Tischtennis:Kalt erwischt

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Ob Mateja Jeger ihre Gegnerin am Sonntag auf dem falschen Fuß erwischte? Kein Zweifel, genau so muss es gewesen sein ... (Foto: Joaquim Ferreira/imago images/HMB-Media)

Der TSV Schwabhausen feiert einen überraschenden Punktgewinn in Langstadt, muss dann aber sein Heimspiel gegen Berlin kampflos abgeben.

Von Andreas Liebmann, Schwabhausen

Ein Lagerfeuer wäre vielleicht noch eine Idee gewesen, aber was hätte man auf die Schnelle verbrennen können? Ein paar Turnbänke und einen Schwung Tischtennishölzer? Als Abteilungsleiter Helmut Pfeil am Sonntagmorgen die Schwabhauser Heinrich-Loder-Halle betreten hatte, fühlte sich das jedenfalls an, als hätte er einen Gefrierschrank geöffnet; die Sportstätte war eiskalt. In diesem schockgefrosteten Augenblick war klar, dass sein Tischtennis-Erstligist es zunächst nicht wie geplant mit dem TTC Eastside Berlin, sondern erst einmal mit den Gesetzen der Physik würde aufnehmen müssen.

Dieser Kampf ging verloren. Als die Rückrundenpartie gegen den deutschen Meister am frühen Nachmittag beginnen sollte, zeigte das Thermometer in der Halle irreguläre 13,8 Grad an, über dem Gefrierpunkt immerhin, aber doch 1,2 Grad unter der erlaubten Mindesttemperatur. Das Eingreifen des sofort verständigten Hausmeisters hatte nichts mehr geholfen, die Gäste aus Berlin traten deshalb anstelle des Spiels lieber die verfrühte Heimreise an. Die Punkte werden sie kampflos zugesprochen bekommen.

"Eine Lachnummer für ganz Deutschland": Abteilungsleiter Helmut Pfeil war angefressen nach dem Spielausfall

Es ist unsinnig zu überlegen, wie vieler Zuschauer es wohl bedurft hätte, um mittels Körpertemperatur doch noch den benötigten Wert zu erreichen. Denn in der Halle sind Fans weiterhin nicht zugelassen. Aufmerksamkeit zieht der Profisport zurzeit allerdings trotzdem auf sich, schon allein, weil rundherum nichts anderes stattfindet. Gerade hat der Bayerische Tischtennis-Verband die im Herbst begonnene Saison für alle Amateurligen unter seinem Dach endgültig annulliert. In der Pandemie aber ist auch die Frauen-Bundesliga dazu übergegangen, alle Spiele per Livestream zu übertragen, was die TTBL der Männer schon seit Jahren macht. Umso mehr ärgerte es Pfeil, dass nun der Verein und die Gemeinde "eine Lachnummer für ganz Deutschland" seien. Zum Glück sei es gegen den Topfavoriten Berlin gegangen und nicht gegen einen der Verfolger, gegen die ein kampfloses 0:8 im Wettlauf um die Playoffs "der Super-GAU" gewesen wäre. Pfeil jedenfalls hat die Gemeinde dringend dazu aufgefordert, auf Ursachenforschung zu gehen, um eine solche Peinlichkeit kein zweites Mal erleben zu müssen.

Für den Gegner hatte Schwabhausens Abteilungsleiter durchaus Verständnis, nicht nur weil die Regeln eindeutig sind: Es geht auch um Verletzungsgefahr. Wenigstes waren die Berlinerinnen nicht nur für dieses eine Duell nach Oberbayern gereist. Tags zuvor hatten sie sich 5:3 im Spitzenspiel beim SV-DJK Kolbermoor durchgesetzt, obwohl dessen 16-jährige Nachwuchsspielerin Naomi Pranjkovic Berlins deutsche Meisterin Nina Mittelham düpierte.

In Langstadt wächst vor allem Mateja Jeger über sich hinaus

Auch für Schwabhausen war das Wochenende allerdings nicht ganz so verkorkst, wie man zunächst befürchten musste. Denn am Samstag brachte das Team ein überraschendes 4:4 vom Tabellendritten Langstadt mit. Damit war nicht zu rechnen. Das Hinrundenduell hatte Schwabhausen 2:6 verloren. Vor dem Rückspiel hatten seine Nummer eins Sabine Winter wegen einer Prellung und dann auch noch die Nummer vier Alina Nikitchanka abgesagt, die am Freitag wegen einer Fußverletzung das Training abbrechen musste. "Zwei Schocknachrichten", so Pfeil. Zu diesem Zeitpunkt wusste niemand, dass auch Langstadt (wo für kommende Saison übrigens Chantal Mantz angeheuert hat, die ehemals für Kolbermoor und Schwabhausen antrat) ohne seine Nummer eins antreten musste - Petrissa Solja litt an Bandscheibenproblemen. An ihren geringen Erfolgsaussichten in Südhessen änderte das nach Einschätzung der Gäste aber wenig.

Es konnte schließlich niemand ahnen, dass an diesem Tag gleich zwei Spielerinnen über sich hinauswachsen würden. Orsolya Feher gewann hinten beide Einzel (3:0 gegen Janina Kämmerer, 3:1 gegen Franziska Schreiner) für die Gäste, und vorne setzte sich Mateja Jeger 3:1 gegen Tanja Krämer und sogar 3:0 gegen die Ägypterin Dina Meshref durch, so souverän, wie es sonst eben Sabine Winter erledigt. Mercedesz Nagyvaradi und die nominell in der dritten Mannschaft aktive Sarah Diecke gingen zwar leer aus, wurden von Trainer Alexander Yahmed aber trotzdem gelobt. Nagyvaradi hätte bei ihrem 13:11, 10:12, 9:11, 9:11 gegen Krämer gut und gerne sogar den Siegpunkt machen können. Vor allem die Kroatin Jeger aber zeigte endlich einmal nachdrücklich, dass sie das Niveau hat, um auch im vorderen Paarkreuz der ersten Liga jede Menge Siege zu holen.

Schwabhausen bleibt damit auf Rang vier. Das Remis in Langstadt sei ein nächster Schritt in Richtung Playoffs gewesen, freute sich Pfeil. Nächsten Sonntag steht das Derby gegen Kolbermoor an, und zwar, Achtung: in Schwabhausen. Man könnte vorheizen.

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