Türkgücü München:Kurz vor dem Donner

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Zwei Tore gemacht, zwei Elfmeter herausgeholt (einer davon wurde verwandelt): Patrick Hasenhüttl (rechts) freut sich mit dem Kollegen Mario Erb. (Foto: Claus Schunk)

Der Favorit setzt sich nach Sieg über Memmingen an der Spitze fest. Dabei läuft nicht alles beim Aufsteiger. Trainer Maurer sieht dafür Gründe - und wehrt sich gegen "Millionentruppe"-Gerüchte.

Von Christoph Leischwitz, Kirchheim

Da stehe ja hinten alles drauf, sagte Robert Hettich nach dem Spiel über das Trikot von Patrick Hasenhüttl: "Zwei Tore gemacht, zwei Elfmeter rausgeholt", erläuterte der Geschäftsführer von Türkgücü München seine kleine Zahlenlehre. Passenderweise ist der Spieler mit der Nummer 22 aktuell auch noch 22 Jahre alt. Er war beim 4:2-Sieg des türkischen Klubs über den FC Memmingen an drei Treffern beteiligt: In der zehnten Minute holte er nach einem Konter den ersten Strafstoß heraus, den anschließend Yasin Yilmaz verwandelte; das 2:0 erledigte er selbst mit einem trockenen, unhaltbaren Schuss, nachdem die Allgäuer den Ball nicht aus der Gefahrenzone brachten (25.). Das 3:0 fiel ihm dann recht leicht, nachdem ihn Yilmaz per Hacke sehenswert freigespielt hatte (40.). Dazwischen hatte Kapitän Yilmaz auch noch einen Elfmeter verschossen, nachdem Hasenhüttl erneut im Sechzehner gefoult worden war. Nach dem Spiel stand der 1,90-Meter-Angreifer im Kabinengang des SV Heimstetten, wo Türkgücü bis zum Winter seine Heimspiele ausrichtet. "Drei Tore nach drei Spielen, also, ich kann nicht meckern", sagte er zufrieden.

"Wir haben dann angefangen zu wackeln, vor allem bei Standards", sagte Maurer

So stand der Sohn von Trainer Ralph Hasenhüttl am Samstag für all das, was zurzeit gut läuft bei Aufsteiger Türkgücü. Zwar wird Trainer Reiner Maurer seit dem Saisonstart nicht müde, auf die vielen Verletzten im Kader zu verweisen. Doch in Hasenhüttl sieht man eben auch, dass ein langfristiger Plan schon jetzt ein Stück weit aufgegangen ist. Wären alle Spieler gesund, der Österreicher hätte bislang wohl deutlich weniger Einsatzzeit bekommen. Doch der Kader ist ungefähr so breit aufgestellt wie Hasenhüttls Kreuz, und alle sind hochmotiviert. Weil alle von ihnen im Profifußball landen wollen, "am liebsten natürlich mit Türkgücü", sagt Hasenhüttl. Schon allein deshalb, weil er ja aus München komme. Dazu haben alle noch verschiedene individuelle Gründe. Hasenhüttl etwa verweist auf seine schwierige Saison 2018/19 mit mehreren Verletzungen. Beim Zwangsabsteiger FC Ingolstadt II wurde sein Vertrag nicht verlängert.

Es läuft aber auch bei Türkgücü noch lange nicht alles so reibungslos. Trotz der komfortablen 3:0-Führung zur Pause wurde die Partie noch mal spannend. Keine Minute nach Wiederanpfiff drückte Memmingens Fatjon Celani den Ball nach einem Eckball und einer Kopfballvorlage mit der Brust über die Linie. Es entwickelte sich ein offenes Spiel mit guten Chancen auf beiden Seiten. Dann zeigte der Schiedsrichter in der 78. Minute zum dritten Mal auf den Elfmeterpunkt: Türkgücüs Stefan Wächter war ein wenig zu ungestüm in einen Zweikampf gegangen. Celani verwandelte zum 2:3, und nun war nicht klar, ob als nächstes ein Blitz- oder ein Toreinschlag folgen würde. Es begann zu regnen, die schwüle Hitze wich einem erfrischenden Regenguss, Türkgücü lebte wieder auf, Dominik Weiß erzielte nach einem perfekt vorgetragenen Konter das entscheidende 4:2 (85.).

Zwei Eckpfeiler sind bald zurück: Kasim Rabihic wahrscheinlich, Furkan Kircicek ziemlich sicher

Trainer Maurer wirkte während der Partie etwas angespannter als zuletzt, er rief oft ins Feld, der einstige Memminger Coach lieferte sich auch einige Wortduelle mit Vereinsvertretern aus der Heimat. "Wir haben dann angefangen zu wackeln, vor allem bei Standards", sagte er später. Er sei mit neun Punkten aus vier Spielen zufrieden, aber "leider hat man auch Verunsicherung festgestellt". Einige seien neu in der Mannschaft - das sind genau genommen fast alle -, und diesen merke man an, dass ihnen die "Eckpfeiler" fehlten, und damit Selbstsicherheit.

Türkgücü startete am Samstag mit sieben U-23-Spielern. Auch deshalb wird Maurer immer wieder lauter, wenn er auf die hohen Erwartungen an sein Team und den Verein angesprochen wird. "Den Menschen wird vorgegaukelt, dass wir hier eine Millionentruppe haben, weil wir nicht wissen, wohin mit der Kohle. Die Leute lesen das, und dann multiplizieren sie noch im Kopf." Kolportiert wird in der Tat vieles. Ein Regionalliga-Konkurrent sprach einmal von drei Millionen Euro Jahresetat. Am Spielfeldrand oder am Stammtisch werden daraus schnell mal vier Millionen oder mehr. Lässt man die Multiplikatoren weg, dann ist das niedrigste, was man zu hören bekommt, 1,5 Millionen Euro.

Einige Eckpfeiler kehren bald zurück: Kasim Rabihic (Zerrung) wahrscheinlich, Furkan Kircicek (Gehirnerschütterung) ziemlich sicher. Bislang hat die Mannschaft noch kein Spiel über 90 Minuten überzeugen können. Die Gründe dafür hat Trainer Maurer klar benannt. Doch sie werden aller Voraussicht nach immer weniger.

© SZ vom 29.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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