Andechs:Dienst an der Demokratie

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Ernstes, Heiteres und angeregte Gespräche beim Landfrauentag in Andechs: Christa Wagner, (v.l.) Ursula Münch, Anita Painhofer und Dekan Franz von Lüninck. (Foto: Nila Thiel)

Die Direktorin der Akademie für politische Bildung, Ursula Münch, ist Gastrednerin beim Landfrauentag in Andechs. Sie lobt die Bäuerinnen für die Verantwortung, die sie in der Gesellschaft übernehmen

Von Christine Setzwein, Andechs

Disruption, Skaleneffekte, Sharing Economy - es war nicht unbedingt leichte Kost, die Ursula Münch am Dienstagnachmittag auf dem Heiligen Berg servierte. In ihrer Festrede zum Thema "Landfrauen tragen Verantwortung" spannte die Direktorin der Tutzinger Akademie für Politische Bildung einen weiten Bogen von der Demografie über die Digitalisierung bis zur Demokratie. Kreisbäuerin Anita Painhofer jedenfalls war begeistert: "Großartig und lehrreich" sei der Vortrag gewesen, sagte sie im wie immer voll besetzten Florianstadel im Kloster Andechs.

Wie jedes Jahr gönnten sich auch heuer zahlreiche Bäuerinnen einen freien Nachmittag in Andechs, um sich beim Landfrauentag auszutauschen und ein besonderes Referat zu hören. Die Kreisbäuerin hat ein Händchen für illustre Gastredner. Alfons Schuhbeck war schon da, Jutta Speidel oder Ursula von der Leyen. Münchs Vortrag beschäftigte sich mit den Veränderungen des ländlichen Raums durch den demografischen Wandel, durch die Digitalisierung und die neuen Technologien. Allein durch den 3-D-Drucker brauche es in Zukunft keine großen Fabrikhallen und Fertigungsstraßen mehr. Produzent und Konsument würden zum "Prosument". Mit der Shared Economy, dem systematischen Ausleihen und Teilen zum Beispiel von Autos werden sich die Städte verändern, meint Münch. Wenn weniger Straßen und Autos gebraucht würden, könnte in den Städten mehr Gemüse und Obst angebaut werden, aus "Landwirte könnten Stadtwirte werden". Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse von Stadt und Land "funktioniert aber nur, wenn der Breitbandausbau klappt". Die Direktorin hatte sich dazu auch gleich eine neue Bauernregel ausgedacht: "Läuft das Breitband wie geschmiert, ist der Städter abserviert."

Münch skizzierte die Entwicklung vom Nichtwähler zum Protestwähler, erläuterte, wie es zu dem Vertrauensverlust in Politik, Wirtschaft und Medien gekommen sei, warum der Zulauf zu Parteien, Kirche, Gewerkschaften und Verbände gelitten haben: "Weil die Jungen keine Lust mehr auf Ochsentour haben, sondern alles so schnell gehen soll wie eine App." Sie geißelte die Manipulationsmöglichkeiten der "sogenannten sozialen Medien", um dann zu einem versöhnlichen Ende zu kommen: Natürlich könnten auch die Landfrauen dem Internet etwas entgegensetzen. "Sie schaffen Gemeinschaft und Identität", sagte Münch. Durch ihre Verbandsarbeit seien sie "Schulen der Demokratie". Mit ihrer Verwurzelung, ihrem langfristigen Denken, ihrem sozialen Engagement und ihrem Rollenvorbild "leisten Sie Dienst an der Demokratie", lobte Münch die Landfrauen.

Franz von Lüninck, Pfarrer in Gilching und Dekan für das Dekanat München-Pasing, ermunterte die Landfrauen dazu, öfter mal innezuhalten. Als Beispiel nannte er Marta und Maria aus dem Lukas-Evangelium. Während die eine Jesus alles recht machen will, sitzt die andere nur zu seinen Füßen und hört zu. Verantwortung sei oft eine Last, sagte von Lüninck. Dann gelte es, Prioritäten zu setzen und eine innere Ordnung zu schaffen, den Sinn des Tuns zu erkennen. Aber: "Ordnung geht nur, wenn wir verzichten."

"Ohne Essen und Trinken geht gar nichts", meinte schließlich Kreisbäuerin Painhofer und überreichte Münch und von Lüninck zum Dank je einen Andechser Korb mit Lebensmitteln.

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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