Türken gewinnen in Freising:Triumph statt Trümmer

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Türkgücü-Ataspor feiert vor 1200 Fans die Meisterschaft und steigt in die Bayernliga auf. Die Eintracht, lange Tabellenführer, muss in die Aufstiegsrelegation.

Von Christoph Leischwitz, Freising

Bei der Planung der Party waren sie noch vorsichtig gewesen. "Aufsteiger" stand nämlich auf den roten T-Shirts, die der SV Türkgücü-Ataspor mitgebracht hatte nach Freising, aber nicht "Meister". Im Nachhinein betrachtet war das unnötig. Sie hatten im Spitzenspiel der Landesliga Südost, das sie mit 3:1 gewannen, einen Rückstand weggesteckt, sie hatten davor und danach dominiert, vor allem waren sie cleverer gewesen. So konnte der türkisch geprägte Klub am späten Samstagnachmittag Meisterschaft und Aufstieg gleichermaßen feiern, und das beim großen Konkurrenten in der Saison, dem SC Eintracht Freising, dessen Rasen nach dem Spiel mit fremdem Bier und Sekt gewässert wurde. "Die pure Erleichterung", sagte Türkgücüs Manager Kadir Alkan. Die Anspannung, so der 37-Jährige, sei doch schon sehr groß gewesen aufgrund der Favoritenrolle.

Zwischen 400 und 1200 Zuschauer würden wohl zum großen Showdown kommen, hatte Freisings Abteilungsleiter Georg Appel vorhergesagt. Es wurden: 1200, trotz gleichzeitiger FC-Bayern-Meisterfeier. Auch die Minigolf-Anlage neben dem Stadion Savoyer Au zog nur wenige Interessenten an. Einige türkische Fans hatten Trommeln und Tröten mitgebracht, es wurde ein stimmungsvoller Nachmittag.

Jubeln durften zunächst die Gastgeber: Andreas Hohlenburger rutschte nach Hereingabe von James Joseph in den Ball (12.), den offiziell aber Stephan Thee als Eigentor über die Linie drückte. "Aus heiterem Himmel" sagte Türkgücüs Trainer Andreas Pummer nach dem Spiel. Das stimmte. Denn die Gefährlichkeit des Freisinger Spiels, sie liegt in hohen, langen Bällen, die sich am azurblauen Himmel besonders gut abheben. Und in der Schnelligkeit des 56-Tore-Sturms um Hohlenburger und Joseph, auf die dieses Spiel zugeschnitten ist. "Ich glaube, es war für uns der dreizehnte Rückstand der Saison", schätzte Alkan. Man habe Vertrauen in das eigene Spiel. Unser größtes Problem war, dass wir die Führung nur 18 Minuten halten konnten", sagte Appel. Die Niederlage sei zwar verdient gewesen, meinte er hernach, er gratulierte dem Meister, den er zuvor öffentlich oft kritisiert hatte, dann auch öffentlich über das Stadionmikrofon. Doch das entscheidende Spiel hatte man nicht wegen spielerischer Unterlegenheit verloren, sondern wegen Flüchtigkeitsfehlern bei Standardsituationen. Nach einer halben Stunde wollte der ansonsten starke Torwart Stefan Wachenheim einen Eckball mit der Hand zu einer weiteren Ecke klären. Sein Abklatscher landete aber auf dem Kopf eines Türkgücü-Spielers an der Torauslinie. Dessen Hereingabe drückte Marcel Ebeling über die Linie (30.). Der Winterzugang hat in den vergangenen fünf Spielen fünf wichtige Tore erzielt. In Führung ging Türkgücü durch einen Freistoß von Yasin Yilmaz vom Strafraumrand, bei dem sich die Zwei-Mann-Mauer öffnete (41.). Ohne diesen Lapsus wäre es ein recht harmloser Schuss gewesen, ärgerte sich Appel. Die bemühten Freisinger kamen nach dem Seitenwechsel zu zwei Großchancen durch Florian Schmuckermeier (57.) und James Joseph (75.). Als Emre Arik dann per Kopf nach einem Konter das 3:1 für die Gäste erzielte, verschwand er schnell unter einem großen Männerhaufen, der den Platz gestürmt hatte (87.).

Sieger-Spritzerei: Türkgücü bejubelt den Aufstieg. (Foto: Marco Einfeldt)

"Wir waren schon ziemlich angespannt vorher", sagte Pummer, bei dem der Favoritendruck nach dem Spiel nur langsam abfiel. "Es gibt Vieles, was mich störte im Laufe der Saison. Ich lese immer nur Geld, Geld, Geld", sagte er. Nun aber habe seine Mannschaft 16 Spiele in Serie nicht verloren. Das sei keine Frage von Geld, sondern von Qualität. "Alles braucht seine Zeit, aber jetzt sind wir zusammengewachsen." So konnte man die Freisinger auch noch abfangen, die am 21. Spieltag noch sieben Punkte Vorsprung hatten.

"Wichtig ist, die Mannschaft jetzt aufzubauen. Es ist immer schwieriger, wenn man in die Relegation gezwungen wird, anstatt sie gerade noch erreicht zu haben", sagt Appel. Das letzte Saisonspiel, ein Derby gegen Hallbergmoos, sei nun unwichtig. Aber die Zeit, sich auf die Relegation vorbereiten zu können, sei womöglich wertvoll.

"Wir wollen bessere Bedingungen schaffen", sagt der Manager, am liebsten im Grünwalder Stadion

Der Erfolg, finden sie bei Türkgücü, sei aufgrund der schlechten Trainingsbedingungen noch höher einzuschätzen. "Wir wollen bessere Bedingungen schaffen", sagte Alkan, das Training werde für einen Bayernligisten ja nicht unwichtiger. Ziel sei es weiterhin, bald im Grünwalder Stadion zu spielen: Das steht nämlich jedem Münchner Regionalligisten zu.

Trauergang in die Kabine: Freisings Florian Schmuckermeier muss bald wieder ran. (Foto: Marco Einfeldt)

Vor zwei Jahren, sagt Manager Alkan, sei der Verein "quasi ein Trümmerhaufen gewesen", dann hatte ihn Hasan Kivran als neuer Präsident übernommen. Als Ziel war damals ausgegeben worden, die Regionalliga bis zum Jahr 2020 zu erreichen. Dabei gibt es einige, die das schon längst hätten haben können. Trainer Pummer, der nach dem Schlusspfiff mit seinem Spielmacher Yilmaz lange Arm in Arm im Anstoßkreis stand, die am Samstag eingewechselten Uwe Schlottner und Tayfun Arkadas: Sie alle waren exakt 371 Tage zuvor bereits in die Regionalliga aufgestiegen, mit dem FC Unterföhring. Aber für Nachmittage wie jenen in Freising, sagt Pummer, gehe man doch auch gerne mal zwei Schritte, also Ligen, zurück.

© SZ vom 14.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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