Aktion der Solidarität:Mitschüler wollen, dass Hassan bleibt

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Zehntklässler setzten sich für einen jungen Afghanen ein, der im Weßlinger Containerdorf lebt. Der 18-Jährige spielt Handball im Sportverein und kann schon gut Deutsch. Nun droht ihm die Abschiebung

Von Blanche Mamer, Weßling

Die beiden Hütehunde bellen wild, doch der junge Mann lässt sich nicht irritieren. Er kennt das schon, die Hunde werden sich gleich beruhigen. Schließlich ist er ein regelmäßiger Besucher im Haus der Landschaftsarchitektin Donata Valentien in Weßling. Hassan Rezaei ist gerade 18 Jahre alt geworden, er kommt zur Nachhilfe zu seiner Patin vom Helferkreis Asyl. Er kam vor eineinhalb Jahren nach einer langen Odyssee als Flüchtling nach Bayern und lebt seit neun Monaten im Weßlinger Containerdorf. Kurz vor Ostern hat er die Mitteilung bekommen, dass sein Asylantrag abgelehnt ist und er innerhalb von 30 Tagen mit der Abschiebung nach Afghanistan rechnen müsse.

Valentien hatte den jungen Mann bereits in der Sammelunterkunft in der Weßlinger Turnhalle kennengelernt und war beeindruckt, dass er mit Hilfe einer Handy-App Deutsch lernte. Die Betreuerin hat eine Rechtsanwältin beauftragt, gegen den Bescheid Klage einzureichen. Seine Klassenkameraden von der Rudolf-Steiner-Schule in Gröbenzell haben zudem eine Petition im Internet gestartet. "Helft uns, die Abschiebung zu verhindern!" schreiben die Zehntklässler und sammeln Unterschriften. Hassan Rezaei ist zwar Afghane, war jedoch nie in Afghanistan, hat dort keine Familie und kennt niemanden. Er ist im Iran geboren und aufgewachsen. Dorthin war seine Familie vor 20 Jahren geflohen. "Wir sind Hazara", sagt er zur Begründung und erklärt in gut verständlichem Deutsch, dass die Minderheit der Hazara, die zu den Schiiten gehört, vom radikalen Teil der in Afghanistan herrschenden Paschtunen verfolgt werde, vor allem aber von den Taliban.

Zusammen mit Donata Valentien lernt Hassan Rezaei für den Hauptschulabschluss. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Im Iran gelten die afghanischen Flüchtlinge nach seiner Darstellung als illegale Einwanderer. Sie hätten keine Rechte, keinen Zugang zur Bildung. Viele der jungen Afghanen würden von der Polizei festgenommen und entweder nach Afghanistan geschickt oder gezwungen, in Syrien gegen den IS zu kämpfen, sobald sie volljährig sind. "Da Hassan um sein Leben fürchtete und nicht gezwungen sein wollte, zu töten, floh er mit 16 Jahren nach Deutschland", schreiben die Waldorf-Schüler in ihrer Petition. Und nun soll er nach Afghanistan. Zu seiner Mutter in den Iran kann er nicht, weil der Staat keine afghanischen Flüchtlinge zurück nimmt.

Rezaei war zunächst allein unterwegs, hatte aber in Griechenland Familienangehörige gefunden und blieb bei ihnen. Sein 22-jähriger Neffe - der Sohn seiner wesentlich älteren Schwester - ist mit Frau und zwei kleinen Töchtern ebenfalls von Abschiebung bedroht. Nur die 18-jährige Nichte soll bleiben dürfen; als alleinstehende junge Frau steht ihr besonderer Schutz zu. Im Landkreis Starnberg wurde die Familie erst mal herumgeschoben: Aus der Weßlinger Turnhalle in die Unterkunft in Herrsching, dann ins Zeltlager Pöcking und zurück nach Weßling.

"Hassan fühlt sich in unserer Schule sehr wohl. Er bereitet sich auf den Hauptschulabschluss vor und möchte anschließend eine Lehre absolvieren. Warum gilt Afghanistan für Hassan als sicheres Land, wenn deutsche Touristen vom Auswärtigen Amt vor einer Reise dorthin gewarnt werden?" fragen seine Schulfreunde. "Man muss erreichen, dass Afghanistan nicht mehr als sicheres Land gilt", fordert auch Valentien. Für die Entscheider im Bundesamt für Migration seien die Fluchtgründe kein Thema gewesen, bedauert sie. Drohende Verfolgung und Todesangst würden als vorgeschoben gelten. "Jung, gesund und arbeitsfähig", habe als Kriterium für die Abschiebung gezählt.

Der junge Flüchtling kann sich gut ausdrücken. "Trotzdem gibt es vielfältige sprachliche Probleme. Ein Beispiel: Im Kunstunterricht ging es zum Beispiel in einer Aufgabe um die Wesenszüge des Jugendstils. Oder die Frage, welches Bild er von Gott hat. Im Islam gibt es keine Bilder von Allah, in einer christlichen Kirche war er nicht. Also besuchten wir die Klosterkirche in Andechs", erzählt Valentien. Sie ist sich sicher, dass er den Hauptschulabschluss schaffen wird und eine Ausbildung beginnen könnte. Sein Wunschtraum wäre, Abitur zu machen und Zahnmedizin zu studieren. Doch das sei derzeit Utopie, meint die ehrenamtliche Patin. Ein Praktikum bei einem Physiotherapeuten im AstoPark bei Oberpfaffenhofen habe gezeigt, dass er gut mit Menschen umgehen könne. Auch die Integration im Ort gedeiht, er spielt Handball im SC Weßling und macht bei einem Kulturprojekt mit. Seine Mitschüler sind ebenfalls etwas optimistischer. Bis jetzt haben 8047 Unterstützer die Petition an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterschrieben.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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