Volleyball:"Klimaanlagen sind mein Kryptonit"

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"Ich möchte heutzutage kein Nachwuchstrainer mehr sein": Roy Friedrich, 32, ist Mittelblocker, dreimaliger Pokalsieger und Unterhachinger Kapitän. Und er muss die junge TSV-Mannschaft durch eine Pandemie-Saison voller Niederlagen führen. (Foto: Marcel Lorenz/imago)

Roy Friedrich spielt seit 15 Jahren in der Volleyball-Bundesliga. Im Interview spricht der Kapitän des TSV Unterhaching über derbe Niederlagen, Generationen-Konflikte und die beste Ausrüstung für nächtliche Rückfahrten mit dem Reisebus.

Von Sebastian Winter

Roy Friedrich hat es sich am Sonntagabend im Reisebus bequem gemacht, seine Aussicht: 630 Kilometer durch die Nacht zurück nach Unterhaching. Im Gepäck: Eine fürchterliche 0:3-Niederlage in Düren. Der Kapitän der TSV-Volleyballer, dreimaliger Pokalsieger mit Generali Haching und seit 15 Jahren Teil der Bundesliga, ist froh über die baldige Weihnachtspause - und spricht über die so schwierige wie zehrende Hinrunde des Liga-Neulings.

SZ: Herr Friedrich, Sie sitzen schon im Bus, die Laune dürfte nicht allzu gut sein nach der nächsten Pleite. Wie sind die Reisepläne?

Roy Friedrich: Die Ankunft in Unterhaching ist gegen drei Uhr morgens, dann sind wir sieben Stunden gefahren. Immerhin muss ich erst um 7.30 Uhr in der Firma sein, also nicht wie sonst immer um 5.20 Uhr aufstehen. Ich habe hier meine Pizza vor mir, werde noch zwei Stunden Filme schauen, dann schlafen.

Klingt nicht sehr bequem.

Ach, ich habe ja schon ein paar Jährchen Erfahrung im Busfahren und bin dementsprechend ausgerüstet, mit kleiner Matratze, Decke und Kopfkissen. Wir haben auch jeder eine Bank für sich alleine. Eine Zeitlang habe ich auch auf dem Boden geschlafen, aber wenn die Busfahrer in der Nacht die Lüftung anmachen, die ja dann auch von unten hochbläst: Das war nichts für mich. Klimaanlagen sind mein Kryptonit.

Sie stehen voll im Beruf, und spielen nebenbei "Profivolleyball". Wie zehrend ist das?

Man merkt schon den Unterschied, ob man erste Bundesliga als Vollprofi spielen kann, mit Ausschlafen am nächsten Tag, dann noch ein bisschen Krafttraining und später vielleicht Abendtraining. Das habe ich so nicht. Aber ich wusste, worauf ich mich einlasse. Also Zähne zusammenbeißen - und durch.

Fällt Ihnen das nicht schwer gerade? Das Team verlor in Düren einen Satz mit 10:25, es steht in der Liga mit einem Sieg und neun Niederlagen auf dem vorletzten Platz.

Die ersten zwei Sätze haben wir, ganz nüchtern betrachtet, nicht mal auf Bundesliga-Niveau gespielt. So bekommst du auch in der zweiten Liga Probleme. Mei, wir wussten, wir sind ein junges Team. Ich habe damit gerechnet, dass es auch solche Niederlagen gibt. Aber aktuell sind wir selbst unser größter Gegner auf dem Feld. Der Aufschlagdruck, die Aggressivität, dieses Durchbeißen wollen, das fehlt. Wir müssen anfangen, uns wieder in die Spiele hinein zu kämpfen.

Wie wollen Sie das erreichen? In Ihrem Team sind zehn der vierzehn Spieler 21 Jahre und jünger.

Mit Geduld. Es bringt nichts, den Jungs immer weiter Druck, Druck, Druck, zu machen. Es stimmt, mich eingeschlossen haben nur drei Spieler Erstligaerfahrung. Und die Verantwortung, die auf Jonas (Sagstetter, 21-jähriger Außenangreifer, Anm. d. Red.) und Benedikt (Sagstetter, 19-jähriger Zuspieler, Anm. d. Red.) lastet, ist hoch. Für die anderen ist es ein großer Schritt zwischen zweiter und erster Bundesliga. Wir schauen jetzt, dass wir im Heimspiel gegen Bühl am Mittwoch (19 Uhr) noch einen schönen Jahresabschluss finden und mit einem guten Gefühl in die Weihnachtspause gehen.

