Türkgücü München:Auf der Suche nach der verlorenen Leichtigkeit

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So macht das keinen Spaß: Petar Sliskovic (links) und Aaron Berzel sind konsterniert nach Türkgücüs 0:3 im Olympiastadion gegen Halle. (Foto: Sven Leifer via www.imago-images.de/imago images/foto2press)

Nach seinem furiosen Saisonstart nähert sich der Aufsteiger den Abstiegsplätzen der 3. Liga. Der Trainer diagnostiziert "eine mentale Müdigkeit".

Von Christoph Leischwitz, München

Live gesungen hat Robbie Williams dieses Lied hier im Olympiastadion letztmals im Juli 2017. Jetzt lief es vom Band, als Türkgücü München aufs Feld lief: "Let me entertain you". Das, was danach folgte, hatte allerdings nichts mit Entertainment zu tun. Klar, es war auch niemand da, der unterhalten werden konnte, die blassgrünen Sitzschalen bleiben leer in diesen Tagen. Aber die Leichtigkeit, die zum Beispiel das Klavier-Intro in Williams' Party-Hit ausmacht, sie ist auch aus dem Spiel Türkgücüs verschwunden. Der Vortrag der Mannschaft von Trainer Alexander Schmidt ähnelt immer mehr abgehackten Gitarren-Riffs à la AC/DC, die auch schon hier spielten und ebenso am Dienstag zu hören waren, in der Halbzeit. Es geht in Richtung "Highway to Hell".

Man kann sich unschwer ausmalen, was am Tag nach dem 0:3 (0:2) gegen den Halleschen FC an der Heinrich-Wieland-Straße los gewesen sein dürfte, wo Türkgücü seine Geschäftsstelle hat. Die Vereinsführung ist nicht gerade dafür bekannt, ihre Arbeitnehmer übermäßig zu verhätscheln. Wie die SZ berichtete, waren und sind immer wieder Spieler aus dem riesigen Kader freigestellt, zurzeit ist dieser sogar in zwei klar getrennte Trainingsgruppen aufgeteilt - rund ein Dutzend Spieler darf momentan überhaupt nicht mit Einsätzen rechnen. Nun ja, wer weiß, jetzt ja vielleicht doch wieder.

Sercan Sararers schöne Ballbehandlung blieb seltenes Stückwerk, Petar Sliskovic fehlte die Genauigkeit

Mit einer etwas besseren Chancenverwertung der Mannschaft aus Sachsen-Anhalt hätte aus der deutlichen Niederlage auch ein Debakel werden können. Und das, obwohl bei den Gästen der Ausnahmestürmer Terrence Boyd wegen eines Ödems im Bein fehlte. Boyd ist laut Trainer Florian Schnorrenberg nicht zu ersetzen. Türkgücü aber fand offensiv erst so richtig in der 91. Spielminute in die Partie, als die Mannschaft ein wenig Verve zeigte, um zumindest noch den Ehrentreffer zu erzielen. Sercan Sararers schöne Ballbehandlung blieb indes seltenes Stückwerk, Petar Sliskovic fehlte bei seinen wenigen Chancen die Genauigkeit im Abschluss.

Besonders wenig unterhaltsam war der Spielaufbau Türkgücüs: Alle Wege, das Mittelfeld zu überbrücken, waren regelmäßig zugestellt, und es fehlte offenkundig jeglicher Ehrgeiz, neue Wege zu finden. "Wir haben sehr gut gegen den Ball gespielt, das Zentrum kompakt gehalten", erklärte Gästetrainer Schnorrenberg den taktischen Plan. Durch viel Laufarbeit sei es gelungen, Türkgücü immer wieder auf eine Seite zu locken, wo dann Einbahnstraßen angelegt wurden.

Den Eindruck, die Mannschaft habe schlicht keine Lust gehabt, weist Trainer Schmidt weit von sich

Nach den ersten Partien des Aufsteigers in der dritten Liga, als er seine spielerische Qualität nachhaltig aufzeigte, konnte man diesmal den Eindruck gewinnen: Die Mannschaft hat schlicht keine Lust. "Das möchte ich weit von uns weisen", versicherte Trainer Schmidt. Er meinte, der Doppelschlag durch Julian Derstroff (12.) und Michael Eberwein (14.) habe seine Mannschaft "komplett aus der Bahn geworfen", unmittelbar davor habe sie ein wenig ins Spiel gefunden. Nun hatte sich Türkgücü schon öfter unbeeindruckt gezeigt von einem Rückstand. Schmidt konstatierte aber, dass "ein bisschen eine mentale Müdigkeit" festzustellen sei. Diese konnte er auch nicht durch mehrere Wechsel in der Startelf und zwei Wechsel zur Pause kompensieren.

Gleich nach dem Pausenpfiff, auf dem Weg in die Kabine, schnappte sich Schmidt zwei junge Ersatzspieler und gab ihnen ein paar taktische Vorgaben auf den Weg. Einer von ihnen war Debütant Atakan Akkaynak, ein defensiver Mittelfeldspieler. Der 21-Jährige war Junioren-Nationalspieler für Deutschland und wurde bei Bayer Leverkusen ausgebildet; nach einer Schulterverletzung befand er sich seit zwei Wochen wieder im Training. "Er hat sicherlich ein paar Sachen gut gemacht", urteilte Schmidt später, das Talent konnte aber auch keine Aufholjagd initiieren. Jedoch zeigt die Personalie, dass Schmidt genug Optionen hat, die Mannschaft komplett umzukrempeln, wenn die Leistung nicht stimmt.

Nach drei Niederlagen in Serie ist der lange so unbekümmert aufspielende Aufsteiger nur noch drei Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt und liegt sogar einen Punkt hinter den lange so harmlosen Unterhachingern. Türkgücü hat noch zwei weite Auswärtsfahrten zu bewältigen vor der Pause, nach Verl und zum Nachholspiel in Meppen. "Schmerzhaft" sei diese Niederlage gewesen, gab Schmidt zu, aber so schwer das jetzt möglicherweise auch falle: Man müsse dringend aus dieser Niederlage lernen. Neue Wege finden also. Gute Unterhaltung zu bieten, das kann eine ziemlich ernste Angelegenheit sein.

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