Zum 100. Geburtstag:Münchner Wunderkindl

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Maxi Herber war mit 13 deutsche Meisterin, erfand mit ihrem Mann Ernst Baier den Paarlauf neu, gewann WM- und Olympia-Gold. Die Nazis hofierten sie. Sie aber unterstützte Holocaust-Überlebende. Über eine Eiskunstlauf-Revolutionärin, die am Ende von Sozialhilfe lebte.

Von Theo Harzer

Synchronizität, Eleganz, parallele Sprünge: Paarlauf, wie Maxi Herber und Ernst Baier ihn interpretierten, hatte die Welt bis dahin nicht gesehen. (Foto: imago images)

Fünf Mal Europameister, vier WM-Titel, ein Mal olympisches Gold. Dazu sieben deutsche Meisterschaften im Paarlauf und drei im Einzel. In ihrer Karriere als Eiskunstläuferin hat Maxi Herber viele Erfolge aufgetürmt, die meisten davon in erstaunlich jungen Jahren. Ein Jahrhunderttalent, früh vollendet. Aber von vorn.

Am 8. Oktober 1920, an diesem Donnerstag vor 100 Jahren, wird Maxi Herber in München-Schwabing geboren. Der Vater, ein Offizier, hat große Pläne für seine kleine Tochter und schickte sie bereits als Fünfjährige aufs Eis. Schön war das für sie nicht, wie sie später in einem Interview zugab. Für die Karriere aber war es gut. Bald trat Maxi dem Münchener Eissport Verein bei, dem drittältesten deutschen Eissportverein - und aus dem Münchner Kindl wurde mir nichts, dir nichts ein Wunderkind.

Adolf Hitler war ein Fan und ließ das Paar mit seinem Wagen abholen, Rudolf Heß gratulierte

1931 gewann Maxi Herber zum ersten Mal die bayerische Meisterschaft, zwei Jahre später, mit 13 Jahren, die deutsche Meisterschaft im Einzel - bis heute ist sie die jüngste Titelträgerin. In dieser Zeit lernte sie Ernst Baier kennen, einen Sachsen, ihren Trainer, Partner und späteren Ehemann. Baier war 15 Jahre älter als Maxi, seine Karriere bis dato durchaus vorzeigbar. Der ganz große Wurf war ihm allerdings noch nicht gelungen. Das sollte sich nun, nachdem er in Maxi Herber eine würdige Partnerin gefunden hatte, ändern.

Die folgenden Jahre bescherten dem Paar nicht nur großen Erfolg, es revolutionierte auch das Paarlaufen: Als Erste zeigten Herber/Baier synchrone Figuren und parallele Sprünge. Außerdem passte Baier die Bewegungen der Läufer an die Musik an, so dass Lauf und Musik zu einem gemeinsamen Werk verschmolzen. Bis dahin diente die Musik schlicht als Hintergrundbeschallung. Mit ihrem Stil begeisterten sie nicht nur die Punktrichter, sondern Eislauf-Liebhaber weltweit. Adolf Hitler, der bei den Olympischen Winterspielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen persönlich zugegen war, bekannte sich als Fan, auch sein Stellvertreter Rudolf Heß gratulierte persönlich. In Garmisch gewannen Herber/Baier ihre erste und einzige olympische Goldmedaille, die "Nazigoldmedaille" wie Maxi Herber sie später nennen sollte. Für die Abschlussfeier soll Hitler das Paar gar in seiner Staatskarosse abholen haben lassen. Später betonte Maxi Herber, wie unangenehm ihr die Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten war. Ihre Goldmedaille verkaufte sie, so erzählte sie es dem Deutschlandfunk kurz vor ihrem Tod, und spendete das Geld an eine israelische Stiftung für Holocaust-Überlebende.

Showtalente: Mit ihrem „Eisballett Maxi und Ernst Baier” zogen die Eheleute – hier bei einem Auftritt in Hamburg – in den Fünfzigern um die Welt. Und lockten Millionen Besucher an. (Foto: imago)

1936 wurden Herber und Baier nicht nur Olympiasieger, sondern auch Weltmeister. Dieses Kunststück wiederholten sie bis zum Jahr 1939 dreimal. 1940 wurde aus Maxi Herber dann Maxi Baier. Ein Jahr später, im Alter von 21 Jahren, gewann sie mit ihrem Ehemann zum siebten und letzten Mal die deutsche Meisterschaft.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wollten Herber und Baier ins Showbusiness einsteigen. Nachdem die Amerikaner das Berufsverbot gegen sie 1947 aufgehoben hatten, gründeten die Eheleute 1951 das "Eisballett Maxi und Ernst Baier". Damit zogen sie um die Welt - und die Zuschauer kamen in Scharen. Bis zu sechs Millionen Menschen sollen in den folgenden Jahren ihre Aufführungen besucht haben. Schließlich verkaufte das Paar die Revue an "Holiday on Ice". Ernst versuchte es noch mal neu, gründete die "Berliner Eisrevue", deren Zelt aber schon wenig später einer Brandstiftung zum Opfer fiel. Also ließ er sich als Eislauflehrer nieder. 1964 wurde die Ehe, aus der die zwei Söhne Nicki und Alexander sowie die Tochter Eva hervorgingen, geschieden. Maxi Herber zog nach Garmisch-Partenkirchen. Von Ruhm und Reichtum blieb ihr nicht viel, sie lebte von Sozialhilfe und wohnte in einem bescheidenen Apartment, bis sie im Jahr 2000 in ein Pflegeheim zog. Trotz ihrer Parkinson-Erkrankung fand sie Erfüllung im Malen und stellte sogar noch einige Aquarelle in ihrem Heim aus. Am 20. Oktober 2006 starb das Schwabinger Wunderkind im Alter von 86 Jahren. An diesem Donnerstag wäre Maxi Herber 100 Jahre alt geworden.

© SZ vom 08.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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