Wie sehr haben Sie diese Pause herbeigesehnt?

Sehr. Ich trainiere ja nur zweimal pro Woche, mehr schaffe ich gar nicht wegen meiner Arbeit. Dort, im Handwerksbetrieb, war es auch stressig. Gerade in den letzten vier Wochen. Mir fällt auf, dass die Leute im Corona-Lockdown ziemlich fertig sind, psychisch angegriffen. Kürzlich sagte ich zu meiner Frau: Ich vermisse bei vielen ein bisschen die Menschlichkeit. Die Rücksichtnahme und das Verständnis ist in vielen Alltags-Situationen flöten gegangen, einige kümmern sich nur noch um sich selbst. Das erschwert alles, auch für mich, der als Familienvater mit zwei Kindern und als Leistungssportler immer versucht, das Beste aus jeder Situation zu machen.

Roy Friedrich im Trikot des Hachinger Lokalrivalen TSV Herrsching, wo er zwischen 2013 und 2017 spielte. (Foto: Oryk Haist/imago)

Zu Saisonbeginn waren Sie als Kapitän besonders gefordert, nach einem Corona-Fall im Teamumfeld bei der Mannschaftsvorstellung am 1. Oktober musste Unterhaching in Quarantäne - kurz vor dem Saisonstart.

Die Quarantäne hat uns aus dem Konzept gebracht und zurückgeworfen. Wir waren auf einem guten Weg davor bei den Testspielen. Wenn man aber dann zwei Wochen zuhause sitzt, verliert man seine Spritzigkeit, die Energie, den Rhythmus. Der VfB Friedrichshafen war jetzt gerade am Wochenende schon in Lüneburg vor Ort, als das Spiel wegen eines Corona-Falls abgesagt wurde. Die mussten unverrichteter Dinge zwölf Stunden nach Hause fahren. Das sind alles zusätzliche Belastungen in dieser Zeit.

Sie sind 32, noch kein Methusalem-Alter im Volleyball. Aber der jüngste in Ihrem Team, Libero Leonard Graven, ist 16. Macht sich da ein Generationen-Konflikt bemerkbar?

Generell gibt es bei den jüngeren Spielern schon Generations-Unterschiede, gerade in der Einstellung, die ich teilweise nur schwer nachvollziehen kann. Ich will gar nicht explizit Namen nennen, um Gottes Willen. Und ich glaube, wenn ich jetzt vor jedem Mannschafts-Mittagessen oder Training sage, ,Jungs, wir sammeln jetzt die Handys ein', dann bringt das auch nichts. Aber ganz ehrlich: Ich möchte heutzutage kein Nachwuchstrainer mehr sein. Man hat Diskussionen über Dinge, da gibt es für mich gar keinen Diskussionsbedarf. Ein Beispiel aus meiner Arbeit: Wenn ich einen Azubi frage, was seine Rechte sind, dann zählt er sie mir aus dem Stegreif auf. Wenn es dann um seine Pflichten geht, schaut er einen mit großen Augen an. Und dann geht das Diskutieren los.

Sie waren schon zurückgetreten im vergangenen Frühjahr und haben sich überreden lassen, noch eine Saison dranzuhängen. Hätten Sie je gedacht, dass es so schwierig wird?

Ich hatte gehofft, dass die Corona-Situation nicht so schwierig wird. Ich bin froh, dass es bei mir bisher bei zweimal Quarantäne geblieben ist. Wenn ich jeden Monat wegen Volleyball in Quarantäne gehe, wird mein Chef auch irgendwann sagen, ,jetzt reichts langsam mal, du verdienst hier dein Geld'.

Was wünschen Sie sich, auch von den Jungen, für die Rückrunde?

Dass sie ein bisschen selbstbewusster auftreten, mit mehr Risiko ins Spiel gehen. Ein ganz großer Faktor ist doch der: Wir machen das Ganze hier nicht, weil wir es machen müssen, sondern weil wir Volleyball geil finden und Spaß daran haben. Diesen Spaß möchte ich mit dem Team wiederfinden in der Rückrunde. Der Rest kommt von dann von ganz alleine.

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