TSV Dachau 65:Freiheit für Lamotte

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Freund des ruhenden Balles: 1865-Spielertrainer Fabian Lamotte. (Foto: Toni Heigl)

Dachaus Spielertrainer, groß und kopfballstark, kommt gegen den kompakt verteidigenden TSV Kottern überraschend unbehelligt an den Ball. Er trifft und rettet seiner Mannschaft dadurch ein 1:1-Remis.

Von Gerhard Fischer, Dachau

Der TSV Kottern hat einen großen Tormann und riesige Abwehrspieler. So misst etwa der bärtige Danijel Gasic 1,96 Meter. Aber wo waren diese Giganten in der 41. Minute? Christian Doll, Stürmer beim Bayernligisten TSV 1865 Dachau, schoss eine Ecke, Fabian Lamotte stieg hoch, stieß mit der Stirn gegen den Ball und wuchtete ihn mit 196 Stundenkilometern (unbestätigtes Messergebnis) ins Tor. Es war eine Szene, wie Fußballfans sie lieben: schön und brachial. Es war das 1:1.

Lamotte hielt früher als Profi für den TSV 1860 und Schalke seinen Kopf hin, er ist 1,88 Meter groß und gefährlich bei Kopfbällen - das hätte man auch in Kottern ermitteln können. Trotzdem stand Lamotte völlig frei. "Ich war selbst überrascht", sagte Dachaus Spielertrainer nach dem Schlusspfiff. Er lächelte. Er war froh über diese fehlende Beachtung. Und überhaupt, Lamotte war offenbar auch mit dem Endergebnis - es blieb beim 1:1 - ganz zufrieden. Obwohl sein Team Heimrecht hatte. Und obwohl Dachau in der letzten halben Stunde haushoch überlegen war. "Es war schon mehr drin", räumte Lamotte ein, "aber wir hatten am Ende auch Glück, dass Kottern bei einem Konter nur den Pfosten traf." Und es sei eben auch schwer gegen diese Allgäuer; die stünden "sehr kompakt".

Der sehr kompakte Gegner begann sehr aggressiv. Er störte sehr früh Dachaus Spielaufbau. Man kann es auch so sagen, wie ein Zuschauer es tat: "Die pressen ganz schön." Alexander Weiss und Burhan Bytyqi, bei 1865 für den gepflegten Balltransport zuständig, kamen damit nicht zurecht. Den Spielaufbau übernahmen daher die weiter hinten postierten (und von Kottern unbehelligten) Innenverteidiger Alexander Weiser und Lamotte - sie schlugen Diagonalpässe auf die Außen. Linksfuß Weiser brachte oft Rechtsaußen Sebastian Brey ins Spiel, der fast alles richtig machte (Ballannahme, Sprint am Gegner vorbei, Zug zur Torauslinie), aber beim Pass zur Mitte selten einen Abnehmer fand. Und Kottern? Presste nicht bloß schön, sondern schoss auch scharf: Sezer Yazir traf mit einem 25-Meter-Freistoß den Pfosten.

1865 begann zu schwimmen. Bytyqi passte vom Mittelkreis hoch hinaus zu Franz Hübl, doch der hätte 2,96 Meter groß sein müssen, um den Ball zu erwischen. Die Kugel ging ins Aus. "Einfache Bälle", forderte Mitspieler Weiser so laut, dass man es draußen hören konnte.

Einfache Bälle? Ein kurioser Ball verhalf Kottern zur Führung: Ein Querschläger zischte wie eine defekte Silvester-Rakete durch Dachaus Strafraum, bis Achim Speiser am Fünfer den Fuß in die Rakete hielt. Keeper Maximilian Mayer parierte zunächst, doch Speiser köpfelte den hoch abspringenden Ball ins Tor (24.). Wenig später stoppte Mayer Yazir, der alleine auf sein Tor zu stiefelte. Und Mayer forderte nun seine zwischenzeitlich zaghaften Kollegen zum Widerstand auf: "Dagegen halten!", rief er so laut, dass es vermutlich noch beim einige Kilometer entfernten Dachauer Volksfest zu hören war. Lamotte jedenfalls hörte Mayers Fanal: In der 41. Minute hielt er seine Stirn gegen den Ball.

Schon nach wenigen Minuten kamen die Dachauer wieder aus der Halbzeitpause. Als könnten sie es nicht erwarten, ihren nervigen Gästen eine einzuschenken und sie dann rasch loszuwerden wie die lästigen Verwandten beim Kaffeekränzchen am Samstagnachmittag.

Nach der Pause folgen 15 höchst unterhaltsame Minuten. Dann verzieht sich der Pulverdampf

Als die Gäste schließlich auch den Rasen betreten hatten, folgte eine höchst unterhaltsame Viertelstunde. Man könnte sagen, dass beide nicht zögerten, dem anderen die Hölle heiß zu machen. Dachau: Onur Korkmaz schießt, Torhüter Tobias Heiland klatscht ab, Brey rauscht heran, Heiland patscht den Ball zur Seite; Korkmaz umkurvt Heiland, wird nach außen abgedrängt und schiebt den Ball dann parallel zur Torlinie - am Tor vorbei; der elegante Linksfuß Weiser zirkelt einen Freistoß knapp über das Tor. Kottern: Joker Jelic macht ein Tor, das wegen Abseits nicht zählt; Speiser bricht durch, lässt Tormann Mayer links liegen und schießt schusselig an den rechten Pfosten.

Nach einer guten Stunde verzog sich der Pulverdampf der kurz hintereinander abgegeben Schüsse, das Spiel sah nun so aus: Kottern, das anfangs "ganz schön presste", zog sich ganz weit zurück. Es entstand ein Verteidigungsring, der kaum Lücken bot, und mit ein bisschen Fantasie konnte man sich vorstellen, dass Kottern kurz davor war, auch noch einen Burggraben auszuheben. 1865 belagerte diese Festung, selbst Tormann Mayer rückte manchmal bis zur Mittellinie auf. Aber es war alles dicht, kein Dachauer sollte mehr die Freiheit genießen wie Fabian Lamotte in der 41. Spielminute.

© SZ vom 13.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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