Tanzsport:Parkett der Generationen

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Immer schön Haltung bewahren: Christiane und Dieter Pioch trainieren viermal pro Woche, in der deutschen Rangliste stehen sie auf Platz sieben. (Foto: Corinna Guthknecht)

Im TSC Savoy München wird Vielfalt gelebt. Hip-Hop hat hier ebenso einen Platz wie Standard und Latein.Und auch Senioren können noch internationale Turnierkarrieren beginnen.

Von Raphael Späth

Das Schöne am Tanzen ist, dass es ganze Generationen verbindet. Und genau das versuchen wir, hier zu vermitteln." Christiane Piochs Augen leuchten, wenn sie von den speziellen Trainingseinheiten des TSC Savoy München spricht: "Die Turniersimulationen sind immer gut besucht, und oft gesellen sich auch junge Paare dazu." Die 65-Jährige tanzt mit ihrem Ehemann Dieter, 66, seit mehr als drei Jahren für den TSC Savoy und bildet eines von 21 Savoy-Paaren, die in den deutschlandweiten Senioren-Ranglisten ganz vorne mit dabei sind. Die Standard-Abteilung des TSC Savoy München besteht aus bayerischen Meistern, die oft auch bei großen internationalen Turnieren an den Start gehen - wie Dieter und Christiane Pioch.

Erst im Mai waren sie bei der inoffiziellen Weltmeisterschaft im britischen Blackpool am Start und erreichten dort bei mehr als 160 Teilnehmern immerhin die zweite Runde. "Die Bedingungen werden von Jahr zu Jahr härter. Vor allem die asiatischen Paare kennen auf dem Parkett oft keine Gnade", erzählt Dieter Pioch.

"Die Bedingungen werden von Jahr zu Jahr härter. Vor allem die asiatischen Paare kennen auf dem Parkett oft keine Gnade."

In der höchsten Standard-Klasse werden fünf Tänze pro Runde getanzt: Langsamer Walzer, Tango, Wiener Walzer, Slowfox und Quickstepp. Oftmals tanzen auf der riesigen Tanzfläche in Blackpool in den ersten Runden bis zu 20 Paare gleichzeitig.

Diese Wettkampfhärte versuchen sie deshalb beim TSC Savoy durch Turniersimulationen nachzustellen. Das Klubheim wirkt unscheinbar, befindet sich in einem Bürogebäude mitten im Gewerbegebiet Neumarkter Straße in Berg am Laim.

Im dritten Stock erstreckt sich dann aber eine knapp 600 Quadratmeter große Tanzfläche - Bedingungen wie beim großen Turnier auf der Insel. "Das ist schon ein Luxus und auch einer der Hauptgründe, warum wir beim TSC Savoy hängen geblieben sind", sagt Christiane Pioch: "Die Trainingsmöglichkeiten sind ideal, man kann rund um die Uhr einen Saal für sich reservieren und in Ruhe trainieren. Die Räumlichkeiten sind immer gut gepflegt und sauber, und auch der Boden schwingt mit, so dass die Gelenke nicht so beansprucht werden."

Das Ehepaar, das in diesem Jahr seinen 40. Hochzeitstag feierte, gilt in der Tanzszene als Quereinsteiger - erst vor zehn Jahren haben die beiden mit dem Turniertanzen begonnen. "Mit 50 Jahren wussten wir noch nicht einmal, dass es so etwas wie das Turniertanzen gibt", gesteht die heute 65-Jährige. Die ersten Berührungspunkte mit dem Paartanzen haben sie erst gesammelt, als ihre beiden Kinder Tanzkurse absolvierten. "Beim Abschlussball standen wir dann auf der Tanzfläche und wussten nicht, wohin. Das hat unser Interesse geweckt", sagt Dieter Pioch. Der 66-Jährige war in den 1970er-Jahren zweimal Kanu-Weltmeister im Zweier-Kanadier, der sportliche Wettkampfgedanke und Ehrgeiz liegen ihm also im Blut.

Nachdem einige Paare aus ihrem Tanzkurs dann mit dem Turniertanz angefangen hatten, wurden auch die beiden Miesbacher angestachelt. Inzwischen trainieren sie viermal pro Woche im Clubheim des TSC Savoy München, der vergangenes Jahr sein 50-jähriges Bestehen feierte. "Als die Kinder aus dem Haus waren, mussten wir uns eine neue Beschäftigung suchen", erzählt Christiane Pioch. Und der TSC Savoy biete nicht nur optimale Trainingsbedingungen, sondern auch soziale Vereinsstrukturen. Beim Moonlight-Training samstagabends haben Tänzer neben dem lockeren Training beispielsweise die Möglichkeit, sich auch neben der Tanzfläche zu unterhalten. Dazu werden gemischte Trainingseinheiten angeboten, bei denen Latein- und Standardtänzer gemeinsam trainieren. Dabei sorgen die Trainer nicht nur für Stimmung, sondern geben gleichzeitig auch noch hilfreiche Tipps.

"Wir haben das Glück, dass wir mit dem Geschwisterpaar Natascha und Sascha Karabey zwei Trainer auf Weltklasse-Niveau haben", schwärmt Dieter Pioch. Das schaffe gleich eine ganz andere Atmosphäre: "Die hochkarätigen Trainer sind völlig wertfrei, was das Alter anbelangt", erzählt das Ehepaar. "Das haben wir so nicht erwartet. Aber als ältere Tänzer haben wir nicht das Gefühl, dass unser Training etwas lascher ist. Die Trainer engagieren sich immer gleichermaßen."

Auf Vielfalt wird beim TSC Savoy schon immer großer Wert gelegt: Neben Latein- und Standardunterricht für alle Altersklassen besitzt der Verein im Süden Münchens auch eine Hip-Hop-Abteilung, die 2018 sogar die deutsche Meisterschaft gewann. Darüber hinaus veranstaltet der TSC jährlich ein sogenanntes Equality-Turnier für gleichgeschlechtliche Tanzpaare. Allerdings hakt es derzeit in allen Bereichen, junge Talente zu akquirieren - vor allem beim Übergang vom Breiten- zum Turniertanz zögerten Jugendliche. "Es ist ein falscher Respekt von Breitensportlern gegenüber Turniertänzern da", stellt Christiane Pioch fest. "Die Breitensportler meinen oft, dass die Turniertänzer so weit entfernt und abgehoben wären, wobei wir das gar nicht wollen." In den Umkleidekabinen begegne man sich dann aber auf einer Ebene, die Gespräche seien dort dementsprechend lockerer.

Die Umkleidekabinen sind auch das Einzige, was im Oktober eventuell zu einem Problem werden könnte - dann richtet der TSC Savoy in seinem Klubheim das Finale der Turnierserie "Leistungsstarke 66" aus, bei der ein Partner älter als 66 Jahre und der andere mindestens 60 Jahre alt sein muss. "Wir erwarten mehr als 50 Paare aus ganz Deutschland", erzählt Dieter Pioch: "Unsere Anlage ist für über 300 Personen ausgerichtet, das ist kein Problem - nur in den Umkleidekabinen kann es dann unter Umständen sehr eng werden." Allerdings hoffen die beiden, sich über die beiden Vorrunden hinaus ins Halbfinale und vielleicht sogar ins Finale zu tanzen - dort wären dann nur noch sechs Paare dabei.

Momentan stehen sie in der bundesweiten Rangliste der "Leistungsstarken 66" auf Rang sieben. Bei den German Open im August landeten die Piochs als sechstbestes deutsches Paar auf Rang 32. Daneben starteten auch 13 weitere Savoy-Paare beim weltweit größten Tanzturnier in Stuttgart; die Breite im Senioren-Standard-Bereich des TSC ist in München einmalig. "Allerdings wollen gerade die jungen Leute mehr Latein als Standard tanzen", weiß Christiane Pioch. "Das werde ich dann im nächsten Leben angehen."

Jetzt gilt der Fokus zunächst einmal dem Heimturnier im Oktober. Wie es danach weitergeht, halten sich die beiden offen - "noch haben wir das Gefühl, dass wir von Jahr zu Jahr besser werden." Und das steht für Christiane und Dieter Pioch absolut im Vordergrund: "Es gab auch schon einmal Tage, als wir nach dem Training davon gesprochen haben, aufzuhören. Zum Verbrennen der Tanzschuhe kam es allerdings noch nie." Emotionen gehören zum Tanzen dazu, mehr als in vielen anderen Sportarten kommt es neben Kraft und Ausdauer auch auf Technik und Ausdruck an. "Und dadurch wird eine Alterskluft über den Sport schon etwas nivelliert", behauptet Christiane Pioch: "Jung kann mit Alt und Alt mit Jung tanzen - und genau so sollte es beim TSC Savoy auch sein.

© SZ vom 07.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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