Trendsport:Gravity Lab vor dem Aus

Lesezeit: 3 min

Münchens einzige Actionsporthalle soll abgerissen werden. Die letzte Hoffnung von Betreiberin Sabine Schmalschläger ist ein Einsteigen der Stadt - aber die Uhr tickt.

Von Ralf Tögel, München

Ihre gute Laune hat Sabine Schmalschläger nicht verloren, zumindest scheint es so. "Wenn nicht bald ein Wunder geschieht, dann stehe ich vor dem Aus": Sogar als die Initiatorin und Betreiberin des Gravity Lab diesen Satz sagt, kommt ihr ein Lächeln über die Lippen. Das Wörtchen "aufgeben" sieht ihr Wortschatz nicht vor, natürlich wird sie bis zum letzten Tag kämpfen, schließlich ist die erste Münchner Actionsporthalle zu ihrem Lebensinhalt geworden. Doch viel Zeit bleibt nicht mehr. Zum 30. April ist ihr Mietvertrag nach mehrmaliger Fristverlängerung gekündigt worden. Der Vermieter habe ihr eröffnet, dass die Halle abgerissen werden und einem mehrstöckigen Bürogebäude weichen solle.

Dabei hätte Schmalschläger durchaus eine Idee, welche Fee ihr zur Seite springen könnte: die Stadt München. Zwar hat der Stadtrat im vergangenen Dezember Konzept und Raumprogramm für ein eigenes Actionsportzentrum auf dem Gelände der ehemaligen Eggenfabrik in Pasing gebilligt, doch derzeit gibt es weder einen Betreiber noch einen genauen Zeitplan. Das Projekt befindet sich in der Planungsphase, allein angesichts der jahrelangen Vorbereitungen bis zur kürzlichen Billigung dürften weitere Jahre ins Land ziehen. Genau darauf ruht nun Schmalschlägers letzte Hoffnung: "Wenn die Stadt beim Gravity Lab als Mieter einsteigen würde, hätte sie eine Übergangslösung bis zur Realisierung der eigenen Halle. Ich würde das Lab weiter betreiben, das wäre doch eine Win-win-Situation." Die Stadt wolle ihr eigenes Actionsporthallenprojekt zwar nicht aufgeben, es habe bei einem Ortstermin und vielen Gesprächen aber durchaus positive Signale gegeben, so Schmalschläger. Doch die Mühlen einer Kommune mahlen langsam - und für das Gravity Lab tickt die Uhr gnadenlos.

Nun droht der ersten und einzigen Actionsporthalle in der Landeshauptstadt das Ende. (Foto: Florian Peljak)

Von Anfang an stand das Projekt im Werkstadt-Viertel in Sendling unter keinem guten Stern. Schon der Eröffnungstermin im Juli 2016 musste wegen Schwierigkeiten mit der Brandschutzbehörde auf Oktober verschoben werden. Plötzlich fehlte eine Fluchtmöglichkeit, eine zusätzliche Fluchttür musste in eine Wand gebrochen werden, nebst Geländer und Leiter an der Außenfassade. Die Sommerferien waren verpasst, auch die Wintervorbereitung für die Freestyler. Schmalschläger beziffert den Schaden auf etwa 400 000 Euro. Als das Lab dann verspätet ins Laufen kam, bremste ein Wasserschaden den Betrieb. Im Juni 2017 geschah das, wieder folgte eine unfreiwillige Auszeit in den Ferien bis September. Der Schaden war ähnlich hoch. Und dann noch der Jahrhundertsommer im vergangenen Jahr mit enorm hohen Temperaturen, bei denen sich das Interesse an schweißtreibendem Actionsport in einer Halle in Grenzen hielt. "Es war schwer, ich stand von Anfang an mit dem Rücken zur Wand", sagt die 52-Jährige, die eine Gesamtinvestition von 1,5 Millionen Euro zusammen mit einer kleinen Gruppe an privaten Investoren zu stemmen hatte.

Dabei ist das Angebot einmalig, weit und breit gibt es keine vergleichbare Einrichtung. Auf 1700 Quadratmetern kann man neue, trendige Sportarten kennenlernen und sich in ihnen versuchen: Parkour, Tricking, Skateboarding, Slacklining. Es gibt eine 260 Quadratmeter große Trampolinlandschaft mit großem Luftkissen, eine riesige Rampe mit verschieden hohen Schanzen, eine Wave, das ist eine Kombination aus Bowl, Miniramp und Kicker, alles, was einen Skateboarder oder BMX-Fahrer glücklich macht. Dazwischen der Airbag, ein gewaltiges Luftkissen, in dem auch hohe Sprünge weich abgefedert werden. Paul Thölen, einer der besten deutschen BMX-Profis, zeigte vor Beginn des Munich Mash im vergangenen Sommer, was man in dieser Halle so alles anstellen kann.

Da war die Welt noch in Ordnung: Sabine Schmalschläger vor der Eröffnung des Gravity Lab. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Doch die Jungunternehmerin zahlte auch Lehrgeld, etwa als sie erkennen musste, dass ein wirtschaftlicher Betrieb allein durch Training von Spitzensportlern unmöglich ist. Zumal Vereine und Verbände ein enormes Entgegenkommen voraussetzen, was für einen kommerziellen Betreiber kaum zu realisieren ist. Schmalschläger erweiterte ihr Angebot, modifizierte die Ausrichtung, ein Stück weg von der Szene und hin zum Breitensportler, es gibt Firmenevents, angepasste Kurse, sogar ein Junggesellenabschied fand statt. Nun, da auch Schulen Interesse an Kooperationen zeigen, sich eine Lösung für ein Gastrokonzept abzeichnet, sich potentielle Sponsoren gemeldet hätten, droht das Ende. Am Montag war Sabine Schmalschläger als Expertin zu Gast auf der Sportmesse ISPO, das Thema: Kinder und Sporttreiben im Zusammenhang mit der Problematik einer steigenden Vereinsflucht. Schmalschläger referierte darüber, wie man Anreize schaffen kann, dass Jugendliche trotz sinkendem Interesse an Vereinen Sport treiben.

Es muss ihr wie ein Hohn vorgekommen sein, da dies exakt der Antrieb für ihr Projekt war, das nun vor dem Aus steht. Sie meisterte auch diesen Termin mit einem Lächeln.

© SZ vom 06.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: