Andechs:Geschmeidiger Abschied

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Hoher Anspruch, zu geringer Zuspruch: Das Odeon Ensemble sagt die beiden für heuer noch geplanten Konzerte im Florianstade ab. (Foto: Fuchs)

David Schultheiß und das Odeon Ensemble gestalten das Serenadenkonzert im Florianstadel unbeschwert und spielfreudig. Dennoch muss das Orchester die Serie nach der zweiten von vier Veranstaltungen aus finanziellen Gründen abbrechen

Von Reinhard Palmer, Andechs

Das zweite Konzert soll nun doch das letzte in Andechs gewesen sein - zumindest für dieses Jahr. Das wurde hinter den Kulissen des Florianstadels hörbar, eine offizielle Verkündung vom Podium erfolgte zunächst allerdings nicht. Es war auch sicher nur Zufall, dass ausgerechnet dieses Mal Haydns Abschiedssinfonie in fis-Moll auf dem Programm stand: Jenes kuriose Werk, in dem zum Schluss fast alle Musiker und der Dirigent sukzessive den Raum verlassen. Ursprünglich sollte so dem Fürsten Esterházy, in dessen Diensten die Ausführenden standen, deutlich gemacht werden, dass sie ihre Familien vermissten. Denn aus ihrer Sicht zog sich dieser Musiksommer 1772 doch arg in die Länge. Diese raffinierte Form des Streiks verfehlte ihre Wirkung nicht.

Noch heute ist es ein origineller Gag, der gerade auch deswegen wirkt, weil die Sinfonie erst einen packenden Verlauf nimmt, bevor sie sich im langsamen Epilog allmählich auflöst. Das Odeon Ensemble München unter Leitung von Michael Hartmann ging das Stück kraftvoll an und folgte dem experimentellen Ansatz des Werks mit viel Fingerspitzengefühl in der Differenzierung, aber leidenschaftlich in den dramatischen Verdichtungen. Für den langen, ohne große Ereignisse vor sich hin plätschernden Langsamen Satz fand das Orchester ein geduldiges Tempo. So stellte sich eine enorme Spannung ein, ohne dass die Interpreten auf sie nachdrücklich hinarbeiten mussten.

In diesem Satz zeigte sich aber auch der die Werke übergreifende geschmeidig-galante Duktus, der für ein Serenadenkonzert unabdingbar ist. Erst recht, wenn Mozart im Zentrum steht, sind Nachtmusiken und keine durchweg stimmungsvolle Nocturne gemeint. Serenaden des 18. Jahrhunderts sind spielfreudig und von vergnügter, bisweilen auch frivoler Leichtigkeit, die das Odeon Ensemble mit verhaltener Dramatik zu kontrastieren vermochte. Das frühe Divertimento Es-Dur KV 113, das mit zwei Klarinetten, zwei Hörnern und Streichern machte noch der Gattung des musikalischen Vergnügens alle Ehre: Heiter, melodisch, im Menuetto tänzerisch rhythmisiert, farbenreich im Schlusssatz dank dialogischem Gegenüber von Bläsern und Streichern. Die typischen Trübungen Mozarts blieben darin überaus feinsinnig geformt.

Das sollte auch in der Serenade in G-Dur KV 525 - "Eine kleine Nachtmusik" - nicht anders sein: Ein Finale von wohlig schönmelodischer Romanze. Das Vergnügliche blieb im Vordergrund, wie sich schon in Hartmanns lässigem Dirigat deutlich äußerte. Der Kapellmeister agierte sehr zurückhaltend und zog nur in den entscheidenden Momenten präzis und entschieden die Fäden.

Besonders fruchtbar geriet die Zusammenarbeit von Dirigent und Solist im Violinkonzert A-Dur KV 219. Im Grunde gehört dies auch zur alltäglichen Hauptaufgabe von David Schultheiß, erster Konzertmeister im Bayerischen Staatsorchester. Zudem ist Mozarts Solopart eng mit dem Orchesterpart verwoben, ja erwächst geradezu daraus. Schultheiß überhöhte ihn sachte mit klanglichem Glanz oder vielmehr mit intensiveren Farben. Dabei blieb sein Violinton schlank und wohlgeformt, aber auch in latenter Bereitschaft, auf Trübungen mit substanzvoller Verdichtung oder mit humorvoller Spitzfindigkeit in spritzigen Tanzeinlagen zu reagieren.

Dieses aufmerksame Changieren und einfühlsame Folgen der emotionalen Wogen ist wohl der einzige Weg, Mozarts hohen Anspruch so unbeschwert und geschmeidig erscheinen zu lassen, wie es Schultheiß und das Odeon Orchester hier spielfreudig und lustvoll exerzierten. Die Begeisterung des Publikums im lückenhaft besetzten Florianstadel war groß - und der Wunsch nach Fortsetzung überdeutlich. Leider aber vergeblich: Am Montag teilte Hartmann offiziell mit, dass die beiden noch ausstehenden Konzerte im Juli und Oktober nicht sattfinden können, weil das finanzielle Defizit für das Odeon Ensemble nicht mehr tragbar sei.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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