Die Liste der Vorschläge war seinerzeit ziemlich lang: "Guglhupf" oder "Strohhut", "Lola-Montez-Spielstätte" oder "Vogel-Strauß-Pavillon", "Sendlinger Amphi" oder "Amateurmausoleum" - so hätten die Münchner die olympische Basketballhalle an der Siegenburger Straße gerne getauft. Doch im Juni 1974 entschieden sich die Mitglieder des Münchner Stadtrats für einen weniger phantasievollen Namen: Die Sporthalle sollte künftig den Namen "Rudi-Sedlmayer-Halle" tragen, benannt nach dem damals kürzlich verstorbenen, langjährigen Präsidenten des Bayerischen Landessportverbandes.
Die Zeiten ändern sich, und so trägt die Rudi-Sedlmayer-Halle seit gut einem Jahr wieder einen neuen Namen: Sie heißt nun "Audi Dome". Die Sporthalle, die vor mehr als 40 Jahren für die Olympischen Sommerspiele errichtet worden war, hat wechselhafte Zeiten erlebt - und sie hätte sie fast nicht überlebt. Das böse Wort "Abriss" kursierte vor einigen Jahren ziemlich häufig im Zusammenhang mit der Immobilie am Grasweg 74.
Kaum zu glauben, wenn man heute in der renovierten Halle zwischen den beiden Körben steht und Bernd Rauch zuhört, wie er mit wachsender Begeisterung über die Rudi-Sedlmayer-Halle spricht. "Diese Halle hier ist für den Basketball konzipiert", ruft der Vizepräsident des FC Bayern München begeistert und deutet mit der rechten Hand in das weite Rund. 40 Jahre nach Olympia ist der Basketball in die Rudi-Sedlmayer-Halle zurückgekehrt. Die totgeglaubte Halle am Westpark ist wiederauferstanden.
Die Nachnutzung olympischer Sportstätten hat noch jeder ehemaligen Olympiastadt Sorgen bereitet. Wie können die architektonisch meist spektakulären Bauten nach den Spielen auch weiterhin sinnvoll ausgelastet werden? Tatsächlich benötigt kaum eine Stadt gleich mehrere, auf größte Zuschauermassen ausgelegte Hallen und Stadien für verschiedene Sportarten. Der Unterhalt und die Instandhaltung solcher Prachtbauten sind teuer, die Hallenmieten, die für Vereine und Sportverbände anfallen, sind hoch.
Das Schlimmste aber sind leer stehende Hallen: wenn Gebäude, die für faszinierende sportliche Darbietungen und für emotionale Höhepunkte gebaut wurden, am Ende ungenutzt vergammeln.
Auch in München gab es solche Bauten: die Haupttribüne des Olympia-Reitstadions in Riem etwa. Während der Sommerspiele verfolgten dort 23.000 Zuschauer die Reitwettbewerbe. Später wurden zwar die verschiedenen Gras- und Sandplätze weitergenutzt, doch die Tribüne füllte sich nicht mehr. Irgendwann sperrten die Behörden sie wegen Einsturzgefahr. Da hatte sich die Natur schon längst ihren Platz auf der Tribüne gesucht: Zwischen den Ritzen gediehen kleine Bäumchen, auch Vögel hatten es sich gemütlich gemacht. 2008 wurde die Tribüne deshalb gesprengt; nachgetrauert hat ihr niemand.
Und im Grunde dachte man, dass auch die Rudi-Sedlmayer-Halle ein ähnlich trauriges Ende nehmen würde. Dabei war die Basketballhalle durchaus für Dramen gut: Im olympischen Finale hatten sich unter dem neuartigen Kegelschalenhängedach, auf das Architekt Georg Flinkerbusch so stolz war, legendäre Szenen abgespielt. Im allerletzten Sekundenbruchteil besiegte 1972 die UdSSR das Team der USA; die Amerikaner, die von einer Fehlentscheidung sprachen, wollten ihre Silbermedaillen deshalb nie annehmen.
Auch direkt nach Olympia wurde die Halle noch rege genutzt: von Schulklassen und Polizeisportlern, Volley-, Hand- und Basketballern, Hockeyspielern und Judoka, für Boxkämpfe der Klitschkos, als Bühne für den Eurovision Song Contest und für Bands, aber auch für Ausstellungen und Flohmärkte. 1984 wurde die Asbestdecke beseitigt, und die vielen Nutzer beklagten damals noch die zwischenzeitliche, lange währende Schließung der Halle. Doch es dauerte nicht mehr lange, bis der Niedergang langsam begann.
Die Handballer des TSV Milbertshofen brachten Anfang der Neunziger den letzten Glanz in die Rudi-Sedlmayer-Halle. Doch am Ende saßen nicht mal mehr tausend Zuschauer auf den 7000 Sitzen. Die Stadt schloss die Halle 2003, den Unterhalt in knapp sechsstelliger Höhe musste sie trotzdem finanzieren. Ein Investor, der eine Diskothek und einen Strandklub einrichten wollte und als letzte Rettung für die mittlerweile heruntergekommene Halle galt, ging insolvent. Der Abriss stand im Raum.
"Ich finde es jeden Tag besser hier"
Bis Anfang 2011 der FC Bayern anklopfte, der auf der Suche war nach einer Spiel- und Trainingsstätte für seine Profibasketballer. "Es war im Grunde die einzig mögliche Halle für uns", sagt Bernd Rauch. Der FC-Bayern-Vize ist selbst Architekt und arbeitete 1972 in der Bauleitung der Olympiahalle. "Wir haben damals einen unheimlichen Stolz verspürt", sagt er, "weil wir mit den Bauten München und Bayern in der Welt präsentieren durften." Dieses Gefühl hat sich Rauch bis heute bewahrt, ihm dürfte wohl auch die Rudi-Sedlmayer-Halle ihr Überleben verdanken.
Fünf Millionen Euro hat der Verein in die behutsame Sanierung gesteckt, hat neue Anzeigentafeln angeschafft und neue Kioske eingerichtet, hat Otl Aichers Leitsystem belassen, wie es ist, und trotzdem Flächen für Sponsoren geschaffen, weil es ohne die heute einfach nicht geht. "Der Charakter der Halle ist geblieben", sagt Rauch über den Retrostil der Sedlmayer-Halle. Den extra steilen Oberrang beispielsweise gibt es noch immer, dessen Raumenge die Atmosphäre während eines Spiels verdichtet.
Bis 2018 kann der FC Bayern in jedem Fall in der Halle bleiben. Ob Rauch den technischen wie finanziellen Aufwand mittlerweile bereut? "Nein", ruft er da, "im Gegenteil: Ich finde es jeden Tag besser hier." Auch wenn die Halle schwierig zu erreichen ist, die Kosten für die Energie jedes Jahr 350.000 Euro verschlingen und die Rudi-Sedlmayer-Halle auch sonst immer ein Bau mit den technischen Voraussetzungen der späten Sechzigerjahre bleiben wird: Sie ist in erster Linie noch immer eine Olympiastätte.
"Diese Hallen sind einfach einmalig", sagt Rauch, "und deshalb sind sie auch erhaltenswert." Gleich, ob sie nun Vogel-Strauß-Pavillon, Rudi-Sedlmayer-Halle oder Audi Dome heißen.