Türkgücü München:Kasim, Kasim

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Elegante Dribblings durchs Mittelfeld und Effektivität vor dem Tor: Türkgücüs Kasim Rabihic (rechts). (Foto: Claus Schunk)

Stürmer Rabihic erzielt beim 2:0 gegen den 1. FC Nürnberg II beide Treffer. Die Tribüne feiert den Torschützen, und der Trommler sagt, wann gepfiffen werden muss.

Von Gerhard Fischer, Kirchheim

Kurz vor Schluss kamen sehr laute "Kasim, Kasim"-Sprechchöre von der Tribüne, denn Kasim Rabihic hatte gerade sein zweites Tor erzielt. Sie riefen alle Kasim, weil Fußballer oft mit Vornamen gefeiert werden; und vielleicht ist es bei diesem Nachnamen auch besser so, denn manche nennen Rabihic auch Rahibic und dann würde es beim Brüllen zur Sprachverwirrung kommen. Kasim Rahibic also schoss in der 86. Minute das 2:0 für Türkgücü München gegen den 1. FC Nürnberg II. "Ein enges Spiel", wie Türkgücü-Trainer Reiner Maurer hernach sagte, war in diesem Moment entschieden.

Es war nicht nur ein enges Spiel, es war auch ein Spitzenspiel, denn beide stehen im Norden der Tabelle. Türkgücü kam etwas besser in die Partie: Der Spielaufbau war gepflegter; die Pässe kamen genauer; die Abwehr stand gut mit dem abgezockten Zugang Azur Velagic; und die vielen guten Fußballer bildeten ein harmonisches Kollektiv. Hie und da zeigte einer dieser Individualisten seine Fertigkeiten, etwa Kasim Rabihic, als er sich elegant durchs Mittelfeld dribbelte, aber an der Strafraumgrenze ins Straucheln geriet. Den Ball übernahm ein anderer Künstler, Yasin Yilmaz; dieser schaute, zielte und schoss den Ball mit links an die Latte (15.).

Draußen nahm die Stimmung Fahrt auf. Türkgücüs Trommler lief vor der Tribüne auf und ab und sagte etwas auf Türkisch. "Übersetz!", wurde ihm zugerufen. "Also, wenn wir am Ball sind, dann klatschen alle im gleichen Rhythmus", sagte der Trommler auf Deutsch, und dann machte er den Rhythmus auf seinem Instrument vor. "Und wenn die anderen den Ball haben, pfeifen wir. Wer nicht pfeifen kann, macht Buuuuh."

Es wurde zunächst viel geklatscht und wenig gepfiffen oder gebuht, denn Türkgücü dominierte weiterhin das Spiel. "Bis zur 30. Minute war die Heimmannschaft fußballerisch besser", sagte Marek Mintal, heute Trainer der jungen Nürnberger, früher Torjäger und Idol der Nürnberger Profis. Was den Gastgebern fehlte, waren zwingende Chancen und Tore. Bloß Rabihic machte Radau, doch der reaktionsschnelle Torwart Jonas Wendlinger drehte dessen Linksschuss mit einer beachtlichen Flugparade um den Pfosten (32.).

Das war das letzte Symbol für die Überlegenheit der Gastgeber. Nürnberg verließ nun seine Deckung und gestaltete den langen Rest des Spiels ziemlich offen. Torchancen inklusive. Zunächst zielte Philipp Harlass mit einem Drehschuss links vorbei (34.), dann scheiterte der enteilte Lukas Schleimer mit einem Flachschuss ins kurze Eck am ausgestreckten Fuß von Tormann Franco Flückiger. Die Türkgücü-Fans, die den Nürnberger Angriff - wie vom Trommler empfohlen - mit Pfiffen begleitet hatten, riefen nun laut und ausdauernd "Franco, Franco."

Türkgücü konterte die Aufmüpfigkeit der Franken mit einem großartigen Angriff und dem Führungstor. Patrick Hasenhüttl, der praktischerweise mit "Hasi" angefeuert werden kann, legte den Ball per Kopf auf Rechtsaußen, Benedikt Kirsch passte zur Mitte auf Yilmaz, und Yilmaz, der mit Hirn und Auge spielt, sah auf Halblinks den freistehenden Rabihic. Dessen Flachschuss ins kurze Eck konnte von Wendlinger nur noch abgefälscht, aber nicht mehr abgewehrt werden (40.).

Nach der Pause verlor Türkgücü seine Linie. "Es lag wohl an der Hitze, dass wir unser Spiel nicht mehr so durchziehen konnten, wie wir es vorhatten", sagte Trainer Maurer. "Außerdem waren die Nürnberger ein fußballerisch starker Gegner." Die Franken verstanden es gut, ihren technisch beschlagenen, zentralen Angreifer Lukas Schleimer in Szene zu setzen oder das Spiel zu verlagern. Als Verteidiger Tobias Kraulich einmal einen weiten, diagonalen Pass schlug, Rechtsaußen Mike Scharwath aber den Ball verpasste, sprang Kraulich vor Wut aus dem Stand einen halben Meter hoch, als wolle er im Turnunterricht auf den Kasten hüpfen. Scharwath übrigens zeigte wenig später, was er kann, er wuchtete einen Fernschuss gegen die Latte des Türkgücü-Tores (52.). Hüben wie drüben gab es danach mittelgute Chancen, hüben wie drüben fehlte es aber an der Präzision beim finalen Zuspiel.

Draußen fetzte sich derweil Torwarttrainer Michael Hofmann mit einem Nürnberger Fan, der den ehemaligen Löwen-Keeper mit dem Satz "Bist du nicht mit Sechzig abgestiegen" zum Schweigen brachte. Ein älterer Zuschauer beendete den Disput vollends, indem er weise sagte: "Ihr seid ja schlimmer als kleine Kinder."

Das Zittern der Gastgeber wiederum beendete dann Kasim Rabihic mit einem Kontertor gegen aufgerückte Franken. Rabihic lief alleine auf Torwart Wendlinger zu, er versuchte es zunächst mit einem Heber, den der Keeper abwehrte, aber der Ball sprang dem Stürmer wieder vor die Füße. Rabihic kickte die Kugel schließlich mit der Picke über die Linie.

Jetzt sprangen die Türkgücü-Trainer in die Höhe, allerdings vor Freude. Am höchsten hüpfte übrigens Hofmann.

© SZ vom 26.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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