Torball:Fehler im System

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Meister 2015, Absteiger 2016: Die Torballer des BSV München I (hier Christian Nautscher) landen unverhofft in der zweiten Liga. (Foto: Claus Schunk)

Der BSV München steigt in die zweite Bundesliga ab - als Vorjahresmeister. Deutschlandweit plagen den Sport Nachwuchssorgen

Von Jan Geißler, München

München gegen Dortmund - im Fußball ist das eine Paarung, die bei den Fans große Erwartungen und Emotionen hervorruft. Wenn die beiden Top-Teams der Bundesliga aufeinander treffen, ist das Spiel schon Tage zuvor das Gesprächsthema Nummer eins. Findet dieses Duell dagegen in der Torball-Bundesliga statt, dann ist es nur eines unter vielen. Das mag einerseits daran liegen, dass nicht der FCB auf den BVB trifft, sondern der BSV München auf den ISC Viktoria Dortmund-Kirchderne. Noch viel entscheidender: Es ist eben nicht der Volkssport Fußball, sondern nur der Randsport Torball.

Peter Ferger vom BSV München dürfte das alles relativ egal sein. Er ist Spieler, Mannschaftskapitän, Trainer und Abteilungsleiter der Münchner in einer Person und unterstreicht allein schon dadurch, wie wichtig ihm sein Sport ist.

Bei Torball handelt es sich um eine von wenigen Mannschaftssportarten für Sehbehinderte, vor allem in Westeuropa ist sie beliebt. Die vier bis maximal sechs Spieler jeder Mannschaft - drei davon auf dem Feld, die übrigen als Ersatzspieler - sind ausschließlich auf ihr Gehör angewiesen, eine schwarze Augenmaske nimmt ihnen, sofern vorhanden, jeden Rest ihres Sehvermögens. Ziel des Spiels ist es, einen Lederball, der etwa so groß ist wie ein Fußball, mit der Hand in das sieben Meter breite und 1,30 Meter hohe gegnerische Tor zu befördern. Gleichzeitig versuchen die Spieler, möglichst wenige gegnerische Treffer zuzulassen, indem sie sich quer auf den Boden legen. Bewegen dürfen sie sich dabei erst, wenn der Ball die Hand des Gegners verlassen hat. Damit das Spielgerät hörbar und somit zu orten ist, befinden sich im Inneren des Balles Metallringe.

"Für mich ist Torball sehr attraktiv", sagt Ferger, 50: "Routine und Kondition spielen eine entscheidende Rolle." Seit ihn vor 35 Jahren ein Onkel dazu brachte, betreibt er diesen Sport schon - obwohl er gar nicht sehbehindert ist. "In jeder Mannschaft dürfen zwei Spieler dabei sein, die keine Sehbehinderung haben", erklärt Ferger. Doch die Torballer plagen Nachwuchssorgen: "Wenn nichts Entscheidendes passiert, wird es irgendwann schwierig, die Sportart zu erhalten." Der aktuelle Kern der Aktiven in Deutschland hat vielleicht noch zehn Jahre zu spielen, der Nachwuchs bevorzugt an Blindenschulen inzwischen eher Blindenfußball oder das dem Torball sehr ähnliche Goalball, das seit 1976 paralympisch ist. Seit den Achtzigerjahren ist die Anzahl der Torballmannschaften in Deutschland von 100 auf 20 gesunken.

In München werden diese Sorgen beim Blick auf den Kader - keiner der Spieler ist jünger als 50 - zwar ebenfalls deutlich, von einem Problem will Ferger aber noch nichts wissen. Der Sport erfreut sich in der Landeshauptstadt, zumindest bei der älteren Generation, nach wie vor recht großer Beliebtheit. Laut Ferger sind dafür gute Trainingsmöglichkeiten, eine Vielzahl an Trainern und auch die großen Erfolge aus der Vergangenheit verantwortlich.

Am vergangenen Samstag gastierte die neue Torball-Bundesliga nun in Landshut - darunter auch zwei Mannschaften des BSV München. Erstmals fand dabei das neue Format der Liga Anwendung. Der entscheidende Unterschied zum bisherigen Ablauf: Ein Spieltag muss genügen, um den deutschen Meister zu ermitteln. Von sieben Erstligaklubs spielt jeder gegen jeden, wer am Schluss die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt den Titel. Ganz simpel eigentlich und trotzdem so unbeliebt - jedenfalls bei den Münchnern. "Uns gefällt das neue Format überhaupt nicht", sagt Ferger, "durch die Liga verliert der Sport an Spannung, alles wirkt viel reduzierter." Bisher war die Meisterschaft auf drei Runden verteilt: die bayerische Runde, gefolgt von der Südrunde und einer Endrunde. Bei dieser spielten die acht besten Teams der vorherigen Runden, der Ausrichterverein sowie eine Mannschaft aus der Runde des Titelverteidigers den neuen Meister aus.

Für die beiden Münchner Teams brachte das neue Ligasystem nichts Gutes: "Bei uns lief alles anders als geplant", ärgert sich Ferger und spielt damit vor allem auf die Leistung des BSV München I an, dessen Kader er selbst angehört. Einem Sieg und zwei Unentschieden standen drei Niederlagen gegenüber. Das hat zur Folge, dass das Team nun in Liga zwei abgestiegen ist - dabei war es als Vorjahresmeister angetreten, bereit zur Titelverteidigung. "Wir hatten ziemlich Ladehemmung und waren auch in der Abwehr nicht so stark wie gewohnt", hadert Ferger, "eigentlich ist das zweite Team unser schwächeres." Dieses schaffte allerdings dank eines Punktes mehr knapp den Klassenverbleib.

Speziell das Zustandekommen der Niederlagen gefiel Ferger überhaupt nicht: "Gegen Landshut verlieren wir durch den letzten Wurf 1:2", und im abschließenden Spiel habe es Unstimmigkeiten mit dem Schiedsrichter gegeben. Ein Protest der Münchner war in der Sache zwar als richtig gewertet, aus formalen Gründen aber nicht zugelassen worden. Auch das Spiel gegen den späteren Zweiten Dortmund-Kirchderne ging in letzter Minute verloren: "Wir treffen zuerst nur den Innenpfosten und kassieren dann noch das 2:3."

Grund zur Freude gab es aus bayerischer Sicht dann doch noch. Die SG Landshut, die ebenfalls in München trainiert, gewann den ersten Titel der neuen Bundesliga. Bei den Frauen siegte die SG Hoffeld-Karlsruhe-München. Peter Ferger und der BSV München I hatten zu diesem Zeitpunkt längst das Ziel für die kommende Saison formuliert: "Wir schauen, dass wir eben wieder aufsteigen."

© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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