Stadtrat:Patt in der Pappel-Frage

Lesezeit: 2 min

Vor der Entscheidung im Stadtrat zur Umgestaltung des Siegestor-Umfelds sind Experten gespalten, ob eine Allee zugelassen werden soll. Für das Baureferat ist die Haltung der Bezirksausschüsse ausschlaggebend

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt/Schwabing

Noch vor zwei Jahren sah es danach aus, als würde der große Verschönerungs-Schub für das Umfeld des Siegestors schon im Ansatz abgewürgt. "Das ist vom Tisch", hatte der damalige Heimatpfleger Gerd Goergens die Aufwertungspläne des Baureferats kommentiert, welche die Behörde selbstbewusst "Platzoffensive Siegestor" nannte - und die der CSU-Planungssprecher im Stadtrat, Walter Zöller, im Februar 2016 als "gestorben" bezeichnete. Doch das Projekt, die Betonwüste um das Prachttor zu einem Boulevard umzugestalten, ist nicht tot.

An diesem Dienstag soll der Bauausschuss des Stadtrats darüber befinden. Im Prinzip dürften die Rathauspolitiker nichts gegen die Neuordnung des tristen Raums um das Denkmal haben - doch der Clou des Konzepts könnte erneut zur Disposition stehen: die Fortführung der Pappelallee von der Leopoldstraße an die Ludwigstraße bis vor die Brunnen an der Universität. Das Baureferat hält an seinen ursprünglichen Plänen fest, die von Bäumen gesäumte Chaussee der Leopoldstraße südlich des Siegestors zu verlängern - obwohl das Landesamt für Denkmalpflege sich dagegen ausspricht und die Stadtgestaltungskommission deutliche Kritik äußerte.

Blick nach Süden: Ein Stich von Carl August Lebsché/Arnold Meermann, datiert um 1860, dient dem Baureferat als Beweis, dass in der Ludwigstraße Pappeln bis zu den Universitäts-Kopfbauten standen. (Foto: Staatliche Graphische Sammlung, München)

Die Kultivierung der Ödnis rund um das Prachttor ist dabei eines von fünf Neuordnungsprojekten, über welche die Stadträte in einem Rutsch mit dem Beschluss "Fünf Plätze attraktiv neu gestalten" entscheiden sollen, darunter der St.-Pauls-Platz und der Willibaldplatz. Dabei hatte das Baureferat ein neues Bürgerbeteiligungsverfahren angewendet: Noch bevor die Behörde in die konkrete Planung einstieg, wurden die groben Ideen in den jeweiligen Bezirksausschüssen vorgestellt und ausführlich diskutiert. Die sehen für das Siegestor immer noch so aus: Die überdimensionierten Fahrbahn- und Parkplatzbereiche rundherum werden zum Raum für Fußgänger umgestaltet; zwei Abbiegespuren fallen weg, die Fahrspuren enger geführt. Dafür entstehen bis zu 18 Meter breite Gehwege an der Ludwigstraße.

Der Knaller dabei ist die Idee, dass das Baureferat das Konzept des Architekten Friedrich von Gärtner aufnimmt, der 1840 auf Weisung König Ludwigs I. ein Prachttor nach dem Vorbild des römischen Konstantinbogens zu planen hatte; 1850 wurde das Bauwerk eingeweiht. Nach Recherchen des städtischen Baureferats wurde die Pappel-Allee damals bis zu den Uni-Kopfbauten angelegt, dokumentiert durch Gärtners Planskizzen und einer historischen Stichzeichnung, auf der die Baumreihen zu sehen sind. Die Fortführung der Allee ist für den federführenden Baureferats-Mitarbeiter Florian Hochstätter deshalb schlüssig, "es lässt sich historisch begründen", sagt er.

Die Stadtgestaltungskommission sah das allerdings nicht so. Die Architekturexperten in dem beratenden Gremium rieten von den Pappeln ab, sie würden die "besondere stadträumliche Situation" verändern, konkret die steinerne Anmutung der Ludwigstraße mit den flankierenden Fassaden. Eben deshalb lehnt auch das Landesamt für Denkmalpflege die Pappelallee ab. Anders als zu Gärtners Zeiten sei der Bereich von den prominenten Fassaden geprägt, eine Übertragung der ursprünglichen Planungsidee "problematisch".

Völlig anderer Auffassung ist der Architekturhistoriker und Gründungsdirektor des NS-Dokuzentrums, Winfried Nerdinger. "Ebenso gelungen wie überzeugend" nennt er das Platzkonzept, wobei ihm die historischen Dimensionen des Siegestors als Monument wichtig sind: Er erinnert daran, dass es zunächst der Verherrlichung der bayerischen Armee diente, durch die Restaurierung mit den sichtbaren Kriegswunden zum Friedensmahnmal umgewandelt wurde. Dabei blieb jedoch der Nazi-Bau auf der Ostseite, das ehemalige "Haus des Deutschen Rechts", erhalten. Die Pappeln könnten das Mahnmal "etwas abschirmen", die "verschiedenen gewachsenen Zeitschichten des Ortes (...) werden durch die Umplanung aufgenommen und entsprechend der Bedeutung des Ortes transformiert". Auch der Stadtheimatpfleger sieht das Konzept als "deutliche Verbesserung". Die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt hält sich raus: Man teile die Meinung des Landesamts, stelle sich aber nicht gegen die Pläne des Baureferats.

Es steht also unentschieden in der Pappel-Frage, ein "Beratungs-Patt", wie es Hochstätter nennt. Ausschlaggebend ist für ihn die große Zustimmung der Bezirksausschüsse. Die Gremien in der Maxvorstadt und Schwabing Freimann waren begeistert, auch und vor allem von der Pappelallee-Idee. "Die eindeutigen Voten sehen wir als Ermutigung für unser Konzept", sagt Hochstätter. Schwabings BA-Chef Werner Lederer-Piloty (SPD) hatte zuletzt angekündigt, die positive Haltung erneut in der Stadtratssitzung vorzutragen.

© SZ vom 30.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: