Sprachförderung:Mehrsprachig aufwachsen

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Münchner Migrantenorganisationen präsentieren sich in einem Lese- und Theaterprogramm für Kinder

Von Barbara Hordych

Auf Vorschlag der Unesco haben die Vereinten Nationen im Jahr 2000 den 21. Februar zum internationalen Tag der Muttersprache erklärt. Aus diesem Anlass präsentieren Münchner Migrantenorganisationen am kommenden Donnerstag ein mehrsprachiges Kinderprogramm in den Stadtbibliotheken. Margareta Lindner, die in der Stadtbibliothek für den Schwerpunkt "Interkulturelle Programmarbeit" zuständig ist, hat das Angebot mit dem Netzwerk "Morgen" zusammengestellt.

SZ: An welches Publikum wenden sich die Veranstaltungen?

Margareta Lindner: Wenn Sie bedenken, dass in München rund die Hälfte aller Kinder einen Migrationshintergrund hat, also entweder selber zugezogen sind oder Kinder von Eltern, die aus dem Ausland zugezogen sind, haben Sie die Adressaten.

Welches Ziel verfolgen diese Angebote?

Wichtig ist es, dass Kinder die Wertigkeit ihrer Sprache erleben. Es ist für sie eine Würdigung, wenn aus ihrer Sprache vorgelesen wird. Gerade wenn es Sprachen betrifft, die nicht so angesehen sind wie Englisch oder Französisch.

Die dreijährigen Freundinnen Julia und Lotta (von links) verfolgen gebannt die "Geschichte vom Meer". (Foto: Stephan Rumpf)

Kinder ohne Migrationshintergrund kommen nicht zu den Veranstaltungen?

Interessanterweise doch. Vor kurzem habe ich mit einer Kollegin gesprochen, die keinen Migrationshintergrund hat. Ihre Tochter hat aber einen kurdischen Kindergartenfreund. Sie hat sich sehr darüber gefreut, als sie vor einigen Wochen beim interkulturellen Märchenfest im Gasteig war und ihrem Freund erzählen konnte, dass sie seine Sprache gehört hat.

Wie gehen die Eltern mit der Mehrsprachigkeit um?

Innerhalb der Familien ist in den vergangenen Jahren das Bewusstsein dafür gewachsen, dass die Kinder die eigene Sprache nicht nur zu Hause irgendwie sprechen, sondern gut sprechen sollen. Sie wollen sie ihren Kindern korrekt vermitteln. Deshalb ist die Nachfrage nach Bilderbüchern auch stärker geworden, weil sie den Eltern dabei helfen, den Kindern ihre Muttersprache zu vermitteln.

Das ist eine eher neue Entwicklung?

Ja, ich erlebe, dass sich da in den vergangenen Jahren einiges geändert hat. Es gibt einerseits diesen gesellschaftlichen und politischen Anspruch, möglichst schnell Deutsch lernen zu sollen. Das ist zwar richtig. Aber nicht, wenn es gleichbedeutend damit ist, dass die mitgebrachte Sprache nichts wert sein soll.

Kirstie Handel alias "Clowness Glucks" erzählt sie mit Wortwitz und Slapstick. Aus ihrem großen braunen Koffer wird sie gleich viele merkwürdige Meeresbewohner zutage fördern. (Foto: Stadtbibliothek)

Wie kamen Sie selbst zu dieser Thematik?

Ich selbst habe keinen Migrationshintergrund. Orientalistik, türkische Geschichte und Sprache habe ich aus reinem Interesse studiert. Als dann vor dreißig Jahren, Ende der Achtzigerjahre, in der Münchner Stadtbibliothek die Stelle für den Bestandsaufbau von türkischen Medien frei wurde, fiel das genau mit meinem Studienabschluss zusammen.

Das Thema hat sie dann nicht mehr losgelassen?

Inzwischen betreuen andere Mitarbeiter den Bestandsaufbau fremdsprachiger Medien. Ich bin jetzt für den Schwerpunkt Interkulturelle Programmarbeit zuständig.

Wie sind Sie bei der Organisation des "Tags der Muttersprache" vorgegangen?

Wir haben wie beim Interkulturellen Märchenfest mit den Migrantenorganisationen des Netzwerks "Morgen" zusammengearbeitet.

Zum Märchenfest im Gasteig kamen 1 600 Besucher...

Ja, das Besucherinteresse war sehr groß. Viele Eltern schätzen es, wenn ihre Kinder die kulturelle und sprachliche Vielfalt durch Vorlesen von Geschichten und Theaterstücke kennenlernen. Einige der Vorführungen kann man am 21. Februar noch einmal erleben. Beispielsweise die Geschichte des Loy-Krathong-Festes, ein Tanztheater in thailändischer und deutscher Sprache oder "Die verlorene Gazelle findet neue Freunde", ein Kindertheater in kurdischer und deutscher Sprache.

Margareta Lindner hat Orientalistik studiert und ist seit dreißig Jahren in der interkulturellen Bibliotheksarbeit tätig. Sie ist auch Initiatorin des Gesprächskreises "Sprachcafé Deutsch" in der Münchner Stadtbibliothek. (Foto: Stadfbibliothek)

Was würden Sie Erwachsenen empfehlen, die sich mit der Frage mehrsprachiger Erziehung auseinandersetzen?

Wir sind hier in München in der sehr guten Situation, dass es an der LMU eine eigene internationale Forschungsstelle für Mehrsprachigkeit gibt. Schon am 19. Februar laden die Wissenschaftler um 19 Uhr zu einem Vortragsabend in den Gasteig ein. Da geht es um den Umgang mit Mehrsprachigkeit, aber auch mit Mehrfachidentitäten. Für Eltern gibt es den ganzen Februar über in mehreren Stadtbibliotheken Infoveranstaltungen, wo Fragen wie die, ob mein Kind Nachteile hat, wenn es mehrsprachig aufwächst, oder wie mein Kind am Besten sowohl Deutsch als auch die eigene Muttersprache lernen kann, beantwortet werden.

© SZ vom 15.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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