VfR Garching:Gerade durchs Leben

Lesezeit: 2 min

Lufthoheit: Hier setzt sich mal wieder Kapitän Dennis Niebauer durch. Das Kopfballtor für Garching erzielt diesmal aber ein anderer. (Foto: Claus Schunk)

Beim 1:1 gegen den FC Ingolstadt II kassiert die Weber-Elf erst spät den Ausgleich. Anschließend wird es richtig emotional.

Von Christoph Leischwitz, Garching

Marvin Matip hat 112 Bundesliga- und 252 Zweitligaspiele bestritten, der 33-Jährige hat schon einiges erlebt im Profifußball. Doch selbst für ihn wurde die Nachspielzeit der Viertliga-Partie beim VfR Garching zu einer hochemotionalen Angelegenheit: Eckball für den FC Ingolstadt II, die Kugel flipperte durch den Strafraum, der 33-jährige Routinier staubte ab zum 1:1-Endstand. Dann rannte er zur Eckfahne und kassierte die gelbe Karte: "Das war noch etwas, was ich von der Liste abhaken wollte: Ein Tor in der Regionalliga, und dann noch das Trikot ausziehen", sagte er nach dem Spiel mit einem breiten Grinsen.

Matip ist seit der Winterpause aus dem Profikader gestrichen, doch weil er sich höchst professionell im Regionalliga-Team engagiert, ist er zu einem der Anführer auf dem Feld geworden. Am Samstag war seine Präsenz dann auch einer der Gründe, warum sich die Garchinger lange Zeit so schwer taten in der Offensive. Wenngleich nicht der einzige. "Die Jungs haben gesagt, der Rasen sei sehr stumpf und schwer zu bespielen", erklärte Garchings Trainer Daniel Weber später. Für Garchinger Verhältnisse kam deshalb erstaunlich wenig Spielfluss zustande, bis zur Pause verzeichnete die Mannschaft keinen einzigen Torabschluss. Die Ingolstädter hingegen schon, weil sie bei jeder Balleroberung den Ball schnörkellos auf ihre schnellen Angreifer spielten. Allein Ingolstadts Philipp Herrmann scheiterte mehrmals aus guter Position (20., 22., 27.). Womöglich war es für die Garchinger ein Vorteil, an einem Länderspiel-Wochenende gegen die Profi-Zweitvertretung zu spielen: Der treffsicherste Angreifer der Ingolstädter, Fatih Kaya, gehört zum erweiterten Kader der U-20-Nationalmannschaft.

Schon vor der Pause zeichnete sich ab, dass der VfR nicht etwa von Frühjahrsmüdigkeit befallen war, allmählich agierte die Weber-Elf auf Augenhöhe. Als in der 55. Minute aber plötzlich der Torjubel das Vogelgezwitscher im Stadion übertönte, kam das trotzdem überraschend: Florian Pflügler hatte nach einem Eckball von Valentin Micheli aus sechs Metern wuchtig eingeköpfelt - Profi Matip sagte später, das Tor gehe auf seine Kappe.

Gleich nach dem Anstoß hatten die Garchinger ihre erste Kontermöglichkeit, die Fünf-gegen-drei-Situation blieb aber wegen schlechten Passspiels ungenutzt (56.). Einmal musste sich VfR-Keeper Maximilian Engl noch strecken (75.), einmal landete eine Matip-Flanke auf dem Garchinger Lattenkreuz, dann war das Spiel nicht mehr wiederzuerkennen: Garching, lange Zeit ohne nennenswerte Möglichkeit, versiebte eine Riesenchance nach der anderen. Das meiste Haareraufen auf der Tribüne löste der eingewechselte Emre Tunc aus, der gleich zweimal das 2:0 liegenließ: Einmal verstolperte er den Ball, einmal wurde dieser von Matip weggespitzelt. Simon Seferings legte sich zudem die Kugel in der 89. Minute zu weit vor, als er alleine auf den starken FCI-Keeper Lukas Schellenberg zulief. So wirkte das 1:1 dank des späten Ausgleichs der Gäste "erst einmal wie eine Niederlage", fand Weber, obwohl das Ergebnis insgesamt in Ordnung ging.

Die obligatorische Pressekonferenz mit den Analysen der Trainer nahm dann eine emotionale Wendung. Gästecoach Tobias Strobl sagte plötzlich: "Falls ich das Mikro nicht mehr kriegen sollte: Im Fußballgeschäft gibt es nicht mehr viele Menschen, die zwölf Jahre bei einem Verein sind und so gerade durchs Leben gehen können." Gemeint war der scheidende Garching-Trainer Weber . Er wünsche sich, dass alle VfR-Verantwortlichen und Fans noch einmal enger denn je zusammenstehen. "Gönnt ihm den Abschied, den er verdient hat", sagte er über den Abstiegskampf. Applaus.

"Ich danke dir riesig für die Worte", antwortete Weber noch, "ich denke, man sieht, dass wir das auch wollen", kommentierte er die Leistung auf dem Platz. Aufgrund der Tabellensituation - die Garchinger stehen weiter einen Punkt vor den Relegationsplätzen - seien die Sinne erst einmal geschärft. Wehmut sei zwar immer dabei nach so einer langen Zeit, aber im Moment gehe es einfach nur darum, noch vier oder fünf Siege einzufahren. "Es wird dann am Schluss emotional, das reicht doch", sagte Weber. In diesem Moment war nicht ganz klar, ob er das Spiel gegen Ingolstadt meinte. Oder das vermutlich spannende Saisonfinale.

© SZ vom 25.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: