Andechs:Feine britische Art

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David Davis eröffnet den Andechser Orgelsommer

Von Reinhard Palmer, Andechs

Das Ende der Carl Orff-Festspiele setzt offenbar Kapazitäten frei. Jedenfalls begrüßte der Abt von Kloster Andechs, Johannes Eckert, nicht nur das Publikum, das zum Auftakt des Andechser Orgelsommers in die Wallfahrtskirche gekommen war, er übernahm auch selbst Lesung und Fürbitten. Schon alleine, dass dies im Programm stand, war außergewöhnlich. Der Musikalische Direktor der Exeter Cathedral, David Davis, zeigte sein Können im ersten solistischen Teil der Veranstaltung. Den zweiten Teil gestaltete der Andechser Kirchenmusiker Anton Ludwig Pfell thematisch schlüssig in der Form des Evensongs (Abendlob), des gemeinschaftlichen Abendgebets in der anglikanischen Kirche. Bestehend aus Elementen der Vesper (Abendgebet) und der Komplet (Schlussandacht) ist dessen Entstehung im Grunde auf die Benediktsregel zurückzuführen. So gesehen, bekamen die zahlreichen Zuhörer hier einen Einblick ins Brevier der Andechser Mönche. Allerdings in der musikalischen Form.

Davis ist es indes gewohnt, in ganz anderen Dimensionen zu musizieren. Nicht nur aufgrund der großartigen vier-manualigen Orgel mit 59 Registern seiner Wirkungsstätte, sondern auch dank ihres gewaltigen Resonanzkörpers, der Kathedrale von Exeter, die zu den imposantesten gotischen Bauwerken der britischen Insel gehört. Dagegen ist die Wallfahrtskirche Andechs ein kleines Schmuckkästchen von zierlicher Eleganz. Angesichts dessen beeindruckte es umso mehr, dass Davis stets farblich stimmige Klangnuancen der Jann-Orgel entlockte, die zudem einer sorgfältig durchdachten Gesamtdramaturgie des Orgelkonzertparts folgten. Davis verstand es, den Klängen auch eine durchaus britisch feine Art zu verleihen, von der schillernden Feierlichkeit bis hin zum großen Finale mit nahezu glorifizierender Erhabenheit.

Dennoch war es ihm möglich, das Repertoire des deutschen Sprachraums mit Buxtehude, Krebs, Bach und Mozart mit dem angelsächsischen - England mit John Stanley und Edward Elgar sowie USA mit David N. Johnson und Leo Sowerby - einleuchtend zu verknüpfen, obgleich die Zeitspanne vom 17. Jahrhundert bis nahezu Gegenwart reichte. Davis zeigte sich stets als ein straffer Phrasenbildner, der mit einem kaum wahrnehmbaren Rubato aber auch wunderbar gelöste innige Rücknahmen mit einfühlsam ausgesungener Melodik zaubern konnte. Aus Mozarts Adagio und Allegro für ein Orgelwerk in einer Uhr KV 594, das der Komponist für ein Wiener Wachsfigurenkabinett zur glorifizierender Inszenierung der Figur des Feldmarschalls Laudon geschaffen hatte, machte Davis eine Preziose, die vom Angedenken zur Apotheose mit Glockenspiel einen ergreifenden Spannungsbogen aufbaute.

Im Evensong fand Pfell in der englischen Literatur auch starke Emotionen vor, die ihre Intensivierungen meist mit schön geformter Melodik verknüpften. Gerade die Musik des ausgehenden 19. Jahrhunderts suchte aber vor allem die positive Grundhaltung, sei es mit heiterer Beschwingtheit wie bei William Wolstenholme, sei es mit großer Strahlkraft in farbenreicher Harmonik eines Charles Villiers Stanford oder zum Schluss William Thomas Best. Zumindest in den Orgelwerken und den hymnischen Chören. Im stimmig üppigen Kolorit formte die Andechser Chorgemeinschaft unter der Leitung von Martina Cabell aber auch wohlige Rücknahmen etwa im lyrischen Sinnieren des Responsoriums von Berthold Tours . In berührender Gospel-Manier, kontrastiert mit dem schönfarbigen Sopran von Kathrin Pompenig, in den Fürbitten von Michael Joncas. Bests Schlusswort mit der "Concert Fugue on a Trumpet-Fanfare" beendete das besondere Orgelfest. Begeisterter Applaus.

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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