirchener Kultursommers, versucht den Neustart. Und der komplette Vorstand der Orff-Stiftung mit Sitz in Dießen ist in beratender Funktion dabei. Der Vorsitzende Wilfried Hiller, Professor Regina Pauls und Ute Hermann sollen darüber wachen, dass Stücke nicht einfach verändert werden. Ein Intendant ist laut Hiller nicht vorgesehen, dafür wechselnde Regisseure und ein Dirigent, der genau genommen Bassposaunist des BR-Symphonieorchesters ist, Joseph Bastian. Und was ist mit Christian von Gehren? Dem hochrangigen musikalischen Leiter der Festspiele, mit dem die Stiftung nach seinen Angaben oft über seine Rolle beim Neubeginn gesprochen hatte? Dirigent Gehren, 44, ist zu seiner eigenen Verblüffung nicht mehr an Bord. Dafür bekommt er aber den mit 20 000 Euro dotierten Orff-Preis der Stiftung für seine Verdienste um das Lebenswerk des Komponisten. Der große Orff, der in Dießen lebte und in Andechs bestattet ist, hätte dazu vielleicht gesagt: ein teurer Tritt in den Allerwertesten!

Gehren jedenfalls sieht die Sache so: "Ich war jahrelang gut genug, die Kartoffeln aus dem Feuer zu holen und die Speerspitze zu spielen, als es darum ging, Everding weg zu bekommen. Und jetzt hat der Mohr offenbar seine Schuldigkeit getan." Ihm zufolge führte die Orff-Stiftung seit 2012, als es erste Probleme mit Everding gab, immer wieder Gespräche mit ihm. Bei den Unterredungen sei mal Opernsänger Franz Hawlata zugegen gewesen, mal Zwipf-Zaharia, mal Regina Pauls und Ute Hermann. Und Hiller und Pauls hätten mehrmals bekräftigt, er müsse Dirigat und künstlerische Leitung in Personalunion übernehmen. "Du musst jetzt nach vorne gehen, die Stiftung steht hinter dir", soll Hiller erklärt haben. Doch nachdem im Mai 2015 das Ende der Festspiele verkündet worden war, sei ihm bedeutet worden: Er sei beim Neustart und in den nächsten Jahren nicht mehr als Dirigent auf dem Heiligen Berg vorgesehen.

Hiller sagt, er könne sich an eine Zusage nicht erinnern: "Ich habe nicht gefragt, ob er die künstlerische Leitung übernehmen könnte", so der 75-jährige Komponist und einstige Orff-Schüler. Womöglich sei das jemand anderes gewesen. Zwipf-Zaharia war es nach eigenen Worten aber auch nicht. Ohnehin gelte: Er plane einen "Neustart mit neuen Leuten", "das ist nicht gegen ihn", also nicht gegen Gehren, "aber auch nicht für ihn". Und mit Hiller habe er den besten Partner an der Seite, den man für so ein Projekt gewinnen können, und bekomme Geld von der Stiftung. "Was soll ich mir da noch einen zweiten künstlerischen Leiter ranholen?" Auch Hiller erklärt: "Wir wollen einen totalen Neuanfang", deshalb setze man auch auf den 34-jährigen Bastian. Der Bassposaunist war im Februar dieses Jahres am Pult des BR-Symphonieorchesters eingesprungen und hatte einen Erfolg gefeiert.

Ziel der neuen "Carl Orff Festspiele Andechs & Ammersee" sei es, den "ganzen Orff in den verschiedenen Facetten zu zeigen", sagt Hiller. Was er bei anderen stets kritisiert hatte, tut er nun allerdings selber: Ausgerechnet zum Auftakt setzt er neben Orffs "Dyptichon" die "Carmina Burana" auf den Spielplan, den rauf und runter gespielten Publikums-Hit. Hiller fungiert auch als künstlerischer Berater der Ammerseerenade. Vielleicht bot sich deshalb der Ort der Preisverleihung an: Gehren soll am großen Carl-Orff-Tag des Festivals in Dießen ausgezeichnet werden.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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