Andechs:Das Kloster - ein Tollhaus

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8000 Besucher kommen zum Familientag auf den Heiligen Berg in Andechs, besichtigen die Schätze der Abtei, angeln Holzfischchen oder üben sich im Tragerlklettern und Kübelspritzen

Patrizia Steipe

Die einen spielen Blasmusik, die anderen Heuschlacht: Kinder hatten beim Familientag in Andechs das Sagen. Sie konnten nach Herzenslust herumtoben, ob es nun darum ging, einen Biertragerl-Turm aufzuschichten oder auf Heuballen herumzukraxeln. Für die Erwachsenen war natürlich auch was geboten, unter anderem Auftritte der Kapelle Erling-Andechs. Foto: Georgine Treybal (Foto: Georgine Treybal)

Im Kirchenschiff der Wallfahrtskirche Andechs stand ein kleiner Junge und hielt krampfhaft eine Traube Luftballons fest. Neben ihm krabbelte ein Kleinkind in einen Beichtstuhl und patschte lauthals krähend auf die Kniebank. Bei den Opferkerzen hatte ein Mädchen sein Smartphone gezückt. "Endgeil, die Kerze ist aus dem Jahre 1716", rief es der staunenden Mutter zu.

Das fröhliche Treiben im ehrwürdigen Gotteshaus wurde an diesem Tag nicht nur toleriert, sondern auch ausdrücklich gestattet. Zum neunten Mal hatte das Kloster zu einem Kinder- und Familientag eingeladen. Etwa 8000 Gäste aus dem gesamten Oberland waren gekommen, um "einfach viel Schönes zu erleben und miteinander Spaß zu haben", wie es Abt Johannes Eckert beschrieb.

Eckert selbst öffnete den Kindern an diesem Tag die Türe zum Klosterschatz in der Heiligen Kapelle. Fasziniert betrachteten die Kleinen die vielen goldenen und silbernen Gefäße und lauschten der Legende über die Maus. Die märchenhafte Geschichte geht so: Angeblich hatte der Nager im Jahre 1388 während einer Predigt einen Zettel mit Hinweisen auf den verschollenen Kirchenschatz fallen lassen. Die Maus gibt es heute noch; sie wurde nämlich als Denkmal am Fuße des Altars verewigt und ließ sich von den kleinen Gästen streicheln.

Rund um den Heiligen Berg gab es noch mehr zu entdecken. Zum Beispiel den Klosterweiher. Dort hatte der Fischereiverband Schwaben einen Stand aufgebaut, um über das Thema Fisch zu informieren. Immer wieder warf der zwölfjährige Leon die Angel aus und zog den blitzenden Blinker durch das Wasser. Tatsächlich folgten die großen Forellen dem verlockenden Teil. "Anbeißen wird aber keiner, da hängt kein Haken dran", erklärte Hans Weiser. Schließlich darf in Bayern nur mit Angelschein geangelt werden. Mehr Anglerglück hatten die Kleinen, die mit kleinen Angeln Holzfischchen mit eingeschraubten Haken aus einem Bassin herausfischen durften. Jeder Fang wurde von ihren Eltern mit großer Begeisterung beklatscht.

Auf der Wiese beim Florianstadl zeigte Simon Redl aus Au in der Holledau, wie die Hopfenernte früher aussah. Lange Hopfenreben wanden sich an gespannten Drähten zum Gestell hinauf. "Mit einer Hopfenstange hat man damals den Draht gelöst, und die Rebe fiel nach unten", sagte Redl und machte es gleich vor. "Auf unserem Hof wurde erst seit 1960 mit Maschinen gearbeitet. Das war damals eine große Arbeitserleichterung."

Die Kinder durften beim Familientag die duftenden Dolden abzupfen und in einen Korb legen. Die beruhigende Wirkung dieser Pflanze hat Redl übrigens am eigenen Leib erfahren. "Bei der Arbeit wurde man immer sehr müde", sagte er augenzwinkernd. Angesichts dieser Aussicht griffen einige Eltern nach den Türkränzen, die von Landfrauen aus Hopfen geflochten worden waren.

"Auf die Bühne bitte", hieß es im Florianstadl. Marcus Everding, der Leiter der Carl-Orff-Festspiele, führte die Besucher in die Musiktheater-Welt und berichtete, was alles zusammen kommen muss, damit Theater auch wirklich funktioniert. Außerdem eroberten Kindertrachtengruppen aus der Region die Bühne und zeigten ihre Tänze.

Wer genug vom Zuschauen hatte, auf den warteten viele sportliche Herausforderungen. Mutige ließen sich 150 Meter weit im Klettergurt auf der Seilbahn über den Platz schwingen, in luftige Höhen ging es in einem "Hebebühnen-Käfig". Es gab die Möglichkeit zum Bogenschießen, die Besucher konnten ein paar Runden mit einer kleinen Dampf-Bimmelbahn drehen oder zum Kübelspritzen, Tragerlklettern und Kutschenfahren aufbrechen. Die Pommes verkaufte Frater Emmanuel zugunsten der Obdachlosenhilfe. Und die Andechser Landfrauen hatten Unmengen von Torten und Kuchen gestiftet. Nur in der Klosterbrennerei gingen die Kinder leer aus. Das Verkosten der Obstbrände mussten sie den Erwachsenen überlassen.

© SZ vom 05.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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