Volleyball:Zum Schreien

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"Ferdl war zu weit drüber heute und hilft uns damit nicht, aber ich kann ihn verstehen": Herrschings Libero Ferdinand Tille ließ seinen Frust schon während des Spiels an Gegnern und Schiedsgericht aus - und diskutierte nach dem Schlusspfiff weiter. (Foto: Oryk Haist/imago)

Herrschings Volleyballer verlieren auch ihr zweites Spiel gegen Lüneburg - und scheiden im Playoff-Viertelfinale aus. Ihre Ziele verpassen sie jeweils hauchdünn im verflixten fünften Satz - weil sie auch an den eigenen Nerven verzweifeln.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Jalen Penrose, ausgerechnet. Der 26-jährige US-Amerikaner hatte ein famoses Spiel für die WWK Volleys Herrsching am Samstagabend in der Nikolaushalle gemacht, sein wohl bestes in der gesamten Saison. Mit 35 Punkten war er mit großem Abstand der Topscorer des Spiels, 35 Punkte, das ist ein Wert, den nicht viele Hauptangreifer schaffen. Im fünften Satz des zweiten Playoff-Viertelfinalspiels schien er fast alleine gegen die SVG Lüneburg zu kämpfen. Doch dann, beim 13:14, hatte Lüneburg Matchball. Und Penrose, der seine Mannschaft so lange im Spiel gehalten hatte, schmetterte den Ball in den gegnerischen Block, von dort aus prallte er zurück ins Herrschinger Feld. Penrose sank auf den Boden, er vergrub den Kopf unter seinen Händen. Aus, vorbei.

Herrsching ist ausgeschieden, nach einem erneuten 2:3 (21:25, 28:26, 22:25, 25:19, 13:15) gegen Lüneburg, das ebenso dramatisch war wie schon die erste Partie der Best-of-three-Serie im hohen Norden. Mit dem Unterschied, dass die Oberbayern in eigener Halle über weite Strecken des Spiels extrem verkrampft wirkten, so als würde eine zentnerschwere Last auf ihren Schultern liegen. Der Druck war ja auch da, sie hätten das Spiel gewinnen müssen und tags darauf auch ein mögliches Entscheidungsduell, wegen des pandemiebedingt angepassten Playoff-Modus' wieder in eigener Halle. Doch dazu kam es nicht mehr.

"Ich schiebe es ein bisschen auf das Alter unseres Teams", sagt Trainer Max Hauser

"Es war bitter, wir haben nicht gut gespielt, es war viel Krampf dabei, aber auch nicht die allerglücklichsten Schiedsrichter-Entscheidungen", sagte Herrschings Trainer Max Hauser. "Ich schiebe es ein bisschen auf das Alter unseres Teams. Viele der Jungs standen zum ersten Mal in einem Playoff-Viertelfinale." Nach dem Schlusspfiff war der 37-Jährige minutenlang frustriert und nachdenklich auf seinem Stuhl am Spielfeldrand gesessen, seine Miene sprach Bände.

Andere, wie Libero Ferdinand Tille, kanalisierten ihre Emotionen anders. Tille, 165-maliger Nationalspieler, WM-Dritter, kann schnell zum Vulkan auf dem Spielfeld werden. Diese Emotionen sind Teil seines Spiels, auch die Sticheleien mit den Gegnern. Diesmal hatte er aber fast einen Dauer-Ausbruch, arbeitete sich an den nicht immer sicheren Unparteiischen ab, auch an den Gegnern, als er beispielsweise im vierten Satz bei einer Abwehraktion unter dem Netz hindurchrutschte und plötzlich von mehreren Lüneburgern umzingelt war. Nach dem Schlusspfiff diskutierte er am Netz mit Gästetrainer Stefan Hübner weiter, während seine Mannschaft den paar Zaungästen vor den Hallenfenstern für ihre Unterstützung dankte. "Ferdl war zu weit drüber heute und hilft uns damit nicht, aber ich kann ihn verstehen", sagte Hauser.

"Die Halle hätte gebrannt", glaubt Libero Ferdinand Tille, der die fehlenden Emotionen der Zuschauer selbst aufs Feld brachte - und manchmal übertrieb

Das Drama begann schon im ersten Satz, als Herrschings Außenangreifer Jori Mantha einen Ball ohne Not ins Netz schlug, was dem sprunggewaltigen Kanadier so gut wie nie passiert. Es war eines der schwächeren Spiele von Mantha, auch das half Herrsching nicht. Auch nicht, als Tim Peter direkt danach die erste Annahme zum 2:5 wegrutschte. Peter kam überhaupt nicht ins Spiel, weder in der Annahme noch im Angriff, "er war außer Form, sehr unglücklich", wie Hauser später feststellte. Und wenn beide Außenangreifer nicht so recht zünden, dann wird es für jede Mannschaft schwer. Als beim 19:23 die Schiedsrichterin zum zweiten Mal Mantha einen Hinterfeldangriff abpfiff, weil er nach ihrer Ansicht die Drei-Meter-Linie übertreten hatte, warf Hauser seine Notizzettel wutentbrannt meterweit Richtung Auswechselbank.

Ohne Worte: Trainer Max Hauser beim Verdauen der knappen Niederlage. (Foto: Oryk Haist/imago)

So ging es weiter, dieses hochemotionale Spiel, "das eine volle Halle verdient gehabt hätte", wie Ferdinand Tille später wieder etwas abgekühlt sagte, "sie hätte gebrannt." Am Ende des zweiten Satzes hatte seine Mannschaft Glück, weil der zweite Schiedsrichter eine Blockberührung der Lüneburger gesehen hatte, die der Schiedsrichterin entgangen war. Satzball für Herrsching statt für Lüneburg, dessen Trainer Hübner diesmal fassungslos zu den Unparteiischen starrte. Hausers Mannschaft verwandelte den Satzball, führte im dritten Satz mit 8:4, wurde wieder fahrig und verlor. Im vierten Satz kam dann Jonas Kaminski für Peter, der sich nun auch noch eine blutige Nase geholt hatte. Und siehe da, Kaminski überzeugte im Angriff, Herrsching hatte seine beste Phase und hielt seinen Drei-Punkte-Vorsprung bis zum Schluss.

Vom Beginn des Entscheidungssatzes erholte sich Hausers Mannschaft dann nicht mehr: Schlechte Annahme Tille, 0:1, Netzroller-Ass, 0:2, Mantha lobt den Ball an die Antenne, 0:3. Penrose, der spätere MVP, machte Punkt für Punkt - bis es 13:14 stand.

Aschfahl verließen die Herrschinger ihre Halle, mit ihrer besten Saison in der Liga seit dem Aufstieg vor sieben Jahren und Hauptrundenplatz vier konnten sie sich noch nicht trösten. Denn ihr Ziel war es, erstmals ins Pokalfinale und auch erstmals ins Playoff-Halbfinale einzuziehen. Doch der Traum zerschellte jeweils auf die bitterste Art und Weise - im verflixten fünften Satz.

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