Andechs:Dramatik ohne Pathos

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Orgelsommer mit Klemens Schnorr und Hanna Staszewka

Von Reinhold Palmer, Andechs

Es ist schwer zu sagen, was die Konzertbesucher am Samstagabend so zahlreich in die Wallfahrtskirche zum Andechser Orgelsommer geführt hat. An guten Gründen fehlte es jedenfalls nicht. Allen voran steht das Renommee von Klemens Schnorr, der nach einigen internationalen Auszeichnungen nun als Professor in Freiburg seit Jahren hervorragende Orgelvirtuosen auf den Weg bringt. Sein Amt als Organist des Freiburger Münsters musste er allerdings 2012 wegen des desolaten Zustands der Orgel und ihres Spieltisches niedergelegen. Seitdem ist Schnorr nur noch bei Gastspielen live zu hören.

Sein Orgelspiel ist vor allem von struktureller Klarheit und einer überzeugenden Stringenz im Aufbau gekennzeichnet. Schnorr versteht es, aus kleinen Kunstgriffen in Phrasierung und zurückhaltender Registrierung ganz große Wirkungen zu erzeugen, ohne gleich mit Klangmasse und Volumen zu überfrachten. Und dennoch blieb hier die Charakterisierung der Sätze treffsicher. So etwa in der zierlichen Pastorale aus der Orgelsymphonie op. 14 von Louis Vierne, deren chromatischer Reichtum mit ebenso schillernder Schönfarbigkeit der Registrierung korrespondierte. Im Allegro vivace des Werkes kam noch eine filigrane Verspieltheit hinzu, die mit spritziger Leichtigkeit für einen vergnüglichen Grundtenor sorgte. In Mozarts heroisierender Fantasie f-Moll KV 608 gelang es Schnorr mit feinsten Nuancen, die darin thematisierte Apotheose eines Nationalhelden mit intimeren Aussagen schlüssig zu verbinden. Dramatik ohne Heroik erklang hier, Verherrlichung ohne Pathos.

Ob seine Schülerin, die aus Warschau stammende Hanna Staszewska an der Orgel in Schnorrs Fußstapfen treten wird, stand in Andechs nicht zur Debatte. Denn dort präsentierte sich als großartige Solistin am Horn, die im Programm allerdings weniger auf Virtuosität abzielte, als vielmehr auf melodische Schönheit mit plastisch modellierter Klangsubstanz. Die ausgewählte Literatur führte in kaum bespielte Regionen mit wenig bekannten Komponisten und dabei kreuz und quer durch verschiedenste musikalische Landschaften. Der "Marche Réligieuse" des Salzburger Schülers von Michael Haydn Sigismund von Neukomm etwa erklang majestätisch rhythmisiert. In den Norden des 20.Jahrhunderts ging es zum Schweden Oskar Lindberg mit dunkler, schwerer Volksmelodik. Eduard Adolf Tod wiederum war ein schwäbischer Meister, dessen Andante religioso das Duo Schnorr und Staszewska zu einer romantischen Perle formte. Mit "Here I Am, Lord" des US-Amerikaners David Howard Pettit folgte ein presbyterianisches Kirchenlied, beschwingter zeigte sich indes "Chanson d' Été" des Engländers Edwin Henry Lemare. Ein insgesamt eher gefälliges Programm, das schließlich Mozarts Rondo Es-Dur aus dem Hornkonzert KV 447 im heiteren Galopp deutlich aufwertete. Lang anhaltender Applaus und eine Zugabe.

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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