Trabrennen:Siegen im Akkord

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Im Kränzchen: Mit Tyrolean Dream gewinnt Rudi Haller den Bayern-Pokal, das mit 30 000 Euro Preisgeld lukrativste Rennen des Jahres in Daglfing. (Foto: Claus Schunk)

Vor zwei Jahren kehrte Rudi Haller auf seine Münchner Heimatbahn zurück. Am vergangenen Sonntag kommt er dort mal wieder in drei Läufen als Erster durchs Ziel, unter anderem gewinnt er den Bayern-Pokal.

Von Raphael Weiss, München

Rudi Haller spürt den Atem von Dreambreaker in seinem Nacken. Nur wenige Zentimeter von Hallers Kopf entfernt hüpfen die Nüstern des Pferdes auf und ab, das ihn unnachgiebig verfolgt, während er in die letzte Runde des Bayern-Pokals einbiegt. Sein Gesicht und sein gelb-blauer Rennanzug sind mit dem grauen Schlamm der Rennbahn bedeckt. Er ist Erster. Tausend Meter trennen ihn und seinen Wallach Tyrolean Dream vom Sieg im prestigeträchtigsten Trabrennen Münchens.

Es ist Rudi Hallers 11 040. Rennen, das sechste an diesem Tag. Er ist vielleicht der beste Fahrer, den es zurzeit an der Daglfinger Rennbahn gibt. Seit 2015 ist der 59-Jährige wieder an seiner Heimatbahn, nachdem er zehn Jahre lang im österreichischen Ebreichsdorf gelebt und gearbeitet hatte. Haller fährt nicht nur die Pferde, er trainiert sie auch. "Rudi ist wahnsinnig gut und wahnsinnig fleißig. Er ist jeden Tag bei den Tieren", sagt Marie Lindinger vom Aschheimer Stall Wieserhof, für den Haller arbeitet. Als die Rennbahn in Ebreichsdorf schloss, wollte er eigentlich nach Frankreich ziehen und dort trainieren. "Als wir erfahren haben, dass er umziehen möchte, haben wir ihn auf gut Glück angerufen. Mehr als nein sagen konnte er ja nicht", erzählt Lindinger, Tierärztin und selbst mal deutsche Amateurmeisterin. Doch genau das tat Haller, denn er hatte bereits in Frankreich alles geklärt. Die Nähe zu seiner eigenen Familie, zu seinen Eltern und zu seiner Heimatstrecke bewegten ihn dann allerdings doch zum Umdenken.

Am vergangenen Sonntag lief es gut für Haller, wie gewohnt. Es war der Renntag um den Bayern-Pokal, das dritte gehobene Rennen der Saison in Daglfing. Die Tribünen waren gut gefüllt, auch wenn draußen an der Strecke wegen des kühlen Wetters wenig los war. Angelika Gramüller, die Präsidentin des Münchner Trabrenn- und Zuchtvereins, freute sich über einen Gesamtumsatz von 143 000 Euro, ein Drittel davon direkt von der Bahn. "Unsere Sportart erlebt einen kleinen Aufwärtstrend", stellte sie fest. Nun werde sie versuchen, für Anfang Oktober noch ein Fahrervergleichsmeeting auszutragen und auch für den traditionellen Weihnachtspokal noch höhere Dotationen hinzubekommen.

Bei Siegerehrungen wirkt er bisweilen mürrisch. Er hat aber auch schon gut 2000 miterlebt

Haller ist an allen großen Renntagen in Daglfing, fährt mehrere Rennen und gewinnt für gewöhnlich einige davon. Am Sonntag hat er bereits einen Sieg geholt, mit Kentucky Bo im zweiten Rennen. Schon da steht er voller Matsch im Winner Circle, beantwortet schmallippig und in breitem Bairisch die Fragen, die ihm gestellt werden. "Der Kentucky Bo ist gut gelaufen, jetzt kastrier' ma ihn, mal schauen", sagt Haller und schwingt sich in seinen Sulky. Das nächste Rennen wartet. Drei Zuschauer rufen "Servus Rudi!", als er sie passiert. Haller grinst spitzbübisch, wedelt kurz mit seiner Hand zum Gruß und verschwindet dann Richtung Stall, wo er sich und Malandro Mader startklar macht.

Der elf Jahre alte italienische Hengst liegt an vierter Position, als er in den Schlussbogen einbiegt. Um zu gewinnen, muss er die Favoriten Ciao Amore und Man in Black auf den letzten hundert Metern überholen. Kaum ist Malandro Mader auf die Zielgerade eingebogen, beginnt auch Haller alles zu geben. Immer wieder lässt er sich in die Zügel fallen, treibt den Hengst an, und der stürmt erst an Ciao Amore vorbei und kassiert auf den letzten Metern auch noch Man in Black. Ein überragender Schlussspurt des Elfjährigen.

Haller wirkt bisweilen etwas mürrisch bei den Siegerehrungen, doch das liegt wohl auch daran, dass er bereits mehr als 2000 davon mitgemacht hat. Sechs Rennen an diesem Sonntag, 152 bisher im Jahr 2017. 48 Mal siegte er, über hundert Mal kam er auf die ersten drei Plätze. "Rudi fährt diese Rennen, weil es genau das ist, was ihm Spaß macht", sagt Lindinger. Sobald Haller aus dieser Routine herauskommt, sieht man das auch. Dann weicht der grimmige Blick einem verschmitzten Lächeln, das sein Gesicht umspielt, und seine wachen Augen scheinen alles aufzunehmen, was um ihn herum passiert.

So wie in der letzten Runde des Bayern-Pokals. Noch immer atmet Dreambreaker in Hallers Nacken, als er kurz vor dem Zielbogen noch einmal das Tempo verschärft, um den Attacken auf der Geraden vorzubeugen. Als er die Kurve verlässt, hat er bereits einen komfortablen Vorsprung vor Dreambreaker. Außen versucht Josef Franzl mit Wild Viking noch einmal aufzuholen. Vergebens. Tyrolean Dream fliegt auf die Ziellinie zu. Noch fehlen einige Meter bis zum Sieg, da beginnt Haller schon zu lächeln. Er reckt kurz die Hand nach oben, dreht sich zum Publikum und winkt. Auf seinem Gesicht: ein breites Grinsen.

© SZ vom 05.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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