Volleyball:Gefangen im System

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Jein: Lohhofs Volleyballerinnen diskutieren Erstliga-Rückkehr

Von Sebastian Winter, Unterschleißheim

Futsch, die Tabellenführung. 0:3 gegen Straubing, im Spitzenspiel der zweiten Bundesliga. Lohhofs Volleyballerinnen hätten nach dem vergangenen Samstag traurig sein können, enttäuscht wegen des deutlichen Ergebnisses. Aber sie waren keineswegs deprimiert, auch weil das Ergebnis täuschte. Lohhof fehlten in jeweils knappen Sätzen nur Nuancen.

Es war ein Fest, das in Straubings Dreifachturnhalle gefeiert wurde. Mehr als 1000 Zuschauer, eine ungewöhnliche Kulisse für die zweite Liga, sahen ein mitreißendes Spiel, das Lohhof wichtige Erkenntnisse brachte: "Wir haben zwar 0:3 verloren, aber wir sind nicht so weit weg", urteilte SVL-Managerin Richarda Zorn: "Straubing ist uns vor allem körperlich überlegen und hat das gut ausgenutzt."

Man muss dazu sagen, dass Lohhof in Kapitänin Christin Hölzel und Annahmespielerin Tamara Zeller zwei wichtige Stammkräfte langzeitverletzt fehlen. Zorn geriet jedenfalls ins Schwärmen - auch über den Gegner: "Herzlichen Glückwunsch an Straubing, auch für die tolle Arbeit, die das Management um Heiko Koch abliefert. Sie haben eine Wahnsinns-Kulisse, das macht Spaß."

Straubing ist Lohhof in Sachen Professionalisierung einen Schritt voraus, vielleicht sind es auch zwei. Der Klub aus Niederbayern hat viele Zuschauer, er hat Geld, hauptamtliche Strukturen und starke Ausländerinnen im Team. Ziel ist es, aufzusteigen, am besten gleich nach dieser Saison. Straubing ist der Titelfavorit, auch für Lohhof. Und ein guter Orientierungspunkt für den Klub aus Unterschleißheim, der ähnliche Ambitionen hat. Nur nicht die Mannschaft, die Ausländerinnen, das Umfeld. Immerhin: Eine neue, erstligataugliche Halle haben sie seit kurzem. "Aber die müssen wir erst einmal füllen", sagt Abteilungsleiter Matthias Kock.

Seit Jahren gehören Lohhofs Volleyballerinnen, die an diesem Samstag (19 Uhr, Südliche Ingolstädter Str. 1) gegen die vom ehemaligen SVL-Coach Johannes Koch trainierte Reserve des Erstligisten Stuttgart spielen, zu den besten und ambitioniertesten Zweitliga-Klubs. Sie machen hervorragende Jugendarbeit, nur gelingt es nicht, am Rande der Großstadt München einen großen Sponsor zu finden. Hachings Volleyballer haben erfahren, was das bedeutet, im Frühjahr standen sie noch im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft, jetzt spielen sie - ohne Hauptsponsor Generali - in der Bayernliga.

Starke Nachwuchsarbeit - nur wohin führt sie? Christina Kock spielt seit der F-Jugend für Lohhof. Reif für die erste Liga ist sie noch nicht. (Foto: C. Schunk)

Wie schnell man abzustürzen kann, hat Lohhof selbst erlebt. Nach der Hochphase in den achtziger Jahren, mit je vier deutschen Meisterschaften und Pokalsiegen, kamen zwei Insolvenzen. Sie haben Lohhof vorsichtig werden lassen. Danach wagte der Klub trotz mehrerer Chancen nur ein einziges Mal das Abenteuer erste Liga - und erlitt Schiffbruch. Mit einem Mini-Etat von 200 000 Euro glückte dem SVL ein einziger Sieg am letzten Spieltag. Lohhof machte Schlagzeilen - als einer der erfolglosesten Erstligisten der Geschichte.

Auch aus diesen Gründen spricht Matthias Kock eher defensiv über Lohhofs Ambitionen: "Wir reden von einer halben Million Euro, die wir brauchen. Momentan sehe ich die erste Liga nicht." Was Kock und Managerin Zorn, eine von eineinhalb hauptamtlichen Kräften, ebenfalls nicht sehen, sind Spielerinnen, mit denen Lohhof in Liga eins überleben könnte. Zwei oder drei aus dem aktuellen Kader hätten vielleicht das Niveau, der Rest müsste von außen kommen - in ein Team, dessen Akteure kaum Geld verdienen. Oder es müssten, wie so oft, eigene Talente aufgebaut werden, was Zeit braucht. Zwei davon, Lucia Kaiser und Natascha Niemczyk, spielen inzwischen in Straubing. Um Nachwuchs abzuwerben, reichen manchmal Auto, Wohnung und etwas Kleingeld.

Die Situation ist keineswegs verfahren oder aussichtslos, gerade hat der Klub das "Grüne Band für vorbildliche Talentförderung" bekommen. Mit der Sponsorensuche geht es voran, der Etat liegt schon im, allerdings sehr niedrigen, sechsstelligen Bereich. Auch die Vorlizenzierung für die erste Liga hat Lohhof zum 1. November beantragt. Sie sehen das als eine Art Testlauf. "Es ist unser Ziel, in die erste Liga zurückzukehren. Vielleicht nach der Saison 2015/16", sagt Managerin Zorn. Sie steht in diesen Fragen in engem Kontakt mit dem Dresdner SC, der nicht der schlechteste Ansprechpartner ist: Dresden ist aktuell deutscher Meister.

Es tut sich etwas in Lohhof, die Ambitionen gewinnen an Kontur. Sie wissen, dass die achtziger Jahre nicht mehr kommen, sie wissen aber auch, dass der Klub mit einer starken Jugend und niveauvollem Zweitligavolleyball zwar seinen sozialen Auftrag erfüllt, dass er ohne höhere Ziele jedoch nicht ins Blickfeld starker Spielerinnen oder potenter Sponsoren rückt. Die Frage ist: Wollen sie das Risiko eingehen? Oder genügt es ihnen, dort zu stehen, wo sie stehen - zurzeit auf Zweitliga-Rang drei? Mit dem Image eines Ausbildungsklubs, der womöglich bald sein nächstes großes Talent verliert, die Zweitliga-Zuspielerin Lisa Keferloher.

Manche im Klub sagen: Das reicht. Es gibt Zorn und auch Trainer Jürgen Pfletschinger, die qua Amt konkretere Pläne schmieden - Pfletschinger mit etwas mehr Vorsicht, er möchte "mittelfristig, also in drei bis fünf Jahren, mit Lohhof in der ersten Liga sein". Und es gibt Abteilungsleiter Kock, der die Aufstiegseuphorie 2009 miterlebt hat - und erkennen musste, dass Lohhof nicht reif war für diesen großen Schritt. Kock ist nicht gegen den Aufstieg, aber er sieht dessen Schattenseiten. Und er sagt, der Masterplan des Dachverbandes Volleyball-Bundesliga (VBL), der die Klubs zu Professionalisierung auf allen Ebenen verpflichtet, "macht uns kaputt". Die Lizenzierungskosten seien gestiegen, die Personalkosten auch, "es wird jedes Jahr teurer". In Straubing, dessen Manager Heiko Koch zugleich VBL-Vizepräsident ist, haben sie Kock verteufelt für diese Aussagen. Aber er ist nicht der einzige, der glaubt, dass die Entwicklung wenig mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Dass nicht alles mit "Meine Halle, mein Kader, mein Sponsor" getan ist.

Die Jugend bleibt Lohhofs Kapital, Kock betrifft das auch unmittelbar. Seine Tochter Christina hat neben fünf weiteren SVL-Juniorinnen den Sprung ins Bundesliga-Team geschafft. Als F-Jugendliche hatte sie in Lohhof begonnen. Es betrifft also auch Kock, wohin die Reise des SV Lohhof bald gehen wird. Und dem Vater würde es nicht unbedingt gefallen, die Tochter bald für den großen Konkurrenten Straubing spielen zu sehen.

© SZ vom 08.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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