Stadtbaurätin Elisabeth Merk:Mit U-Bahn-Anschluss und Fernblick

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Im Mai 2019 hat die dritte Amtszeit von Elisabeth Merk begonnen. Die gebürtige Regensburgerin leitet das städtische Referat für Stadtplanung und Bauordnung seit 2007. (Foto: Corinna Guthknecht)

Kompakt, urban und grün sollte das neue Viertel im Osten werden. Stadtbaurätin Elisabeth Merk beurteilt die Entwicklung durchaus positiv

Interview von Sebastian Krass

Ein bisschen wie ein kleiner Vorort mitten in der großen Stadt - das hatten die Stadtplaner mit der Messestadt Riem vor. Doch wie wurde die Leitlinien "kompakt, grün und urban" umgesetzt? Das erklärt Stadtbaurätin Elisabeth Merk.

SZ: Sind Sie zufrieden mit der Messestadt Riem?

Elisabeth Merk: Was die Kompaktheit angeht: Heute würde man darunter eine deutlich höhere Dichte verstehen. Aber man muss die Planung im Kontext der Neunzigerjahre sehen. Damals war die Idee, die Menschen in der Stadt zu halten, die eigentlich ein Reihenhaus in der Region suchen. Ein Argument dabei war der U-Bahn-Anschluss, man wollte schon damals den Pendlerverkehr in den Griff bekommen. Wenn man die Wohnungstypologie in Riem heute anschaut, dann ist es im Prinzip eine verdichtete Gartenstadt, also nicht mit Reihenhäusern und Einfamilienhäusern, sondern mit Geschossbau. Aber Riem hat natürlich nicht die Dichte von Schwabing.

Ist Riem also eine verpasste Chance?

Nicht unbedingt. Man muss bedenken, dass damals der Druck für Wohnungsbau viel geringer war, weil es noch viele unbebaute Flächen gab, und dass es nicht leicht war, jemanden für Wohnungsbau in großem Stil zu gewinnen. Und die Entwicklung der Messestadt ist ja nicht zu Ende. Wenn wir jetzt 20 Jahre Riem feiern und vieles, was dort gut gelungen ist, dann darf man auch die Frage nach der künftigen Entwicklung stellen. Ich kann mir vorstellen, dass man in der Zukunft mit Nachverdichtung arbeitet - auch mit Hochhäusern, die ja bisher dort nicht geplant wurden.

Wie urban ist die Messestadt geworden?

Hm, da gibt es noch viel weiterzuentwickeln. Aber es gibt auch Positives. Seit das Unternehmen Brainlab sich im alten Flughafentower angesiedelt hat, sind mehr Urbanität und Internationalität entstanden. Ich erhoffe mir auch von den genossenschaftlichen Wohnbauprojekten, die gerade entstehen, Impulse. Aber viele urbane Strukturen funktionieren erst, wenn die Dichte eine kritische Masse überschreitet.

Etwa die kleinen Geschäfte, von denen es zu wenige in Riem gibt, wie Kritiker schimpfen?

Ich weiß von meiner Vorgängerin, dass man damals versucht hat, Eckläden zu etablieren. Aber die wurden in der Regel zu Wohnungen umgenutzt.

Warum?

Weil es nicht genug Menschen gab, die so einen Laden rentabel machen. Wir haben gerade eine große Studie zu Erdgeschossen und Nahversorgung für die neuen Stadtviertel Freiham und die Bayernkaserne gemacht. Wir glauben, dass man solche kleinen Geschäfte in der Anfangsphase finanziell unterstützen muss, einen entsprechenden Beschluss des Stadtrats wollen wir erwirken. Ich sehe nicht, warum wir solche Ideen nur in neuen Quartieren umsetzen sollten.

Würde man noch einmal ein Einkaufszentrum wie die Riem-Arcaden einplanen?

Ich glaube ja: Wir müssen es schaffen, guten Einzelhandel zu etablieren, aber nicht in Form einer Mall. In Freiham habe ich eine geplante Mall verhindert. Stattdessen versuchen wir, eine Art offenes Einkaufszentrum zu schaffen, das in mehreren Gebäuden um einen Platz herum verteilt ist. Wie tragfähig das auch für den Einzelhandel ist, das wird erst die nähere Zukunft zeigen. Vielleicht müssen wir künftig mehr mit Kiosken arbeiten.

München ist aber nicht gerade eine Kiosk-Stadt.

Früher gab es viel mehr davon. Das ist irgendwie abhandengekommen. Das liegt auch an den enormen Vorschriften, die wir den Betreibern machen. Da, wo es Kioske gibt, sind sie enorm beliebt. An einem Quartiersplatz könnte man einen Platz freihalten für einen Kiosk. Und vielleicht verlangt man dann erst einmal nur eine umsatzbezogene Miete vom Betreiber. Ein solches Konzept ließe sich für neue Quartiere einsetzen, aber auch für den Bestand.

Der dritte Punkt der Leitlinie für Riem war "grün". Wie gut ist das umgesetzt?

Da kriegt Riem auf jeden Fall eine ausgezeichnete Note. In 20 Jahren wird man die Menschen in Riem beneiden, dass sie mit dem Riemer Park eine so großzügige Grün-Anbindung haben. Ganz wichtig ist auch die Attraktion des Badesees, bei dem ja am Anfang umstritten war, ob es so einen "Luxus" braucht. Der ist nicht nur für die Riemer wertvoll. Ich fahre oft mit der U-Bahn in die Messestadt und sehe Alt-Truderinger und Alt-Riemer mit ihrer Badetasche drin sitzen, weil es toll ist, wenn man nicht ins Auto steigen muss, um zu einem See zu kommen. Ein Badesee bringt mehr Verknüpfung mit den bestehenden Stadtvierteln, als man so meint.

Wenn Kritik an der angeblich gesichtslosen Neubau-Architektur in München geäußert wird, dann fällt immer wieder auch das Beispiel Riem. Wie sehen Sie das?

Die Kritik teile ich so nicht. Ja, die großen Straßenräume hätten etwas individueller gestaltet werden können. Und natürlich ist der Wohnraum in einer relativ einheitlichen Sprache. Vielleicht kann man lernen, dass man mit Farbkonzepten arbeitet. Nur weiß und ab und zu beige, das ist zu wenig. Aber es sind durchweg gute Gebäude mit Grundrissen, in denen man gut wohnen kann. Wenn man einmal an einem normalen Nachmittag durch die Höfe geht, dann ist da ein unglaubliches Leben. Und die gemeinschaftlich genutzten Dachterrassen, das war Pionierarbeit, heute ist das Standard. Insgesamt ist es eine sehr gute Alltagsarchitektur, die sich sehen lassen kann. Und die Grün- und Landschaftsarchitektur ist ziemlich einzigartig.

Welchen Ruf wird der Stadtteil Messestadt Riem in zehn, 20 Jahren haben?

Einen immer besseren! Es wird eines der begehrtesten Quartiere Münchens sein. Man ist in der Großstadt mit dem Luxus eines U-Bahn-Anschlusses. Und zugleich hat man an vielen Stellen den Blick Richtung Alpen: Wenn Sie auf der Terrasse auf dem Dach der Mall und des Kulturzentrums stehen, dann haben Sie eine unglaubliche Weite und Großzügigkeit.

© SZ vom 26.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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