Trabrennen:Die in die Ferne sehen

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Münchens Trabrennverein darf bis 2026 weiter auf seiner Bahn in Daglfing fahren. Am Sonntag findet der Saisonhöhepunkt statt.

Von Andreas Liebmann, München

Als Erfinder des Fernsehgerätes gilt der Deutsche Paul Nipkow. Bereits im Jahr 1886 meldete er ein Patent für einen mechanischen Fernseher an. Auch Karl Ferdinand Braun hatte einen großen Anteil an der Schaffung jener Geräte, wie sie über viele Jahrzehnte in den deutschen Wohnzimmern standen - weil er ihr Hauptbauteil erfunden hat, die nach ihm benannte Braunsche Röhre. Das war 1897. Erste Trabrennen in München sollen übrigens bereits 1867 (also vorher) auf der Theresienwiese stattgefunden haben, der Münchner Trabrenn- und Zuchtverein (MTZV) wurde dagegen erst etwas später gegründet, nämlich im Jahr 1902.

Inzwischen schreiben wir, Moment: das Jahr 2019, und es hat sich in der Welt der Fernseher wieder Erstaunliches getan. Denn der MTZV hat sich von seinen alten Röhrengeräten verabschiedet. Vermutlich sogar schweren Herzens, denn auch sie strahlten ja etwas von der Tradition des Hauses aus. Leider hat man nicht mehr wirklich viel erkannt auf all den ehrwürdigen Kisten, die überall in den großzügig dimensionierten Rennbahngebäuden standen oder hingen. Nun hat der Siegeszug der Flachbildschirme also auch Daglfing erfasst, und das ist nur eine der Neuerungen, die es an der Bahn gibt. Sascha Multerer spricht von "kosmetischen" Eingriffen, die in jüngster Zeit passiert seien. Viele Besucher würden sie auf den ersten Blick vermutlich gar nicht bemerken, außer wenn sie erkennen, dass sie plötzlich wieder etwas erkennen, wenn sie in einen der Fernseher blicken. Am deutlichsten wirken sich die kosmetischen Veränderungen vermutlich in der Geschäftsbilanz des Vereins aus.

Alte Bekannte: Rudi Haller und Tyrolean Dream haben den Bayern-Pokal vor zwei Jahren schon einmal gewonnen. (Foto: Claus Schunk)

Multerer spricht von "wir", wenn er berichtet, was in Daglfing so passiert. Er ist seit Jahren Pressesprecher des Münchener Rennvereins, also der benachbarten Galoppsportler, deren gepflegte Anlage noch immer den Hochglanz vergangener Zeiten ausstrahlt. Doch seit einiger Zeit ist er auch in Daglfing tätig, als Rennsekretär, er nennt es "disziplinübergreifend". Den Kontrast im Erscheinungsbild der beiden Bahnen dürfte er besonders wahrnehmen.

Es liegt allerdings nicht an Multerer, dass sich nun in Daglfing ein bisschen was getan hat, dass etwa die Büsche auf der Anlage erstmals seit drei Jahren wieder beschnitten wurden, dass die alte Heizung wieder funktioniert oder ein neuer Kiosk auf der Anlage steht. Das hat eher mit einem neuen Datum zu tun, nämlich dem Jahr 2026. Denn bis zu diesem Zeitpunkt darf der MTZV mindestens noch weiter auf jener Anlage fahren, die er vor 14 Jahren an den Unternehmer Günther Karl verkauft hat. Das haben laut Multerer beide Parteien vertraglich vereinbart. Ursprünglich hatte der Verein ein Bleiberecht bis 2022, seitdem ist er auf der Suche nach einer neuen Bleibe. Hintergrund der aktuellen Vereinbarung ist wohl, dass sich die städtischen Planungen für ein neues Wohngebiet im Münchner Nordosten weiter verzögern, womöglich zieht sich ein Baubeginn auch noch über das Jahr 2026 hinaus. Also kann auch Karl bis dahin nichts mit dem Grundstück anfangen und hat so nun wenigstens keine Unterhaltskosten dafür zu tragen. Multerer wiederum deutet an, dass es auf der Suche nach einer neuen Heimat zwar ein paar neue Alternativen gebe, aber noch nichts allzu Konkretes, weshalb natürlich auch der Verein froh ist, länger in Daglfing bleiben zu dürfen.

Die Aussicht, weitere sieben Jahre auf der alten Bahn Rennen auszutragen, hat den Verein um seine Vorsitzende Angelika Gramüller vor der laufenden Saison jedenfalls dazu bewogen, etwas investitionsfreudiger zu werden, um den jahrelangen Verfall der Anlagen zu stoppen und für Besucher wieder etwas attraktiver zu werden.

Es ist ja auch so: Wenn eines fernen Tages der Umzug ansteht, sollte ja auch noch etwas übrig sein, das diesen Umzug rechtfertigt. Damit sind nicht die Fernseher gemeint oder anderes Mobiliar, sondern der darbende Trabrennsport als solcher. Gibt es dann also genügend Pferde, Trainer, Besitzer, Rennen, Fans? Multerer ist da sehr zuversichtlich, er sagt aber auch: "Wir müssen es jetzt schaffen, unsere Publikumsbasis wieder zu verbreitern, wenn ein Umzug dann noch Sinn ergeben soll."

Womit man bei diesem Sonntag wäre, denn da wird der mit 25 000 Euro dotierte Bayern-Pokal ausgefahren. Es ist der Saisonhöhepunkt für Daglfing und ganz Bayern. Es sieht ja auch gar nicht mehr so schlecht aus wie noch vor einigen Jahren. Der Einstieg des französischen Wettanbieters PMU hatte die Rennen in Daglfing wieder lukrativer gemacht, und ein ordentlicher Zuschuss des zentralen Vermarkters Wettstar habe in der laufenden Saison geholfen, eine Reihe gehobener Rennen zu sichern; mit mehreren Klassikern kommt Multerer insgesamt auf sieben - aus denen der Bayernpokal freilich herausragt.

Für das Hauptrennen am Sonntag gilt Tsunami Diamant, der Derby-Sieger von 2017, als Favorit, er hat quer durch Europa schon 300 000 Euro eingefahren. Seine Startnummer sieben allerdings ist ungünstig für den Hengst und Fahrer Robin Bakker, besser hat es da der antrittsschnelle Halva von Haithabu auf Bahn sechs erwischt. Auch die Lokalmatadoren Rudi Haller und Tyrolean Dream, die im Juni in Daglfing den Großen Preis von Bayern gewonnen haben, hatten mit Bahn acht Pech bei der Auslosung. Chancen rechnen sich auch Gerhard Biendl mit Celestial Light TK aus und Pocahontas Diamant, die von Italiens Toptrainer Alessandro Gocciadoro trainiert wird, mit Michael Nimczyk im Sulky. Es werden wieder etwa 2500 Zuschauer erwartet wie im vergangenen Jahr, vielleicht auch ein paar mehr. Die wahlweise auf die Bahn schauen können oder auf moderne Flachbildschirme.

© SZ vom 31.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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